Die Terroristen, die das Chaos nutzen
Die Extremistengruppe Islamischer Staat im Irak hat bereits zwei Städte unter ihrer Kontrolle. Wie sie es schafft, von der Wut der Menschen zu profitieren und warum ihr aus Syrien Ungemach droht.

Zwei Jahre nach Abzug der US-Truppen steht der Irak vor einem Bürgerkrieg: Extremisten halten seit Mitte letzter Woche mit Ramadi und Fallujah zwei wichtige Städte unter Kontrolle, bei Gefechten mit irakischen Sicherheitskräften starben laut Ärzten bereits über 100 Menschen. Die Krankenhäuser in Fallujah seien überfüllt, berichten Augenzeugen. Immer mehr Flüchtlinge versuchen laut der UNO, über die Grenze nach Jordanien zu gelangen, darunter viele Familien. Der Bürgerkrieg in Syrien habe endgültig aufs östliche Nachbarland übergegriffen, sagen Nahost-Experten.
Verantwortlich für den Gewaltausbruch ist die Extremistengruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (Isil). Kämpfer des al-Qaida-Ablegers waren am Mittwoch in die Provinz Anbar eingefallen, nachdem die irakischen Soldaten sich zurückgezogen hatten. «Wir sind hier, um euch vor der Regierung zu schützen. Wir fordern euch auf, uns zu unterstützen», verkündeten die Extremisten laut Reportern der «Zeit» kurz danach, über die Lautsprecher gestohlener Polizeiwagen.
Die Isil-Gruppe entstand aus dem Zusammenschluss mehrerer islamistischer Organisationen und bekannte sich früh zur al-Qaida, weshalb sie auch al-Qaida im Irak (AQI) genannt wird. Den aktuellen Namen trägt sie seit April 2013. In Syrien zählt sie derzeit 10'000 Mitglieder, im Irak sollen es rund 2000 sein.
An mehreren Orten Fuss gefasst
Im letzten Jahr hat Isil im Irak beträchtlichen Zulauf erhalten. Grund dafür sind wachsende Spannungen zwischen der sunnitischen Minderheit und der schiitischen Regierung: Sunnitische Demonstranten prangern mit ihren Protesten seit Monaten an, diskriminiert zu werden. Die Isil macht sich das Chaos im Land zunutze. Immer häufiger kommt es im Westen des Landes zu Anschlägen und Angriffen, 7818 Zivilisten sollen nach Angaben der UNO bereits gestorben sein.
Im komplexen syrischen Konflikt ist die Terrorgruppe mittlerweile einer der Hauptakteure – auch hier profitiert sie von der Unzufriedenheit der Sunniten. Sie bildete in den vergangenen Monaten mehrere Enklaven und Lager im Norden des Landes, stürzte lokale Behörden und setzt sich für eine Verbreitung des islamischen Rechtssystems ein. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte wirft ihr zudem vor, Zivilisten zu misshandeln. So soll sie erst vor kurzem einen Arzt entführt, gefoltert und getötet haben.
«Alles, was sie will, ist Macht»
Doch während die Extremistengruppe im Irak derzeit Boden gut macht, hat die Opposition in Syrien offenbar eine Offensive gegen sie gestartet. Isil stelle sich zwar offiziell gegen das Regime von Bashar al-Assad, doch in Wahrheit diene die Terrorgruppe «den Interessen der Clique um Assad», erklärte die Syrische Nationale Koalition am Mittwoch. Islamische Kämpfer haben ihre Rivalen deshalb aufgefordert, sich bis heute zu ergeben. Zuvor hatten sich die beiden Fraktionen tagelang erbitterte Kämpfe in den nördlichen Provinzen Aleppo und Idlib geliefert. Laut der britischen Zeitung «The Guardian» sollen dabei mehrere Dutzend Extremisten getötet oder gefangengenommen worden sein. Auch in Aleppo selbst habe es Kämpfe zwischen den beiden Gruppen gegeben. Die Gegenseite, eine Allianz aus islamischen Rebellen, stellte der Isil den Angaben zufolge ein 24-stündiges Ultimatum, den Kampf aufzugeben. Etwa 90 Prozent der Aufständischen seien gegen Isil, sagte ein Aktivist gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, «denn alles, was sie will, ist Macht».
Gleichzeitig gingen laut einem Bericht des arabischen Nachrichtensenders al-Jazeera» in mehreren syrischen Städten die Menschen auf die Strassen, um gegen den al-Qaida-Ableger zu protestieren. Dies sei «der Beginn einer Revolution», sagte einer von ihnen gegenüber al-Jazeera». Journalisten sprechen von einem möglichen Wendepunkt im Konflikt. Dies, nachdem die Spannungen zwischen den verschiedenen Oppositionsgruppen in Syrien in den letzten Monaten immer mehr zugenommen hatten. Die Attacken der syrischen Opposition und der Widerstand im Irak könnten laut dem «Guardian» die Stellung von Isil nun ernsthaft gefährden.
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