Opposition gewinnt ParlamentswahlDie Slowenen haben die Nase voll von selbstherrlichen Populisten
Das Volk hat Langzeit-Premier Janez Jansa abgewählt. Die Siegerpartei ist ein paar Wochen alt, ihr Gründer Robert Golob neu in der Politik. Doch gerade das macht den Menschen Mut.

Der deutliche Sieg der linksliberalen Freiheitsbewegung (Gibanje Svoboda) unter Gründer Robert Golob hat in Slowenien alle überrascht. Denn die Partei ist so neu, wie ihr Parteichef neu in der Landespolitik ist: Erst im Januar hatte Golob, bis dato Lokalpolitiker und Ex-Vorstand des teilstaatlichen slowenischen Energiekonzerns Gen-I, seine Svoboda gegründet. Nur dreieinhalb Monate später holte er nun gleich 36 Prozent der Stimmen – und damit, in absoluten Zahlen, die meisten Stimmen, die eine Gruppierung im notorisch zersplitterten und kleinteiligen Parteiensystem Sloweniens seit der Unabhängigkeit je auf sich vereinigen konnte.
In Umfragen hatte Golobs Neugründung noch gleichauf mit der rechtspopulistischen Demokratischen Partei (SDS) von Premier Janez Jansa gelegen. Die schnitt zwar mit 22,5 Prozentpunkten kaum schlechter ab als in früheren Wahlen, aber angesichts der Stärke des immer noch recht unbekannten Wahlsiegers und neuen Hoffnungsträgers war am Sonntagabend sehr schnell klar, dass es Langzeit-Premier Jansa nicht noch einmal ins Amt schaffen würde. Der Vizechef der SDS kommentierte das Ergebnis im Fernsehen denn auch mit einiger Herablassung. Man müsse dem «relativen Wahlsieger» gratulieren. Offenbar hätten «die Menschen wieder auf ein neues Gesicht gesetzt».
Sehnsucht nach einer neuen politischen Kultur
Dass viele Wähler sich nicht nur nach einem neuen Gesicht und einer neuen Partei, sondern auch nach einer neuen politischen Kultur sehnten, die das vergiftete politische Klima befrieden und das Land zurück auf einen proeuropäischen, liberalen Kurs führen kann, zeigte sich auch an der Wahlbeteiligung. Diese lag 13 Prozent über jener von 2018. Die linke Tageszeitung «Dnevnik» bezeichnete das am Montag euphorisch als «positivste Nachricht» der Wahl, zeige sie doch, dass «Demokratie, Freiheit, Autonomie und Gerechtigkeit» die Chance bekommen hätten, sich in Slowenien zu rehabilitieren.
Genauso äusserte sich auch Golob selbst: Er hatte vor der Wahl von einem «Referendum über die Demokratie in Slowenien» gesprochen, eine grüne Energiewende und eine nachhaltige Politik versprochen. Nach Bekanntwerden des sensationell guten Ergebnisses für seine Partei äusserte er sich über die sozialen Medien; wegen einer Corona-Erkrankung konnte Golob nicht an der Wahlparty in Ljubljana teilnehmen. Die hohe Wahlbeteiligung zeige, sagte er, «dass die Menschen sich tatsächlich Veränderungen wünschen. Sie vertrauen darauf, dass nur wir diese Veränderungen bringen können.»

Sein Vorgänger Janez Jansa hat die slowenische Politik fast drei Jahrzehnte lang geprägt. Der frühere kommunistische Jugendfunktionär gründete nach der Unabhängigkeit die erste grosse Oppositionspartei, war schon dreimal Ministerpräsident und immer wieder mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, wegen denen er auch einmal verurteilt wurde. Er hatte gehofft, auch dieses Mal, wie schon zuvor, mit einer bunt zusammengewürfelten Koalition von Kleinstparteien letztlich die Regierung übernehmen zu können.
Doch zwei dieser Gruppierungen scheiterten an der 4-Prozent-Hürde, sodass die Zahl möglicher Partner sank. Jansa schuf sich zudem offenbar mit einer für ihn typischen Aktion auch noch selbst seinen stärksten Gegner: Er soll mit dafür gesorgt haben, dass das Mandat Golobs im Vorstand des zu fünfzig Prozent im Staatsbesitz befindlichen Energiekonzerns Gen-I nicht verlängert wurde. Woraufhin dieser sich entschloss, von seinem Heimatort Novo Gorica auf die grosse Bühne nach Ljubljana zu wechseln.
«Mit billigem Anti-EU-Populismus gewinnt man keine Wahlen.»
In Slowenien hatte es zuletzt wieder und wieder Grossdemonstrationen gegen das autoritäre Gebaren Jansas gegeben. Unter ihm wurde die Pressefreiheit eingeschränkt; seine Regierung strich der staatlichen Nachrichtenagentur die Gelder, zerrte kritische Journalisten vor Gericht und begrüsste die Übernahme slowenischer Medien durch ungarische Oligarchen.
Seine Nähe zu Viktor Orban in Ungarn, dessen illiberale Demokratie ihre Entsprechung in Jansas Politik fand, wurde ebenso kritisch gesehen wie seine EU-feindlichen Positionen. Höhepunkt der Spannungen war ein Auftritt des Premiers in Brüssel in jener Zeit, als Slowenien 2021 die Ratspräsidentschaft innehatte. Jansa düpierte einen Ausschuss des EU-Parlaments mit einem Propagandafilm und Beschimpfungen.
Der Partei fehlen noch die Strukturen
Robert Golob dürfte nun mutmasslich eine Koalition mit den Sozialdemokraten bilden, deren Chefin, die erfahrene EU-Parlamentarierin Tanja Fajon, als neue Aussenministerin gehandelt wird. Da seine Partei erst vor kurzem gegründet wurde, fehlen Strukturen und eine Verankerung im Land. Politische Beobachter gehen daher davon aus, dass es Svoboda nicht leicht haben dürfte, die Vorschusslorbeeren des guten Wahlergebnisses in reale Politik umzumünzen.
Im Ausland und in Brüssel war Erleichterung spürbar, dass Slowenien jetzt auf einen proeuropäischen Kurs zurückkehren dürfte. Der deutsche EU-Abgeordnete Daniel Freund twitterte am Montag mit Verweis darauf, dass in den vergangenen Monaten die mutmasslich korrupten Rechtspopulisten Bojko Borrisow in Bulgarien, Andrej Babis in Tschechien und Janez Jansa in Slowenien abgewählt wurden, dass Europa vor einem Jahr anders ausgesehen habe. «Mit billigem Anti-EU-Populismus gewinnt man keine Wahlen.»
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