Die Waadt erhält eine linke Regierung
Im Kanton Waadt verdrängt die Grüne Béatrice Métraux die SVP aus dem Staatsrat.
Von Richard Diethelm, Lausanne Die schwarze Serie der bis vor kurzem erfolgsverwöhnten SVP reisst nicht ab: Vier Tage nachdem die Partei den Kampf um den zweiten Sitz im Bundesrat verloren hatte, steckte sie gestern in der Waadt eine weitere Niederlage ein: Ihr Kandidat Pierre-Yves Rapaz unterlag in der Ersatzwahl für den im Amt verstorbenen SVP-Staatsrat Jean-Claude Mermoud klar der Grünen Béatrice Métraux. Damit verliert die SVP ihr einziges Regierungsmandat in der Westschweiz. Vor zwei Wochen hatte die SVP im Kanton Freiburg vergeblich versucht, einen Sitz im Staatsrat zu erobern. Dort machte ebenfalls eine Grüne das Rennen. In der Waadt erzielte die von der vereinten Linken portierte Métraux in der Stichwahl vom Sonntag 54 Prozent der Stimmen – 10 Prozent mehr als im ersten Wahlgang am 27. November. Der Grünen gelang es, einen Grossteil jener Wähler auf sich zu ziehen, die im ersten Wahlgang für den Kandidaten der Mitte, Emmanuel Gétaz von der Bewegung Vaud Libre, votiert hatten. SVP-Kandidat Rapaz dagegen steigerte im Vergleich zum ersten Wahlgang seinen Stimmenanteil nur um 3 auf 43 Prozent. Appelle der Parteileitungen der FDP und der – in der Waadt noch eigenständigen – Liberalen an ihre Basis, Rapaz zu wählen und so den Wechsel von einer rechten zu einer linken Regierungsmehrheit zu verhindern, fruchteten wenig. Die Rechte im mehrheitlich bürgerlichen Kanton liess sich für diese «Schicksalswahl» nicht im erhofften Ausmass mobilisieren; die Stimmbeteiligung sank gar von 31,3 auf 30,3 Prozent. Durch die Wahl der 56-jährigen Juristin und Präsidentin der Beamtengewerkschaft FSF kippt die Mehrheit im siebenköpfigen Staatsrat von Mitte-rechts nach links. Die Regierung setzt sich neu aus je zwei Vertretern der SP, der Grünen, der FDP und einem Liberalen zusammen. Somit kommt es im grössten Westschweizer Kanton zur «Cohabitation» zwischen einer mehrheitlich rot-grünen Regierung und einem Parlament, in dem die Bürgerlichen mit 83 von 150 Sitzen die Mehrheit besitzen. Zugpferd Pierre-Yves Maillard Die Waadtländer Linke unter ihrem charismatischen Führer, SP-Staatsrat Pierre-Yves Maillard, will bei den kantonalen Wahlen im März nicht nur die Mehrheit in der Regierung bewahren, sondern auch die Machtverhältnisse im Grossen Rat zu ihren Gunsten verändern. Dazu müssten SP, Grüne und die äussere Linke jedoch mindestens 9 Parlamentsmandate hinzugewinnen. Die Kampagne, die Maillard als Bundesratskandidat gestartet hatte, dient auch dem Zweck, der SP im eigenen Kanton weitere Stimmen einzubringen. Maillard selbst darf im Frühjahr 2012 mit der glänzenden Wiederwahl rechnen. Sie kann ihm den Weg zum Regierungspräsidium öffnen, das in der Waadt für eine ganze fünfjährige Legislatur besetzt wird. Trotz seiner Freude über den Machtwechsel in der Regierung mahnte Maillard gestern, die Linke dürfe nun nicht «arrogant» werden und ja nicht die Fehler der Zeit zwischen 1996 bis 1998 wiederholen. Damals hatten Linke und Grüne ihre erstmalige Mehrheit im Staatsrat schon nach 18 Monaten verspielt, weil sie oft zerstritten waren.Ungewiss ist, ob die Grünen ihre zwei Sitze im Staatsrat bei den Gesamterneuerungswahlen verteidigen können. Sie verloren nämlich bei den eidgenössischen Wahlen im Oktober im Gegensatz zur neu wählerstärksten SP Wähleranteile. Ferner tritt ihr bisheriger Vertreter in der Regierung, Baudirektor François Marthaler, im März nicht mehr an. Kreise in der SP gelüstet es zudem, einen dritten Staatsratssitz zu erobern – auch wenn dies auf Kosten der Grünen ginge. Regiefehler bei der SVP Der Waadtländer Rechten dürfte es allerdings noch schwerer fallen, ihre Reihen so zu schliessen, dass sie die Regierungsmehrheit zurückerobern könnte. Das Verhältnis der SVP, der grössten bürgerlichen Partei, zum Freisinn und zu den Liberalen hat sich wegen der gescheiterten Ersatzwahl für Mermoud kaum gebessert. Dabei hat die SVP den Sitzverlust zum Teil selbst verschuldet. Mit Nationalrat Guy Parmelin hätte sie die besseren Chancen gehabt als mit dem 44-jährigen Bauern und Grossrat Rapaz, der auf der Blocher-Linie politisiert. Doch Parmelin hatte das Bundeshaus dem Regierungsschloss in Lausanne vorgezogen, scheiterte dann aber als Kandidat für den Ständerat und den Bundesrat. Als bei den Bundesratswahlen vom Mittwoch die SVP den FDP-Sitz von Johann Schneider-Ammann angriff, verging manchen Waadtländer Freisinnigen überdies die Lust, dem SVP-Kandidaten im eigenen Kanton die Stimme zu geben. Zwei Grüne in der Waadtländer Regierung: Béatrice Métraux (rechts) und François Marthaler. Foto: Laurent Gilliéron (Keystone)
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