
Im vergangenen Jahr haben die Eidgenössischen Räte mit der Abschaffung der Stempelsteuer und der Verrechnungssteuer auf Zinserträgen zwei Steuervorlagen verabschiedet, die zu geschätzten jährlichen Steuerentlastungen im Bereich von je 250 Millionen Franken führen dürften. Die Linke reagierte postwendend mit zwei Referenden. Doch den Vorwurf des fiskalpolitischen Dogmatismus brauchen sich nicht nur jene gefallen zu lassen, für die jede Steuersenkung der programmatischen «Überwindung des Kapitalismus» hinderlich ist.
Vielmehr trifft auch die bürgerliche Parlamentsmehrheit eine erhebliche Mitschuld: Noch in der Herbstsession lehnte der Nationalrat – wie ein Jahr zuvor die kleine Kammer – eine Standesinitiative des Kantons Bern ab, mit welcher der im Verhältnis zum Ausland bereits bestehende Informationsaustausch auch im Inland eingeführt worden wäre. Dies hätte gemeinhin die Abschaffung des «Bankgeheimnisses» gegenüber Steuerbehörden bedeutet.
Die bürgerlichen Ratsvoten lauteten jeweils wiederholt, die Problematik von Schwarzgeld und Steuerhinterziehung sei viel effizienter im Rahmen der anstehenden Revision der Verrechnungssteuer anzugehen. Bekanntlich blieb es bei diesen Beteuerungen. Die Bürgerlichen haben nicht nur Wort gebrochen, sondern die zwei Steuerreformen dem Risiko des Scheiterns an der Urne ausgesetzt. Dabei gehörten sowohl die Abschaffung der Stempelsteuer als auch jene der Verrechnungssteuer auf Zinserträgen zu jenen Steuersenkungen, welche – entgegen linker Fiskaldogmatik – nach volkswirtschaftlichem Lehrbuch wachstumsfördernd wirken, weil sie transaktionshemmende Abgaben beseitigen.
Die berüchtigte Brandmarkung des «Bank-» als «Steuerhinterzieher-Geheimnis» ist beileibe nicht nur linke Propaganda.
Solches gilt indes – trotz gegenteiliger Behauptungen gewisser Bürgerlicher – nicht für «Steuersenkungen» auf dem Wege geduldeter Schwarzgelder und Steuerhinterziehung. Diese wirken volkswirtschaftlich vielmehr wachstumshemmend, und entsprechende «Geheimnisse» schützen nur Daten, die jeder ehrliche Steuerzahler den Behörden ohnehin offenlegen müsste. Schliesslich entstellen sie in rechtsstaatlich skandalöser Weise die verfassungsmässig gebotene Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sodass die berüchtigte Brandmarkung des «Bank-» als «Steuerhinterzieher-Geheimnis» beileibe nicht nur linker Propaganda zuzuschreiben ist.
Auch wenn man neuen Schätzungen nicht trauen will, welche jährliche Steuerausfälle durch Steuerhinterziehung auf 20 bis 30 Milliarden Franken veranschlagen (ein bundesrätlicher Schätzungsauftrag wurde vom Parlament aus obskuren Gründen verworfen), gehen selbst konservative Annahmen von 5 bis 10 Milliarden Franken aus – mehr als das Zehnfache der Mindereinnahmen durch die erwähnten Abschaffungen der Stempel- und Verrechnungssteuern. Nur auf den ersten Blick erstaunen mag sodann, dass selbst die Schweizerische Bankiervereinigung, die das «Bankgeheimnis» über Jahrzehnte mit erfolgreichem Lobbyismus verteidigt hatte, mittlerweile für den automatischen Informationsaustausch im Inland eintritt. Auf den zweiten Blick erhellt, dass sich mit der Abkehr auch von inländischem Schwarzgeld für die Bankinstitute Reputations-, Compliance- und Strafrechtsrisiken minimieren liessen.
Umso mehr erstaunen muss deswegen, dass sich eine bürgerliche Parlamentsmehrheit als Anwaltschaft einer unbekannten, mithin «geheimen» Klientel versteht – und damit sogar die Interessen der heimischen Bankindustrie gefährdet. Diese fragwürdige Selbstmandatierung zeigte sich nicht nur in der beschriebenen Weigerung, im Gegenzug zur Abschaffung der Stempel- und Verrechnungssteuer den inländischen Steuerinformationsaustausch einzuführen; noch vor Aufdeckung der Pandora Papers wurde eine bundesrätliche Vorlage versenkt, die neben sonstigen Finanzintermediären auch finanzberatende Rechtsanwälte griffigen Regeln der Geldwäschereigesetzgebung unterstellt hätte.
Wenn Mitte-Präsident Gerhard Pfister dieser Tage so weit geht, die Bankiervereinigung der «Unterstützung linker Ideologien» zu bezichtigen, lässt sich bilanzieren, dass fiskalpolitischer Dogmatismus auch bürgerliche Politiker weniger zu unfehlbaren Papalisten als vielmehr zu wahrhaftigen «advocati diaboli» verkommen lässt.
*Der Luzerner Unternehmensjurist Loris Fabrizio Mainardi war von 2011 bis 2017 Assistent für Rechts- und Staatsphilosophie an der Universität Luzern.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Gastkommentar zur Steuerpolitik – Dogmatische Fiskalpolitiker – päpstlicher als der Papst?
Hier irren die Linken: Steuersenkungen fördern das Wachstum. Da liegen Bürgerliche falsch: Die Aufhebung des Inland-Bankgeheimnisses hätte die gleiche Wirkung.