Dieser Mann lieferte den USA den Kriegsgrund
Der Informant, der den USA die angeblichen Beweise über irakische Massenvernichtungswaffen lieferte, hat gestanden, alles erfunden zu haben. Trotz über 100'000 Kriegstoten bereut er nichts.
Der irakische Überläufer, der das Weisse Haus von der Existenz biologischer Massenvernichtungswaffen im Irak überzeugte, hat zum ersten Mal zugegeben, seine Informationen frei erfunden zu haben. Er sei erschrocken, als ihm bewusst geworden sei, dass die USA seine Geschichte tatsächlich dazu benutzen würden, um den Irak-Krieg zu rechtfertigen, erzählt der Iraker dem britischen «Guardian».
Rafid Ahmed Alwan al-Janabi war offenbar vom deutschen und amerikanischen Geheimdienst angeheuert worden. Er lieferte unter dem Decknamen «Curveball» Informationen an die beiden Regierungen. Dabei schusterte er sich Geschichten über mobile Trucks mit biologischen Waffen und geheimen Fabriken zusammen, weil er das Regime von Saddam Hussein stürzen wollte. Dazu war ihm offenbar fast jedes Mittel recht. «Vielleicht hatte ich recht, vielleicht nicht», sagte al-Janabi im Interview mit der Zeitung. «Ich hatte die Chance, etwas zu fabrizieren, um das Regime zu stürzen. Ich musste etwas für mein Land tun, also habe ich das gemacht und ich bin zufrieden, denn jetzt gibt es keinen Diktator mehr.»
Geheimdienste wollten keine andere «Wahrheit»
Das schockierende Geständnis kommt acht Jahre nach der berühmten Rede des damaligen US-Aussenministers Colin Powell vor dem UNO-Sicherheitsrat, vor dem er den Einmarsch im Irak rechtfertigte. Und es fällt fast zeitgleich mit der Publikation der Memoiren des einstigen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld zusammen, der in seiner Schrift zugab, es habe keine Massenvernichtungswaffen im Irak gegeben. Sowohl Powell als auch Rumsfeld trugen wegen der Verwendung von «Curveballs» Informationen politischen Schaden davon und stürzten die USA in eine Glaubwürdigkeitskrise.
Dabei hätten die beiden seine Angaben ohne Weiteres als falsch entlarven können, sagt al-Janabi gegenüber dem «Guardian». Offenbar wollte aber niemand die Informationen infrage stellen. Eine unrühmliche Rolle spielte dabei auch der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND), der den Mann den Amerikanern als chemischen Ingenieur anpries, der in Bagdad ausgebildet worden sei und eine entsprechende Anlage mit biologischen Waffen inspiziert habe.
Der BND, so al-Janabi, sei äusserst leichtgläubig und begierig nach den Informationen gewesen. Die Agenten hätten ihm sogar ein Chemiehandbuch in die Hand gedrückt, damit er besser mit ihnen kommunizieren könne. Der britischen Zeitung zufolge hat «Curveball» das Buch immer noch bei sich zu Hause – al-Janabi wohnt seit seiner Flucht aus dem Irak in Karlsruhe. Welchen Beruf der Iraker davor tatsächlich ausübte und über welches Wissen er wirklich verfügt, geht aus dem Bericht der britischen Zeitung nicht hervor.
BND setzte al-Janabi unter Druck
Überliefert ist hingegen, wie der BND den irakischen Informanten al-Janabi zufolge auf äusserst ungeschickte Weise unter Druck gesetzt haben soll. Seine schwangere Frau, eine Marokkanerin, könne nicht über Spanien nach Deutschland reisen, wenn er nicht mit ihnen kooperiere, hätten ihm die Agenten gedroht. Mit der Zeit sei ihm klar geworden, dass hier jemand versuche, einen Kriegsgrund zu konstruieren.
Dennoch hat der Iraker wegen seiner falschen Informationen kein schlechtes Gewissen. Trotz der Wirren im Irak mit mehr als 100'000 zivilen Toten könne er mit seiner Tat leben, sagt er dem «Guardian». «Zeigen Sie mir eine andere Lösung auf. Glauben Sie mir, es gab keine andere Möglichkeit, um dem Irak den Frieden zu bringen, als diese.» Dieselbe Lüge würde er heute deshalb wieder erzählen.
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