«Dieses Plakat! Die SVP macht das immer – es ist so abgelutscht»
FDP-Ständerat Philipp Müller hat die Vorlage zur erleichterten Einbürgerung entscheidend mitgeprägt. Er hält ein Ja für ein wichtiges Signal – und versteht die SVP nicht.

Herr Müller, müssten Sie bei der Abstimmungsvorlage zur erleichterten Einbürgerung nicht etwas unternehmen?
Ich, warum ich?
Sie haben die Vorlage entscheidend mitgeprägt. Und es ist die FDP, die bei Abstimmungen über Ausländer meist den Ausschlag gibt. Das war bei der Masseneinwanderung so und bei der Durchsetzungsinitiative. Bei der aktuellen Abstimmung hört man gar nichts vom Freisinn.
Wir machen, was wir können. Die Konferenz der Kantonalpräsidenten hat die Ja-Parole gefasst, auf eine Präsentation an der Delegiertenversammlung wurde verzichtet. Auch wir müssen Prioritäten setzen. Wir haben interne Empfehlungen herausgegeben, die Vorlage ist innerhalb der Partei völlig unbestritten. Weil sie ja auch völlig unspektakulär ist.
Auf diese Idee könnte man nicht kommen, wenn man das SVP-Plakat mit der Burka zum Thema anschaut.
Diese Opposition kommt aus dem Nichts und trifft die Sache überhaupt nicht. Dieses Plakat! Zuerst habe ich den Zusammenhang gar nicht begriffen. Das ist, wie wenn ich mit einem Skifahrer gegen eine Verkehrsvorlage werben würde. Und das könnte man durchaus noch drastischer sagen.

Warum trifft das Plakat die Sache nicht?
Weil nie im Leben eine Burka-Frau eingebürgert würde! Es wird überhaupt niemand eingebürgert, der unsere Integrationsbedingungen nicht erfüllt. Ende Jahr wird ein neues Bürgerrechtsgesetz in Kraft treten, in dem das Parlament diese Kriterien und Voraussetzungen für den Erhalt des Schweizer Bürgerrechts formuliert hat. Sie sind knallhart. Um überhaupt für eine Einbürgerung infrage zu kommen, darf man beispielsweise die öffentliche Sicherheit nicht gefährden, muss unsere Werte respektieren, muss sich in unserem Alltag und unserer Sprache in Wort und Schrift zurechtfinden, muss an unserem Wirtschaftsleben teilnehmen etc. All das gilt auch für die erleichterte Einbürgerung. Wir stimmen nicht über eine materielle Änderung ab, sondern über eine formale.
Und das heisst?
Es wird kein einziger Ausländer eingebürgert, der sich nicht zu unseren Werten bekennt. Wir haben sogar für die Grosseltern und die Eltern Kriterien ins Gesetz geschrieben. Es geht ausschliesslich um eine organisatorische Veränderung: In Zukunft entscheidet der Bund über die Einbürgerungsgesuche der Ausländer der dritten Generation – aber nicht, ohne sich beim Kanton oder der Gemeinde rückzuversichern.
Die SVP befürchtet auf ihrem Plakat «unkontrollierte Einbürgerungen».
Das ist schlicht und einfach nicht möglich! Warum soll es plötzlich «Masseneinbürgerungen» geben, wenn wir bei den ordentlichen Einbürgerungen so oder so eine abnehmende Tendenz haben und zudem die Voraussetzungen noch wesentlich verschärft haben? Es geht bei dieser Abstimmung nur um eine Formalität – und da sollte man einfach die Vorlage lesen. Jedes Mal, wenn es um Ausländer geht, kommt die SVP mit solchen Plakaten. Das ist mittlerweile ziemlich abgelutscht.
Die SVP argumentiert, die Ausländer dürften sich ruhig etwas anstrengen, wenn sie den Pass wollen.
Das will ich auch und das müssen sie weiterhin – muss ich Ihnen noch einmal den Kriterien-Katalog aufzählen? Es geht bei der Vorlage um die Beseitigung eines Missstandes. Heute haben die Kantone eine extrem unterschiedliche Einbürgerungspraxis mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Fristen. Bei gewissen Gemeinden werden fast alle einfach durchgewinkt für eine Einbürgerung, bei anderen braucht es eine halbe Dissertation. Das kann es nicht sein: Ausserdem beschäftigen wir im Einbürgerungsprozess ein Heer von Leuten. Ein Ja zur erleichterten Einbürgerung ist auch ein Ja zu weniger Bürokratie.
Gewisse CVPler sagen aus föderalistischen Gründen Nein zur Vorlage.
Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Dann haben wir wieder die gleiche Situation wie vorher: Jede Gemeinde macht, was sie will. Dem föderalen Argument kann ich gar nichts abgewinnen. Beim Bürgerrecht liegt die Kompetenz über die Rahmenbedingungen beim Bund. Kommt hinzu, dass die Abstimmung auch eine symbolische Dimension hat: Ein Ja wäre ein wichtiges Signal an die Ausländer der dritten Generation: Du bist hier geboren, du hältst dich an unsere Spielregeln, du bekommst den roten Pass unter strengen Voraussetzungen.
Bei den drei eidgenössischen Vorlagen, über die wir am 12. Februar abstimmen, steht fast ausschliesslich die Unternehmenssteuerreform III im Fokus. Warum geht die Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung so unter?
Es ist halt immer das Gleiche: Eine Wirtschaftsvorlage weckt das Interesse der Wirtschaft und macht die entsprechenden Geldmittel frei. Es gibt keine Lobby für eine Vorlage wie jene über die erleichterte Einbürgerung. Sie sehen ja, wie wenig geschieht. Ein Plakat der Befürworter hab ich bisher nicht gesehen.
Glauben Sie noch an ein Ja?
Ja. Bei Migrationsvorlagen haben Sie immer ein klares Drittel dagegen und ein klares Drittel dafür. Der Kampf wird sich im mittleren Drittel entscheiden. Also auch bei uns. Und da bin ich zuversichtlich.
Video – Yvonne Brändle-Amolo und ihr Kampf für die erleichterte Einbürgerung:
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