Interview mit Matthias Preiswerk«Die Silberware soll jetzt eine andere Farbe kriegen»
Der Co-Präsident und Mäzen von Sm’Aesch-Pfeffingen sagt vor dem Final um die Schweizer Frauenvolleyball-Meisterschaft, wie er das Potenzial des Baselbieter Spitzenclubs sieht und seine eigene Rolle definiert.

Matthias Preiswerk, Sm’Aesch-Pfeffingen steht zum ersten Mal seit drei Jahren wieder im Playoff-Final. Was versprechen Sie sich von der Finalserie gegen Viteos NUC?
Es ist toll, dass wir das geschafft haben. Ich erwarte hochattraktive Spiele von zwei Teams, die die ganze reguläre Saison dominiert haben und zu Recht im Final stehen. NUC sehe ich dabei aber klar in der Favoritenrolle.
Weshalb?
Letztes Jahr waren wir besser als sie, dieses Jahr sind sie es. Sie haben uns bereits zweimal geschlagen in dieser Saison. Ausserdem haben sie mit Tia Scambray und Kyra Holt zwei überragende Spielerinnen in ihren Reihen. Wenn die ihr Rendement erreichen, sind sie kaum zu schlagen.
Wie kann es dennoch klappen?
Wir sind in der Breite ausgeglichener aufgestellt. Wenn eine Spielerin bei uns einen schlechten Tag erwischt, kann sie durch eine andere ersetzt werden.
Wie viele Zuschauer werden erwartet?
Ich rechne schon damit, dass wir die Löhrenackerhalle füllen. Das wären dann so 1000 Zuschauer pro Heimspiel. Und ich hoffe, dass wir davon mindestens zwei haben werden. Bereits im Halbfinal war eine gewisse Euphorie zu spüren – für den Final wollen wir das Erlebnis für den Zuschauer noch attraktiver machen.
Wie das?
Wir werden eine zusätzliche Tribüne aufstellen, um eine Hexenkessel-Atmosphäre zu kreieren. Zudem wird für die Finalserie ein neuer Boden verlegt.
Hat Sm’Aesch-Pfeffingen eine klassische Fangemeinde - oder besuchen vor allem Menschen die Spiele, die mit dem Club oder dem Volleyball eng verbunden sind?
Was ist eine klassische Fangemeinde? Ich sage es so: In der Region gibt es einen ordentlich starken Kern von volleyballaffinen Menschen. Immerhin gab es mit Uni Basel bei den Frauen hier ja mal einen Serienmeister, also eine ruhmreiche Geschichte. Dazu kommen allein bei uns 13 Amateur-Teams. Diese zwei Faktoren prägen gewiss die Zusammensetzung unseres Publikums, auch wenn Volleyball eigentlich eine global verbreitete, trendige Sportart ist.
Etwas also auch, was jeder in seinem Leben schon mal gespielt hat.
Viele wohl – ich aber nicht. Ich habe Basketball gespielt. Vom Volleyball hatte ich mich immer weit entfernt aufgehalten. (lacht)
Da müssten wir mal bei Ihrem Sportlehrer nachfragen. Wie sind Sie dennoch zum Volleyball gekommen?
Als ich noch Präsident des EHC Basel war, hat der damalige Präsident Werner Schmid einen Hauptsponsor gesucht. Da kam die Trafina Privatbank AG ins Spiel, die von Baumann & Cie 2004 als Tochtergesellschaft übernommen wurde. So kam ich ursprünglich zum Volleyballsport. Und doch war es auch eine Herzensangelegenheit: Ich wohne seit langem in Aesch, bin hier heimisch und war hier immer sehr aktiv. Ich möchte dem Dorf etwas zurückgeben.
Sm’Aesch spielt auf nationalem Spitzenniveau, der EHC hatte als Amateurclub bei der Belle gegen Huttwil dreimal so viel Zuschauer, wie Sie nun erwarten. Stört Sie das?
Nein. Wir haben die Infrastruktur dafür gar nicht. Wenn mehr als 1000 Leute in die Löhrenackerhalle strömen, wird es ungemütlich.
Wie steht es generell um die Infrastruktur in der Region Basel für den Volleyballsport?
Nicht gut. Auch wir mussten den Eventcharakter in der Löhrenackerhalle erst aufbauen. Inzwischen haben wir immerhin eine Lichtshow bei der Vorstellung der Spielerinnen.
Andere Teams in der Schweiz verfügen da über eine deutlich bessere Infrastruktur. Inwiefern hätte der geplante Bau des Aescher Doms Sm’Aesch auf das nächste Level heben können?
