Dieser Film macht glücklich
Tolle Bilder, tolle Musik, tolle Schauspieler: «The Greatest Showman» hat alles.

Wir haben es gut. Während «The Greatest Showman» in den Vereinigten Staaten und anderswo schon in den Tagen vor Weihnachten anlief, zu einer Zeit, in der die Hektik und die Vorfreude gross sind, in der alle irgendwie um Aufmerksamkeit buhlen, kommt der Film von Michael Gracey bei uns erst jetzt ins Kino. Zum exakt richtigen Zeitpunkt: Er vertreibt den Januar-Blues, er bringt Licht ins Dunkel, er wischt eine allfällige, satte Trägheit mit leichter Hand weg. Er stellt auf. Er zeigt, was Kino kann, wenn Kino nur will: voller Magie sein, voller Sinneseindrücke. Purer Zauber.
«The noblest art is that of making others happy», steht am Ende von «The Greatest Showman» auf der schwarzen Leinwand geschrieben. «Die edelste Kunst ist, andere glücklich zu machen.» Es ist ein Zitat von Phineas Taylor Barnum (1810–1891). Barnum war Showman, Politiker und Geschäftsmann. Sein Name lebte bis im Mai letzten Jahres auf den Zelten des grössten Zirkus der Welt weiter: «Ringling Bros. and Barnum & Bailey».
Diesen legendären Zirkus gibts also nicht mehr. Aber P. T. Barnum, gespielt von einem fabelhaften Hugh Jackman, steht im Mittelpunkt von «The Greatest Showman», er ist dieser grösste Showman, um den es geht.
Ein Musical, nichts anderes
Der Film ist ein Musical, nichts anderes. Die Songs dafür geschrieben haben Benj Pasek und Justin Paul. Die beiden lieferten schon den Soundtrack für «La La Land». Dieser Film war der Abräumer an der Oscar-Verleihung 2017 mit sechs Goldmännchen insgesamt, und es ist schon ein bisschen erstaunlich, dass ein ganzes Jahr verstreichen musste, bis nun ein anderes Team, eine andere Crew, ein anderes Studio auf die Idee gekommen ist, wieder Musik, Film und Tanz zu amalgamieren.
Regisseur Michael Gracey kommt vom Werbefilm und drehte erstmals einen Spielfilm. Der Australier ist noch so frisch im Business, dass man kaum verlässliche Angaben über ihn findet. Zu sagen ist: Er versteht sein Handwerk. Er weiss, wie man Bilder voller Dynamik dreht, wie man die Stars ins rechte Bild rückt, wie man eine Geschichte timt. Schon der Auftakt zum Song «The Greatest Show» fährt mächtig ein, weil er nach «We Will Rock You» von Queen klingt, weil er gleich den Rhythmus für den ganzen Film vorgibt.
In «The Greatest Showman»gibt es zwei Duette, die Graceys Talent zusätzlich unter Beweis stellen: Als P. T. Barnum noch ein Buchhalter ist, aber voller Ideen und Pläne, kommt er, eben entlassen, heim zu seiner Frau (Michelle Williams) und seinen beiden Töchtern. Das Paar tanzt im Dunkeln auf dem Flachdach zwischen frisch gewaschener Wäsche («A Million Dreams»). Es ist ein Tanz, der bis an den Rand geht, der die Grenzen auslotet, es sieht gefährlich aus, weil die beiden alles ausreizen, was geht. Und die Leintücher bewegen sich dazu im Takt.
Das andere Duett ist eine der schönsten, bezauberndsten Szenen, die man seit langer Zeit im Kino zu sehen gekriegt hat: Phillip Carlyle (Zac Efron), ein junger, betuchter Mann aus einer guten New Yorker Familie, Geschäftspartner von P. T. Barnum, hat sich in die farbige Trapezkünstlerin Anne Wheeler (Zendaya) verliebt. Sie kommen sich, der Zirkus ist leer, in der Manege näher («Rewrite the Stars»). Sie hebt ab, sie fliegt hoch in die Luft – «she is elated» trifft es perfekt –, und er will mitfliegen und stolpert, will leicht sein und ist schwer, hat sie für einen Augenblick und verliert sie wieder. Das ist eine perfekte Umsetzung in Bild und Ton von dem, was im Inneren der Figuren vor sich geht.
