Die Wandersekte aus dem Gratisblatt Die Wandersekte aus dem Gratisblatt
Dieselbe Geschichte tauchte gleich in vier Zeitungen der Zehnder-Gruppe auf – mit wechselnden Schauplätzen.Die gleiche Geschichte tauchte gleich in vier Zeitungen der Zehnder-Gruppe auf – nur die Schauplätze wechselten.
Von Patrick Kühnis Winterthur – Es war eine eindringliche Warnung an die Leserschaft: «Sekten krallen Seelen» titelte am 11. August die «Winterthurer Zeitung». Das Gratisblatt (Auflage: 90 469) machte einen «beängstigenden Trend» in der Region aus: «Sekten jeder Art und Couleur fischen speziell am Winterthurer Bahnhof nach neuen Opfern.» Eine Entwicklung, so stand dort, die «weder Sektenexperten noch die Polizei, weder die Opfer selbst noch die Spezialisten aller staatlich lancierten Gruppierungen, die dem Problem in wirksamer Gegenaktion begegnen sollten, und schon gar nicht die Protagonisten modernster Kommunikationstechnik haben kommen sehen». Neun Tage später waren die Sekten bereits weitergezogen. «Sekten krallen Seelen» titelten die «Züri Nachrichten» (Auflage: 27 811) aus Horgen. Diesmal fischten die Sekten jeder Art und Couleur «speziell an Zürcher Bahnhöfen» nach Opfern – und wieder hat es keiner kommen sehen. Genauso wenig wie am 25. August, als die Seelenfänger plötzlich im Toggenburg und in der St. Galler Linthregion ihr Unwesen trieben. So zumindest vermeldeten es die «Toggenburger Zeitung» und die «See & Gaster Zeitung» (Auflage: 31 160). Illustriert mit demselben Bild, das schon die Frontseiten von «Winterthurer Zeitung» und «Züri Nachrichten» geschmückt hatte. Alle vier Blätter gehören zur Zehnder-Gruppe aus Wil SG, die Woche für Woche zwischen Bodensee, Reuss und Bündnerland insgesamt 25 Gratistitel herausgibt (siehe Kasten). Die Sekten-story stammt wiederum aus der Feder von Verlagsredaktor Charly Pichler, der die Wochenzeitungen mit Kolumnen («Post von Pic»), Lebenshilfe («Doktor Eros», «Ratgeber») und bei Bedarf mit grösseren Beiträgen beliefert. Früher waren die einzelnen Titel auf Geheiss des Verlegers sogar dazu angehalten, Pichlers Geschichten immer abzudrucken. Darunter den Beitrag über einen Asylbewerber («Mechmed Z. liebt unsere Gesetze»), der angeblich vom Staat 6000 Franken pro Monat kassierte. Der Fall, den die «Weltwoche» übernahm, trug dem Autor im Jahr 2003 eine Rüge des Presserats ein. Auch mit dem Antirassismusgesetz kam der gebürtige Tiroler schon in Konflikt. Pichler: «Alles recherchiert» Über seinen Sektenbeitrag sagt Pichler: «Der Text erscheint in jenem geografischen Bereich, wo die Recherche zum Grundthema gleiche oder ähnliche Gegebenheiten zeigt.» In diesem Sinne sieht er auch kein Problem darin, in vier verschiedenen Regionen dieselbe Geschichte zu publizieren und dabei einfach die Ortsangaben auszutauschen. «Was hat es mit Etikettenschwindel zu tun», fragt Pichler, «wenn wir auf Recherchebasis im jeweiligen Text hinschreiben, was im jeweiligen Erscheinungsgebiet passiert?» Eben mit der Lokalisierung haperte es aber in diesem Beispiel. So rutschte den «Züri Nachrichten» die Bildlegende «Winterthur und Agglomeration stark betroffen» ins Blatt. Und der zitierte Sektenexperte, der laut Text auch in Winterthur zum Einsatz komme, leitet die Sektenberatung Zentralschweiz in Luzern.
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