Für die Region wäre es gigantisch gewesen, für uns ist es nicht so entscheidend. Wir sind in der Löhrenackerhalle gross geworden und müssen uns damit abfinden, dass sich an ihr in absehbarer Zeit nichts ändern wird. Trotzdem ist es sehr schade, dass der Bau nicht zustande gekommen ist. Natürlich hätten auch wir profitiert.
Damals beim EHC hätten Sie die St.-Jakob-Arena gerne gekauft und selbst vermarktet.
Ja, ich hatte bereits ein ausgereiftes Konzept. Und wem gehört sie jetzt? Dem Kanton, und nichts wird daraus gemacht.
Freuen Sie sich, dass der EHC Basel wieder im Profihockey vertreten ist?
Ja, ich habe mich riesig gefreut. Ich habe die Entwicklung des Vereins Jahr für Jahr intensiv mitverfolgt. Es ist ein Wahnsinn, wie schwer sich Eishockey in der Region Basel tut. Eishockey hat in der Schweiz eine grössere Tradition als der Fussball und ist meiner Ansicht nach immer noch der bessere Sport. Ich habe dem EHC gratuliert und hoffe inständig, dass er sich nicht verkalkuliert.
Inwiefern?
Die kolportierten 2,5 Millionen Franken Budget für die nächste Saison in der Swiss League sind meiner Meinung nach zu wenig. Ich hoffe, dass diese Rechnung aufgeht.
Woran liegt es denn, dass sich Eishockey in der Region so schwertut?
Schwer zu beantworten, aber ich habe eine Vermutung.
Wir hören.
Der FC Basel hat ein Konstrukt auf sehr hohem Level geschaffen, welches Bedürfnisse geweckt hat, Sport auf höchstem Niveau zu erleben. Spiele des FCB während seiner Blütezeit sind gesellschaftliche Events geworden. Dieses Bedürfnis kann jedoch nur aufrechterhalten werden, wenn man Jahr für Jahr an der Spitze steht. Und es ist ein Bedürfnis, das sich auf andere Sportarten übertragen hat. Der EHC wird es folglich schwer haben, Zuschauer anzulocken, wenn er in der Swiss League nicht auch ganz oben mitspielt.
Sind Sie ob des Aufstiegs des EHC gar erleichtert, da Sie ja derjenige waren, der den Club aus dem Profigeschäft gezogen hat und dafür einiges an Unverständnis erntete?
Nein, erleichtert nicht. Es war einfach nicht fair, wie ich damals behandelt wurde. Ich wollte den Verein nicht in eine Saison starten lassen, in der man sehenden Auges auf ein finanzielles Fiasko zurast, und wäre auch nicht bereit gewesen, das zu decken. Ich habe den Club verschuldet übernommen und schuldenfrei abgegeben. Ich denke, ich hatte das Recht, auszusteigen.
Inwiefern haben Sie diese Erfahrungen beim EHC geprägt?
Ich habe beim EHC viel gelernt. Viel Positives mitgenommen und Negatives verdrängt – mit Ausnahme der persönlichen Angriffe nach meinem Abgang. Diese sind mir bei jeder Handlung, die ich bei Sm’Aesch vornehme, stets bewusst.
Wenn Sie Sm’Aesch eines Tages den Rücken zukehren, würde die Öffentlichkeit das anders aufnehmen als beim EHC?
Ja, denn hier bin ich nicht so im Fokus und möchte dies auch nicht mehr sein. Ich habe mir auch genau überlegt, ob ich Interviews wie dieses noch geben möchte. Es wird die Ausnahme bleiben. Was ich bei Sm’Aesch mache, ist eine Herzensangelegenheit, und wie ich das mache, geht niemanden etwas an.
Sie sagten, dass Eishockey gegenüber dem Fussball einen schweren Stand hat. Wie steht Volleyball im Vergleich zu anderen Sportarten da?
Dass wir gegen Teams aus Orten wie Düdingen, Schaffhausen oder Toggenburg spielen, sagt ja schon viel aus. Volleyball ist in der Schweiz eine Randsportart. Dass Volleyball überwiegend in ländlichen Gegenden vertreten ist, hat aber auch Vorteile: In einem Dorf wie Aesch ist die Popularität relativ hoch, wenn etwas Langfristiges entstanden ist und weiterentwickelt wird.
Was sind Ihre mittel- bis langfristigen Ziele mit dem Projekt Sm’Aesch-Pfeffingen?
Natürlich wollen wir endlich den Titel holen. Die Silberware soll jetzt mal eine andere Farbe kriegen. Parallel dazu wollen wir Volleyball als Breitensport in der Region mehr verankert sehen und regionale Talente fördern.
Wie das?
Wir möchten vermehrt junge Schweizerinnen aus der Region zu uns holen, die das Talent haben, Profi zu werden. Laura Künzler und Maja Storck haben dies vorgemacht, ihr Weg lief über Sm’Aesch, und nun sind sie absolute Spitzenspielerinnen.
Wird man durch diese Strategie weniger auf ausländische Akteurinnen setzen als bisher?
Auf ausländische Spielerinnen kann man in der Meisterschaft nicht verzichten. Dafür fehlt in der Schweiz die Qualität in der Breite, was die einheimischen Akteurinnen betrifft. Vier bis fünf Ausländerinnen wird man immer im Team haben. Die Frage ist also eher: Wie können wir den Anteil an Schweizer Spielerinnen maximieren, und welche Rollen werden ihnen zuteil?
Sm’Aesch-Pfeffingen spielt national ganz oben mit, trotzdem ist man von Ihnen als Mäzen abhängig. Ginge es auch ohne?
Selbsttragend zu werden, ist fast nicht machbar. Viele Teams brauchen einen Geldgeber, der das aus Herzensgründen macht. Das heisst aber nicht, dass man sich als Verein und als Marke nicht stets verbessern kann. Die Ausstrahlung der Marke Sm’Aesch hat sich in den letzten zehn Jahren fundamental verändert. Aber wir wollen weiter an Attraktivität zulegen. So, dass die 1000 Zuschauer, die bei uns in die Halle passen, zu jedem Heimspiel kommen. Randsportarten können sich entwickeln: Vor zehn Jahren hat sich noch niemand für Unihockey interessiert, nun wird es im Schweizer Fernsehen übertragen.
Warum wird Volleyball nicht von SRF übertragen?
Es wird übertragen, via Livestream und im Final eventuell auch im TV. Es ist Verbandsaufgabe, sich um die Vermarktung seiner Liga zu kümmern. Das ist nicht mein Job. Verstehen Sie mich nicht falsch, Streams sind super – und wir haben bei Sm’Aesch den besten der Liga. Aber das heisst ja nicht, dass dies national das Ende der Fahnenstange sein muss.

Wie steht Sm’Aesch denn im Bereich Vermarktung und Sponsoring da?
Die Beiträge, die wir kriegen, sind hoch – aber nicht wahnsinnig hoch. Die Spielerinnen werden zu wenig entschädigt für das, was sie leisten. Trotz knallhartem Profisport verdienen sie sehr wenig, wohnen in Wohngemeinschaften. Und das, obwohl die Mehrheit von ihnen parallel noch eine Ausbildung macht. Sie können nicht nur Volleyball spielen, sondern studieren zum Beispiel Medizin und Nanophysik. Bei den Sponsoren kommt das allerdings gut an, wobei der Zeitgeist – Stichwort Gender – gewiss auf unserer Seite ist. Denn diese jungen, modernen Frauen leisten Dinge, von denen nicht nur ich beeindruckt bin.
Wie hoch ist das Gesamtvolumen der Sponsorenbeiträge?
Es ist ziemlich stabil und macht rund zwei Drittel unseres Gesamtbudgets aus.
Und der Rest kommt aus Ihrem Portemonnaie …
Es mag so sein. Aber es ist nicht relevant.
Doch, ist es, und zwar im positiven Sinne, weil Sie solch enormes Engagement zeigen.
Klar, für den Club ist es sehr relevant. Aber muss ich deswegen sagen, wie viel ich noch dazugebe? Ich mache das nicht aus Eigeninteresse, es geht nicht um meinen Ruf.
Worum geht es Ihnen dann?
Wir haben in den letzten Jahren mit Sm’Aesch-Pfeffingen etwas aufgebaut, das nachhaltig verankert werden soll. Die Sportart war dabei gar nie der Hauptfaktor, sondern dass man jungen Menschen eine Freizeitbeschäftigung bietet, wo sie wichtige Werte lernen können, anstatt im Drogenkonsum oder vor dem Computer zu enden.
Und doch geht es auch um sportlichen Erfolg. Was würde ein Titelgewinn in der Region bewirken?
Ich denke, dass die Wahrnehmung des Clubs eine andere wäre. Aesch wäre eine super Festbühne, im Gewerbe liessen sich zusätzliche Menschen mobilisieren. Ein Titelgewinn hat auch mit Stolz und Selbstbewusstsein zu tun. Das ist nicht unbedingt, was Aesch kennt. Umso mehr glaube ich an die Wirkung eines für ein Dorf ungewöhnlichen sportlichen Erfolgs.
Im Vorjahr verpassten Sie den Final wegen Corona-Fällen am grünen Tisch. Die Entscheidung des Verbands warf Fragen auf. Geht es nun auch ein bisschen darum, dem Verband und dem Rest der Liga «den Meister» zu zeigen?
