«Die Seele des Orientaltanzes»
Die Langnauerin Rosita Arnold tanzt am 16. Oktober im Vorprogramm des Oriental & Flamenco Gypsy Festivals im Zürcher Kongresshaus. Sie erzählt von wehenden Schleiern und düsteren Stammestänzen.
Mit Rosita Arnold sprachNicole Trossmann Frau Arnold, Sie tanzen am Gypsy-Festival im Kongresshausvor 1100 Leuten. Nervös? Ehrlich gesagt ja. Obwohl – mit einem guten Lichttechniker sieht man von der Bühne aus ja nur die ersten zwei, drei Reihen. In früheren Jahren waren Sie auch am Festival: als Besucherin. Nun wechseln Sie quasi die Fronten und stehen selbst auf der Bühne. Ich fiel aus allen Wolken, als mich die künstlerische Leiterin Assale Ibrahim fragte, ob ich als Tänzerin und Koordinatorin mitwirken möchte. Letzteres macht mich zusätzlich nervös. Denn heuer sind es so viele Tänzerinnen wie noch nie. 30? 40? 60! Sie alle in einem Programm zu orchestrieren, verlangt ein Kunststück an Koordination. Aber Assales Konzept für diese Show ist überaus reizvoll: Tanzend erzählen wir eine orientalische Geschichte. Sie beginnt fröhlich mit Frauen auf dem Basar in Kairo, die sich durch das bunte Gewühl tanzen. Als sich der Abend über Ägypten senkt, wird die Stimmung geheimnisvoll, mystisch, mit wehenden Schleiern und erdigen Stammestänzen, sogenanntem Tribal. In der Hennanacht schliesslich, dem Abend vor der Hochzeit, wird die Braut von allen umtanzt und mit Riten gefeiert. Wie viele Schülerinnen aus Ihrer Tanzschule Jardins de Semiramis in Wollishofen wirken mit? Deren fünf. Sie sind mit mir letztes Jahr am Adliswiler Fest der Kulturen aufgetreten, aber dort waren natürlich nur rund hundert Zuschauer. Und nun tanzen sie vor gut tausend. Sind sie aufgeregt? Kaum. Sie haben wohl noch nicht richtig realisiert, wie gross das Festival ist. Apropos Gypsy: Der Ausdruck wird auf Minderheiten diverser Kulturen angewendet. Was bedeutet er für Sie? Leben, Leidenschaft, sprudelnde und doch geerdete Fröhlichkeit – das Zigeunerhafte ist für mich die Seele des Orientalischen Tanzes überhaupt: Zurzeit wird über Roma und auch den Islam hitzig diskutiert. Darum freut es mich, dass das Festival den kulturellen Reichtum der Zigeuner darstellt. Es geht auch darum, Klischees aufzubrechen. Sage ich etwa jemandem, ich besässe eine Tanzschule, rufen die Leute beeindruckt: «Ein Ballettstudio, wie schön!» Wenn ich sie dann korrigiere, schlucken viele erst einmal leer. Während die Menschen gern über Ballett sprechen, ruft der Orientalische Tanz zuweilen Unbehagen hervor. Warum? Manche haben noch immer das Bild im Kopf, dass es nur darum geht, die Hüften zu schütteln. Dabei erblüht der Tanz in einer solchen Vielfalt. Dieser Familie gehören so verschiedene Stile an, und jeder verlangt eine eigene Musik, eine eigene Technik, einen eigenen Ausdruck. Und die Tänzerin bereichert jeden Stil noch um ihren individuellen Charakter; auf der Bühne tanzt sie ihre ganz persönliche Geschichte, sie öffnet ihr Innerstes. Im bauchfreien Glitzerkostüm treten Sie am Festival aber schon auf? Sehen Sie, genau das meine ich mit Klischee. Und genau deshalb tanze ich in einem Einteiler: Mein Lieblingskostüm ist feuerrot, mit winzigen Sternen drauf, ansonsten aber sehr schlicht. In einem geschlossenen Kleid kann man genauso sinnlich tanzen wie in einem bauchfreien. Und übrigens: Eine meiner Schülerinnen liebt Volksmusik und besucht Schwingfeste, eine andere ist in Adliswil politisch aktiv – in der SVP. So viel zu Klischees. Zurzeit lernen Sie fleissig die Choreografie für Ihr Solo, nehme ich an. Ich tanze keine Choreografie; ich improvisiere. Man ist versucht, zu behaupten, Sie machten sich nicht die Mühe, einen komplexen Tanzablauf zu ersinnen. Ich will keinem fixen Schema folgen, das vielleicht in dieser Minute, auf dieser Bühne gar nicht passt. Ich möchte aus dem Moment heraus tanzen, mich ganz dem Augenblick hingeben, mich von der Musik immer wieder neu inspirieren lassen. Improvisieren heisst aber nicht, dass man nicht übt. Um wirklich frei tanzen zu können, muss man tausend Choreografien kennen. Zu welcher Musik tanzen Sie? Zu sogenannter Baladi-Musik – dem Herzen und der Seele Ägyptens; es ist der Tanz der Heimat. Wenn ich improvisiere, will ich das Lied in- und auswendig kennen; man muss es so verinnerlichen, als hätte man es selbst komponiert. Ich höre es darum schon seit Wochen rauf und runter; mit der Musik im Ohr lege ich mich nachts schlafen, und morgens weckt sie mich aus meinen Träumen. Heuer findet das Oriental & Flamenco Gypsy Festival zum sechsten Mal statt: mit 30 Künstlern aus sieben Nationen. Nach der Premiere in Deutschland am 12. Oktober macht das Festival auf seiner Tournee unter anderem am 16. Oktober im Zürcher Kongresshaus und tags darauf im KKL Luzern Halt. Rosita Arnold aus Langnau, deren Künstlername Alzena ist, tritt mit 60 Tänzerinnen aus der Schweiz im Vorprogramm in Zürich auf, dem Oriental Dance Mosaic. www.gypsy-festival.chwww.alzena.ch «Improvisieren heisst nicht, dass man nicht übt», sagt Rosita Arnold. Foto: P. Gutenberg
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