Die Vetterliwirtschaft der Baselworld-Chefin
Der Ehemann von Sylvie Ritter erhält jährlich Aufträge in Millionenhöhe. Ausschreibungen erfolgen keine.

Die Leitung der Baselworld steht eigentlich schon genug unter Druck. Bei der diesjährigen Ausgabe zeigte die Statistik nach unten. Die Ausstellerzahlen gingen um 200 auf 1300 zurück. Zudem wurden vier Prozent weniger Besucher verzeichnet. Obendrauf kündigte die französische Luxusmarke Hermès an, zur Konkurrenz nach Genf abzuwandern. Dior spielt derzeit mit demselben Gedanken.
Aufgrund von Unterlagen, welche der BaZ zugespielt wurden und deren Inhalte sie an dieser Stelle öffentlich macht, dürfte sich die Krise jedoch nochmals deutlich zuspitzen. Eine entscheidende Frage steht im Raum: Um was geht es Baselworld-Chefin Sylvie Ritter? Um das Interesse der weltgrössten Uhren- und Schmuckmesse – oder um sich selbst? Und warum toleriert Messe-Schweiz-Chef René Kamm Zustände, die den starken Ruch von Vetterliwirtschaft haben?
Die besagten Dokumente aus dem Innern der börsenkotierten MCH Group, welche die Baselworld betreibt und sich zu 49 Prozent in Staatsbesitz befindet, bringen Brisantes ans Licht: Jedes Jahr vergibt die Baselworld unter Ritters Führung an ihren Ehemann Dany Waldner Aufträge in Millionenhöhe, ohne dass Offerten bei Konkurrenten eingeholt oder Ausschreibungen durchgeführt werden. Auf diese Weise fliesst pro Baselworld ein Honorar von rund 700'000 Franken auf Waldners respektive das Konto des Ehepaars.
Die BaZ hat die erhaltenen Informationen von involvierten Kreisen verifizieren lassen. Antwort: Die Angaben treffen tatsächlich zu. Die MCH Group wollte auf Anfrage der BaZ keine Stellung zu den konkreten Vertragsverhältnissen nehmen, sieht in der Vergabepraxis aber keine Probleme (siehe Box).
Waldner, von Beruf Architekt, gehören drei Unternehmen: Die Dany Waldner AG (tätig im Bereich Projektentwicklung); die point it AG (Konzeptentwickler für Messen und andere Events) sowie die Pierre Boon International SA (konzipiert und realisiert Zelte, Orangerien und Tribünen für luxuriöse Veranstaltungen). Über diese drei Firmen wickelt die Baselworld-Spitze seit Jahren Aufträge in den Bereichen Design, Projektmanagement, Projektentwicklung, Realisierungsplanung und Koordination ab. Aus den vertraulichen Daten geht unter anderem folgende Auflistung von Mandaten hervor, die Dany Waldner jeweils erhält:
> Messeplatz: Gestaltung und Dekoration
> Messeplatz: Ticket-Pavillon, Media-Centre-Pavillon
> Foyer-Gestaltungen und Dekoration in allen Hallen
> Info-Theken in allen Foyers und Hallen
> Gestaltungskonzept für die Schmuckstände in der Halle 2.2
> Einheitsstände für Diamantenaussteller in der Halle 3.0/3.1
> Einheitsstände für Länderpavillon in der Halle 4.0/4.1
> Presse-Zentrum für Journalisten in der Halle 1.0 Süd
> Baselworld «Village» auf dem Areal des Restaurants Acqua
Für letzteren Punkt, das «Village» beim «Acqua» in der Nähe der Heuwaage, wurde 2016 gemäss Dokument ein Budget von 500'000 Franken bereitgestellt. Mit diesem Geld liessen sich die Baselworld-Organisatoren von Waldner und seinem Team eine exklusive Partyzone für die illustren Gäste aus aller Welt einrichten. Dazu gehörten Licht-Shows, aufwendige Dekor-Elemente, Party-Zelte, Pflanzen, zusätzliche Toiletten, zusätzliche Garderoben usw.
Die gesamte Koordination und Umsetzung von Auf- und Abbau lief über Waldners point it AG. Allein für seinen diesbezüglichen Aufwand wurde er mit einem Honorar von 80'000 Franken entschädigt. Die restlichen 420'000 Franken flossen an Lieferanten, Handwerker und an andere ausführende Betriebe – so auch an den Zeltgestalter Pierre Boon, deren Inhaber wie erwähnt Waldner ist. Der tatsächliche Verdienst dürfte deshalb noch höher als das Honorar von 80'000 Franken liegen.
Fast zur Hälfte in Staatsbesitz
Angesichts der hohen Beteiligung, die Basel-Stadt (33,5%), Baselland (7,8%) sowie Zürich (Stadt und Kanton gemeinsam 7,7%) an der MCH Group halten, ist es erstaunlich, dass ein derartiges Vergabeverfahren unter der Hand Anwendung findet. Kommt hinzu, dass die Steuerzahler der beiden Basel 2008 beschlossen, an den Neubau der Messe 90 Millionen Franken zu zahlen. Im Sinne der Bevölkerung ist es sicherlich nicht, dass nun hohe Auftragssummen im familiären Rahmen gehalten werden und Mitbewerber von Anfang an chancenlos bleiben. Wie der freie Wettbewerb unter solchen Bedingungen spielen soll, bleibt rätselhaft.
Indes geben die Volkswirtschaftsdirektoren von Basel-Stadt, Baselland und Zürich – sie sitzen alle im Verwaltungsrat der MCH Group – unisono an, nicht aktiv werden zu wollen. Begründung: Es handle sich um das operative Geschäft, da wolle man nicht eingreifen. Der Basler Regierungsrat Christoph Brutschin (SP) erklärt weiter, dass die Messe nicht dem kantonalen Beschaffungsrecht unterstehe und somit nicht verpflichtet sei, Aufträge auszuschreiben. Um diese Bedingung zu erfüllen, müsste die öffentliche Hand an der MCH Group mindestens zu 50 Prozent beteiligt sein. Der Anteil liegt jedoch «nur» bei 49 Prozent.
Ob die bemerkenswerte Passivität in den Parlamenten Verständnis findet, darf nach ersten Feedbacks bezweifelt werden. Überraschend ist, dass 2012, als die Tageswoche die heikle Verbandelung erstmals thematisierte, nichts unternommen wurde. Damals waren jedoch das finanzielle Ausmass und die jetzt publizierten Details nicht bekannt.
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