Zwerg, Riese und bärtige Frau
Es sind diese Höhepunkte – und die grandiosen Songs tragen viel zu diesen Höhepunkten bei –, die ein paar Schwächen entschuldbar machen: P. T. Barnum hat für seine Freakshow – und das ist es, wenn man es auf den Punkt bringt – lauter Aussenseiter zusammengestellt: einen Zwerg, einen Riesen, eine bärtige Frau (Keala Settle), siamesische Zwillinge. Er zehrt sie ans Tageslicht, um mit ihnen eine Attraktion der anderen Art bieten zu können. Er gaukelt ihnen Verständnis vor, macht ihnen Mut, sich zu zeigen, aber letztlich geht es ihm ums Geld, ums Business.
Als er mit der schwedischen Sängerin Jenny Lind (Rebecca Ferguson) – ebenfalls eine historisch belegte Figur – die Chance erhält, ein auch in bürgerlichen Kreisen geachteter Impressario zu werden, sperrt er die Freaks aus, macht ihnen kalt und kühl vor der Nase die Türe zu. Diesen Schattenseiten des «grössten Showmans» wird ein bisschen wenig Aufmerksamkeit zuteil.
Gerät «The Greatest Showman» deshalb zu oberflächlich? Zu zuckerwattig? Wäre es ein Dokumentarfilm: ja. Wäre es ein Biopic: ja. Aber es ist ein Unterhaltungsfilm, ein Musical, und als solcher macht der Film alles richtig.
Er reisst mit, er lässt die Zeit wie im Flug vergehen, er gibt dem Zuschauer, was er sehen will, er rührt, er löst starke Gefühle aus – und er blendet wenigstens nicht ganz aus, dass Barnum nicht Philanthrop war, sondern berechnender Geschäftsmann.
Ein amerikanischer Kritiker hat geschrieben, man lasse sich von «The Greatest Showman» gut unterhalten, werde ihn aber schon beim Verlassen des Kinos wieder vergessen haben. Fake-News! Diese Tanzszene mit Zendaya und Zac Efron zum Beispiel kann man auch Tage später vor dem inneren Auge noch abrufen. Der erste Auftritt von Jenny Lind in Amerika bleibt alleine schon wegen des Lieds «Never Enough» haften. Es ist eine kongeniale Zusammenarbeit von Rebecca Ferguson, die diese Jenny Lind spielt, und Loren Allred, die ihr die Stimme leiht.
Und man wird diesen P. T. Barnum noch lange vor Augen haben in seiner Zirkusdirektoruniform mit Zauberstab und Zylinder. Hugh Jackman, vor allem wegen seiner Superheldenrolle als Wolverine bekannt, spielt sein ganzes Können aus: Er singt, er tanzt, er unterhält. Der 49-jährige Australier ist ein Showman durch und durch und hat all das drauf, was die Grossen wie etwa ein Cary Grant auch konnten. Der perfekte Entertainer.
Grossartige Show
Die um ihn herum fallen nicht ab. Zac Efron, Michelle Williams, Zendaya, Rebecca Ferguson überzeugen nicht weniger. «The Greatest Showman» bietet eine grossartige Show und wird in den USA bereits als möglicher Anwärter auf einen oder gar mehrere Oscars gehandelt.
Die amerikanischen Kritiker haben den Film mehrheitlich verrissen. Er ist ihnen zu oberflächlich (!). Geht ihrer Meinung nach zu wenig auf die Leidensgeschichten von Zwerg, Riese und bärtiger Lady ein. In dieser politisch-korrektesten aller Zeiten natürlich ein No-Go. Was der Film zum Motto erhebt: «The noblest art is that of making others happy», hat bei ihnen nicht funktioniert. Aber beim Publikum. C'est la vie.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch