Die Zeichen stehen auf Verschärfung
Nach dem Bund ändert nun wohl auch die Justiz die Praxis gegenüber Eritreern.

Eritrea sei eine Diktatur, ein Unrechts- und Willkürstaat, dass die Schweiz abgewiesene Asylbewerber dorthin zurückschickt, sei undenkbar. Die Haltung von Justizministerin Simonetta Sommaruga gegenüber dem Hauptherkunftsland der Asylbewerber in der Schweiz war lange nicht verhandelbar. Eritreer erhielten daher in der Regel ein Bleiberecht. Mittlerweile leben über 35'000 von ihnen hier.
Obwohl inzwischen verschiedene Berichte diese Darstellung Eritreas anzweifeln, äussert sich Sommaruga kaum mehr zum Thema. Lieber zieht die SP-Bundesrätin hinter den Kulissen die Schrauben an. Letztes Jahr hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) insgesamt 719 Asylgesuche von Eritreern abgelehnt – ohne ihnen wie bisher bei negativen Asylentscheiden üblich eine vorläufige Aufnahme zu gewähren. Zwar relativiert das SEM auf Anfrage die Zahl und erklärt, dass inzwischen 100 dieser Wegweisungen im Rahmen von Beschwerdeverfahren rückgängig gemacht worden seien. Unter dem Strich sind dies dennoch so viele Wegweisungen wie nie zuvor.
Warten auf neue Gerichtspraxis
Ob die 619 Eritreer die Schweiz tatsächlich verlassen müssen, ist in der Mehrheit der Fälle noch offen, weil etwa 60 Prozent der Betroffenen den erstinstanzlichen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht angefochten haben. Dort brüten die Asylrichter derzeit über einer allfälligen Praxisänderung, wie Gerichtspräsident Jean-Luc Baechler am Dienstag in einem Interview mit der NZZ erwähnte: «Wir werden demnächst einen Grundsatzentscheid fällen, der festlegt, ob und unter welchen Voraussetzungen Wegweisungen nach Eritrea vollzogen werden dürfen.» Den Zeitpunkt, zu dem ein Urteil zu erwarten ist, konnte Gerichtssprecher Rocco Maglio auf Anfrage nicht konkretisieren.
Ein Indiz dafür, dass am Bundesverwaltungsgericht ebenfalls ein Umdenken stattgefunden hat, sind die Urteile der letzten Jahre. Von Ende Januar 2015 bis Mitte Februar 2017 erledigte das Gericht insgesamt 1661 Verfahren von Eritreern. Davon ging es in 218 Fällen um eine Beschwerde gegen einen Wegweisungsentscheid des SEM. In 83 Prozent oder 181 dieser Fälle bestätigten die Richter die Wegweisung.
Interessant ist das angekündigte Grundsatzurteil – falls die Richter die Wegweisungen des SEM stützen – auch vor dem Hintergrund, dass dann auch viele der vorläufig Aufgenommenen zurückgeschickt werden können. Seit einiger Zeit anerkennt das SEM eritreische Asylbewerber zunehmend nicht mehr als Flüchtlinge, sondern nimmt sie nur noch vorläufig auf. Laut Statistik erhielten von 2009 bis 2013 insgesamt 2186 Eritreer einen solchen Status. Seit 2014 bis Ende Januar 2017 waren es mit 6444 fast dreimal so viele. Von Gesetzes wegen muss das SEM periodisch überprüfen, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme noch erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall, ordnet es den Vollzug der Wegweisung an.
Kooperation mit Eritrea
Bislang bedeutete eine vorläufige Aufnahme meist, dass die Betroffenen für immer bleiben konnten. Zumal die Behörden Gesuche um eine Aufenthaltsbewilligung vertieft prüfen müssen, wenn jemand mehr als fünf Jahre in der Schweiz lebt. Dabei spielt auch eine Rolle, ob und wie gut jemand hier integriert ist. Gut 80 Prozent der Eritreer in der Schweiz sind seit Jahren von der Sozialhilfe abhängig.
Weil kaum ein Eritreer die Schweiz freiwillig verlässt und Zwangsausschaffungen scheitern, da Eritrea die Rücknahme verweigert, arbeitet Sommaruga ebenfalls hinter den Kulissen an einem Abkommen mit dem afrikanischen Land. Wie die Berner Zeitung Anfang Jahr berichtete, kooperiert sie im Windschatten der EU eng mit den Regimes in Eritrea oder Sudan. Diese sollen nicht nur abgewiesene Asylbewerber wieder aufnehmen, sondern auch den Migrationsstrom nach Europa eindämmen.
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