Sagen wir mal so: Ich hätte im Final jetzt lieber gegen Düdingen als NUC gespielt. (lacht) Das war ja der Halbfinal-Gegner, der auf unsere Kosten weiterkam. Aber eigentlich ist das abgehakt – und gegen NUC spielt es definitiv keine Rolle mehr.
Haben Sie die Erfahrungen beim EHC oder auch vom letzten Jahr ruhiger gemacht?
Ich bin in vielen Bereichen ruhiger geworden. Ich litt in jüngerer Vergangenheit unter starken gesundheitlichen Problemen. Wenn man so weit unten war, regt man sich nicht mehr über Dinge auf, die man nicht beeinflussen kann.
Auch nicht zu beeinflussen war der Wiederaufstieg von Volero Zürich, das sich kürzlich mit dem Cupsieg stark in der Schweizer Elite zurückmeldete. Freut man sich da nur über die Rückkehr eines Deutschschweizer Clubs – oder fürchtet man auch, dass sich gerade ein Titel-Fenster schliesst, weil Volero bald wieder alles dominiert?
Ich freue mich ganz einfach. Bisher hatten wir vier Topmannschaften in der Liga, mit Volero werden es fünf sein – bei einer Liga bestehend aus zehn Teams kann also die Hälfte um Titel mitspielen, das ist doch attraktiv!
Und doch: Was ist, wenn Stav Jacobi Volero wieder so alimentiert, dass der Club wieder alle anderen dominiert?
Es ist mir schon klar, dass das passieren könnte. Aber wir freuen uns auf die sportliche Auseinandersetzung auf höchstem Niveau. Zudem – egal, ob schlagbar oder nicht: Volero ist ein Publikumsmagnet. Auch in einem normalen Saisonspiel hätten wir gegen sie zwischen 600 und 800 Zuschauer in der Halle.
Wenn Sm’Aesch den Titel jetzt gewinnt, hat man dann in Bezug auf den bevorstehenden Trainerwechsel von Andi Vollmer zu Timo Lippuner alles richtig oder alles falsch gemacht?
Das hat damit nichts zu tun. Ich wünsche Andi diesen Abgang, und zwar von Herzen. Man kann doch nicht besser weggehen als als Meister.
Aber dann hätte man ihn vielleicht halten sollen?
Nein. Wir haben über fünf Jahre eine Entwicklung mit ihm durchgemacht. Nun wollen wir uns in unserer Entwicklung neu ausrichten. Wir wollen vermehrt Schweizer Talente einbauen. Und dafür sehen wir Timo Lippuner als den passenden Trainer. Deshalb ist es der richtige Entscheid.
Warum?
Er war schon mal Trainer bei uns, kennt die Verhältnisse. Verstehen Sie mich nicht falsch: Andi Vollmer ist ein Volleyball-Verrückter mit vielen Qualitäten. Aber Timo hat als ehemaliger Trainer des Nationalteams und als Nachwuchs-Verantwortlicher in Aarau einen anderen Zugang zu den Schweizer Spielerinnen. Und ich denke, dass er für den nicht professionellen Teil des Vereins ein Top-Gespür hat.
Diese neue Strategie mit neuem Trainer, trägt sie schon Früchte?
Wir konnten bereits ein Schweizer Toptalent verpflichten. Viteos NUC wollte die Spielerin auch, doch wir haben das Rennen gemacht. Und wir machten dieses Rennen auch mit Timo.
War er der entscheidende Faktor?
Sicher einer davon.

Seit der Trainerwechsel verkündet wurde, macht das Team einen viel stabileren Eindruck. Zufall?
Ich denke, das hatte andere Gründe. Die Mannschaft wurde vor der Saison komplett neu zusammengewürfelt. Das musste sich erst finden, sich einspielen. Mit der Zeit wurde dann auch nicht mehr so viel rotiert, was ebenfalls für Stabilität sorgte. Das ist etwas, das NUC uns voraushat: Da gab es in den vergangenen Jahren viel weniger Wechsel als bei uns. Da ist alles sehr eingespielt und damit eben stabil. An dieser Kontinuität arbeiten wir noch.
Was würde Ihnen der Titel persönlich bedeuten?
Es wäre eine Wertschätzung der Spielerinnen für das, was wir hier machen. Es würde uns zeigen, dass wir nicht alles falsch gemacht haben. Und es wäre eine Motivation für mich, den Weg hier noch weiterzugehen.
Und sonst ist plötzlich fertig?
Nein, natürlich nicht! Aber ursprünglich wollte ich mich nur für drei Jahre als Co-Präsident engagieren. Dann wurde Esther Keller Regierungsrätin. Jetzt haben wir uns neu aufgestellt – und es geht mit Vollgas weiter.
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