«Die Wirtschaft steht still»
An der US-Börse verschärft sich die Lage: Gleich alle drei grossen Indizes brachen gestern ein und schlossen mit mehr als vier Prozent im Minus. Auch an den europäischen Aktienmärkte ging es bergab.
Die Wall Street hat gestern einen der schwersten Tages-Verluste seit Jahren erlitten. Nach der kurzen Erholung am Mittwoch schlossen alle drei grossen Indizes an der Wall Street mehr als vier Prozent im Minus.
Analysten verwiesen auf die Schuldenkrise in Europa sowie auf Anzeichen, dass die US-Wirtschaft zum Stillstand gekommen sei. Auch die überraschend starken Quartalszahlen der Opel-Mutter General Motors und die von Börsianern begrüsste Aufspaltung von Kraft konnten an der schlechten Gesamtstimmung nichts ändern.
Nasdaq und VIX verlieren ebenfalls
Alle drei grossen Indices schlossen mehr als vier Prozent im Minus. Der Dow-Jones-Index brach 4,3 Prozent auf 11'383 Punkte ein. Damit unterbot er deutlich sein bisheriges Jahrestief, das er im März während der sich zuspitzenden Reaktorkatastrophe in Fukushima erreicht hatte. Der breiter gefasste S&P-500 verlor 4,8 Prozent – der schwerste Verlust an einem Tag seit Februar 2009 – und hielt sich damit nur hauchdünn über der Schwelle von 1200 Zählern. Der Index der Technologiebörse Nasdaq verlor sogar 5,1 Prozent und schloss bei 2556 Punkten.
Der auch als «Angstbarometer» bekannt Volatilitäts-Index VIX sprang 35,4 Prozent in die Höhe auf 31,7 – der höchste prozentuelle Anstieg seit Februar 2007. In Frankfurt beendete der Dax den Xetra- Handel 3,4 Prozent im Minus bei 6414,76 Punkten.
Anleger springen ab
Angesichts deutlich nachgebender Ölpreise drehten Anleger vor allem den Energiewerten den Rücken zu. Chevron büssten 5,76 Prozent ein und ExxonMobil standen dem mit einem Minus von knapp 5 Prozent nur wenig nach.
Abgestraft wurden auch Aktien aus dem Industrie- und Bankensektor. Papiere der Bank of America etwa rutschten um 7,44 Prozent ab. United Technologies, Boeing, DuPont und Caterpillar verloren jeweils zwischen 6 und 7 Prozent. Titel von General Motors fielen trotz gut aufgenommener Zahlen um 4,34 Prozent auf 25,99 US-Dollar.
«Der Damm ist gebrochen»
Zwar hatten sich in der vergangenen Woche weniger US-Bürger erstmals arbeitslos gemeldet als von Analysten prognostiziert. Zusammen mit vielen anderen Konjunkturdaten ergebe sich aber ein Bild der Stagnation, sagte Hugh Johnson von Hugh Johnson Advisors LLC.
«Alles – die Arbeitslosendaten eingeschlossen – deutet auf dasselbe hin: Die Wirtschaft steht still», sagte er. Sein Kollege Peter Kenney von Knight Kapital sprach von wahllosen Verkäufen. «Heute morgen ist der Damm gebrochen», erklärte er am Donnerstag.
Auch die Situation in Europa bereitete in New York Sorge. «Die Anleger holen wegen der Schuldenprobleme in Europa so viel Liquidität wie möglich aus dem Markt», sagte Stephen Massocca von Wedbush Morgan.
Zentralbank konnte nicht beruhigen
Genau wie vorgestern die Schweizer Nationalbank kaum etwas an der Stärke des Frankens ändern konnte, vermochte gestern auch die Europäische Zentralbank die Märkte nicht zu beruhigen. Die Aktienkurse sind eingesackt, der Euro hat alles andere als Stärke gezeigt.
Dabei hat die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts der sich verschärfenden Schuldenkrise auf eine Erhöhung des Leitzins verzichtet, den Ankauf von weiteren Staatsanleihen der kriselnden Länder angekündigt und den Banken für die nächsten Monate auch genügend Liquidität versprochen.
Italienische Staatspapieren sacken ab
Diese für den Markt eigentlich positiven Signale wurden aber offenbar kaum wahrgenommen: So heizte etwa EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Debatte über eine Ausweitung des Euro- Rettungsschirms neu an.
Obwohl Deutschland davon gar nichts hält, könnte genau dies bald nötig werden - etwa wenn nach Irland, Portugal und Griechenland auch Italien ins Straucheln gerät.
Nachdem EZB-Präsident Jean-Claude Trichet den Kauf weiterer Staatsanleihen nicht ausgeschlossen hatte, stiegen am Donnerstagnachmittag die Preise italienischer Staatspapiere zwar wieder an. Mit einem Zins von über 6 Prozent wird die Wahrscheinlichkeit, dass Italien Refinanzierungsprobleme haben wird, aber als relativ hoch eingeschätzt.
Pleite kaum vermeidbar
Auch der vom italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi ausgerufene Pakt, welcher in Italien für Wachstum und Stabilität sorgen sollte, dürfte an dieser Einschätzung nichts ändern. So liess etwa das Londoner Centre for Economics and Business Research (CEBR) verlauten, das es eine Pleite des hochverschuldeten Italiens langfristig als kaum vermeidbar erachte.
Selbst in einem optimistischen Szenario, in dem Italien nur 4 Prozent Zinsen für seine Schulden bezahlen müsste, würde die Verschuldung ohne Wirtschaftswachstum nicht wesentlich zurückgehen, hiess es in einem Bericht des renommierten Wirtschaftsforschungsinstituts.
Panikverkäufe von Anlegern
Viele Anleger wurden durch die vielen Unsicherheiten offenbar zu teilweise panischen Verkäufen bewogen, wie die relativ hohe Transaktionszahl zeigt: Die Kurse am Schweizer Aktienmarkt sind - nachdem sich der Swiss Market Index (SMI) gestern Morgen noch im Plus bewegt hatte - am Nachmittag abgestürzt. Innert rund zwei Stunden fiel der Leitindex um 4 Prozent. Bei Börsenschluss notierte er 3,6 Prozent unter seinem Stand vom Vorabend.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) in Frankfurt am Main fiel am gestern Nachmittag um 3,6 Prozent auf seinen niedrigsten Stand im laufenden Jahr. Die Kurse an der Börse in London gingen 3,1 Prozent zurück, die Aktienkurse in Paris 2,5 Prozent.
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