«Diese Leute sind nur Tage von einem Blutbad entfernt»
Die internationale Vermittlung in Ägypten ist gescheitert: Die Regierung will an der Räumung der Protestlager festhalten, die Schuld am Scheitern schiebt sie den Muslimbrüdern zu. US-Abgeordnete befürchten Schlimmes.

Die zehntägigen Vermittlungsversuche internationaler Diplomaten zwischen den Konfliktparteien in Ägypten sind gescheitert. Die Schuld am Scheitern schob die neue Staatsführung auf die Muslimbrüder des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi.
Sie müssten nun auch «die Konsequenzen ihrer Gesetzesverstösse und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit» tragen. Die Bemühungen hätten nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht, erklärte die Präsidentschaft. «Die Phase der diplomatischen Anstrengungen geht heute zu Ende.»
Keine Stellungnahme von Burns
Der US-Vizeaussenminister William Burns und Spitzendiplomaten der EU und arabischer Länder hatten in den vergangenen vier Tagen versucht, die Lage in Ägypten nach der Absetzung von Mursi vor fünf Wochen zu entschärfen. Burns reiste bereits wieder aus Kairo ab, wie aus Sicherheitskreisen am Flughafen von Kairo verlautete. Er gab keine Stellungnahme ab.
Die Lage in Ägypten ist seit dem Umsturz stark polarisiert. Die Muslimbruderschaft, aus deren Reihen Mursi kommt, versucht mit Massenkundgebungen und Dauerproteste zu erreichen, dass Mursi wieder in sein Amt eingesetzt wird. Die neue Übergangsregierung lehnt das kategorisch ab und dürfte dabei auch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich haben.
Tausende campen weiterhin
In der vergangenen Woche stand die Übergangsregierung kurz davor, die beiden grössten Protestlager der Mursi-Anhänger in Kairo mit Polizeigewalt räumen zu lassen. Dort lagern permanent mehrere Tausend Menschen, die bleiben wollen, bis Mursi wieder im Amt ist.
Die internationale Gemeinschaft befürchtet im Falle einer gewaltsamen Räumung der Protestcamps ein neues Blutvergiessen mit unabsehbaren Folgen. Sie bemüht sich deshalb um eine gütliche Einigung, die aber nun vom Tisch sein dürfte. Der EU-Gesandte Bernardino Leon blieb allerdings vorerst noch in Kairo.
Mit Geduld bald am Ende
Zunächst war nicht klar, welche nächsten Schritte die ägyptischen Machthaber planen würden. Die ägyptische Übergangsregierung will die beiden Protestlager von Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi in Kairo womöglich bald gewaltsam räumen. Übergangsministerpräsident Hasem al-Beblawi sagte im Staatsfernsehen, die Entscheidung, die Sitzblockaden der Muslimbruderschaft aufzulösen, sei «unwiderruflich». Die Geduld der Regierung nähere sich ihrem Ende, fügte er hinzu.
In Ägypten beginnt an diesem Donnerstag – wie auch in anderen Teilen der muslimischen Welt – das Fest des Fastenbrechens (Eid al-Fitr), das auf den Fastenmonat Ramadan folgt. Beobachter gehen davon aus, dass es während der dreitägigen Feiertagsperiode zu keinen dramatischen Aktionen kommt.
«Inakzeptable Einmischung»
Die Brisanz der Situation wurde auch von den US-Senatoren John McCain und Lindsey Graham unterstrichen, die am Dienstag in Kairo Gespräche mit beiden Seiten geführt hatten. «Mein Gott, ich wusste nicht, wie schlimm die Lage ist», erklärte McCain in der Nacht im US-Fernsehsender CBS. «Diese Leute sind nur Tage oder Wochen von einem kompletten Blutbad entfernt.»
Zuvor hatten die Senatoren den Sturz Mursis als Putsch bezeichnet und die Freilassung aller «politischen Gefangenen» verlangt. Ein Sprecher des Übergangspräsidenten Mansur wies die Äusserungen scharf zurück. Sie stellten eine «inakzeptable Einmischung in die inneren Angelegenheiten» Ägyptens dar.
Bei Zusammenstössen zwischen Anhängern und Gegnern von Mursi wurden in der Hafenstadt Alexandria in der Nacht zum Mittwoch ein Mensch getötet und 46 weitere verletzt, wie ägyptische Medien berichteten. In al-Arish im Norden der Halbinsel Sinai erschossen Extremisten einen Politiker, der für die inzwischen aufgelöste Regimepartei NDP Abgeordneter gewesen war.
60 Extremisten auf Sinai-Halbinsel getötet
Bei Einsätzen der ägyptischen Streitkräfte auf der Sinai-Halbinsel sind derweil Militärangaben zufolge 60 Extremisten getötet worden. 103 weitere seien im vergangenen Monat bei den Operationen der Armee in der Gegend festgenommen worden, teilte Militärsprecher Ahmed Mohammed Ali mit, der die Zahlen am Mittwoch auf seiner offiziellen Facebook-Seite veröffentlichte. Nähere Angaben zu Verdächtigen, die getötet oder festgenommen wurden, nannte er nicht.
Den Angaben zufolge zerstörten die Behörden zudem 102 Tunnel, die in den palästinensischen Gazastreifen führen und von Schmugglern genutzt wurden. Die Zahlen des Militärs konnten nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden.
Seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi am 3. Juli sind bei fast täglichen Kämpfen auf der Sinai-Halbinsel mehr als 20 Polizisten und Soldaten getötet worden. Der Gewalt fielen zudem rund ein Dutzend Zivilisten zum Opfer. In der Gegend nutzen Extremisten die politische Instabilität im Land aus, um immer häufiger Soldaten anzugreifen.
sda/AP/mw
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