Mann am PrangerDigitale Selbstjustiz im Vergewaltigungsfall könnte dem Opfer schaden
Im Netz findet eine Hetzjagd gegen einen jungen Mann statt. Er wird mit der Vergewaltigung bei der Basler Heuwaage in Verbindung gebracht. Vielleicht zu Unrecht.

Am frühen Morgen des vergangenen Freitags wurde in Basel eine Frau vergewaltigt. Der Täter hatte das Opfer zuvor in einem Nachtclub angesprochen, die Frau wies ihn ab. Als sie den Club später verliess, verfolgte er sie und attackierte sie schliesslich in der Unterführung bei der Heuwaage.
Gemäss Recherchen von «20 Minuten» dürften der Staatsanwaltschaft Bilder des Täters vorliegen. Denn: Bei den Studierendenpartys am Donnerstagabend im Balz Klub, wo es zum Aufeinandertreffen von Täter und Opfer gekommen sein soll, hat es jeweils Partyfotografinnen und -fotografen.
«Wir raten dringend von so etwas ab»
Aufgrund der Corona-Verordnung müsste der Club ausserdem im Besitz der Kontaktdaten des Tatverdächtigen sein – eines englischsprachigen jungen Mannes, der auf 21 bis 22 Jahre geschätzt wird, etwa 175 Zentimeter gross ist, weisse Hautfarbe hat und kurze, seitlich geschnittene Haare und eine Brille trug. Der Balz Klub erfasst beim Eintritt die Handynummern der Besucherinnen und Besucher.
Doch Bilder hat nicht nur eventuell die Staatsanwaltschaft. Privatpersonen sind sich sicher, den Täter identifiziert zu haben. Seit Montag kursiert auf den sozialen Medien ein Foto eines jungen Mannes, dem die Tat zugeschrieben wird. Es werde dazu aufgerufen, das Bild zu teilen, damit er «ertappt» werde, berichtet «20 Minuten». Der Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft, Martin Schütz, hält gar nichts von diesem Aktivismus: «Wir raten dringend von so etwas ab.»
Die Fahndung sei Sache der Strafverfolgungsbehörde. «In jedem Strafverfahren gilt auch für beschuldigte Personen die Unschuldsvermutung – bis zu einem allfälligen Schuldspruch durch ein Gericht. Wer solche Bilder verbreitet, ist für die Folgen (mit-)verantwortlich – beispielsweise bei falschen Anschuldigungen – und macht sich unter Umständen strafbar», schreibt er auf Anfrage dieser Zeitung.
Öffentliche Vorverurteilung kann Strafmass reduzieren
Doch das ist nicht alles: Solche Aktionen können die Beweisführung für die Staatsanwaltschaft unter Umständen erschweren oder teilweise zunichtemachen. Digitale Hetzjagden und öffentliche Vorverurteilung können ausserdem gemäss Rechtsgrundlagen einen Einfluss auf das Strafmass im Falle einer Verurteilung haben, sprich: Die Bestrafung kann deswegen allenfalls milder ausfallen.
Wie weit die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen ist, sagt Schütz nicht: «Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Wir können deshalb gestützt auf das Amts- und Untersuchungsgeheimnis sowie die Bestimmungen der Strafprozessordnung keine weiteren Auskünfte geben.»
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