Gina Lollobrigida gestorben«Die schönste Frau der Welt» ist tot
«La Lollo» wurde in den Fünfzigerjahren zum Weltstar und zum Sexsymbol des Nachkriegskinos. Nachruf auf das Multitalent.

«Die Kunst hält immer jung», hat Gina Lollobrigida einmal gesagt. Das war 2017, kurz vor ihrem 90. Geburtstag. In Wahrheit fühle sie sich wie eine Dreissigjährige, sie habe nur weitere 30 und dann noch einmal 30 Jahre hinzugefügt. Die Stadt Rom hatte sie damals gross gefeiert, ihr den roten Teppich ausgerollt von der Via Condotti bis zur Spanischen Treppe auf der Piazza di Spagna. «La Lollo» war neben Sophia Loren und Monica Vitti, vielleicht auch noch Claudia Cardinale, einer der grössten weiblichen Filmstars ihrer Generation in Italien.
Mit Filmen wie «Fanfan, der Husar» oder «Der Glöckner von Notre-Dame» avancierte Lollobrigida zur nationalen Ikone. Aber sie hatte bald auch Angebote aus Hollywood, mit 90 Jahren noch bekam sie einen Stern auf dem Walk of Fame. Sie drehte mehr als 60 Filme, unter anderem mit Humphrey Bogart, Rock Hudson, Yul Brynner, Vittorio De Sica oder Anthony Quinn, spielte selbstbewusste Frauenfiguren wie in «Brot, Liebe und Fantasie» (1953) und war auch bereit, Haut zu zeigen, etwa als verführerische «Königin von Saba» (1959). In ihren Filmen war die Lollobrigida Teil des neorealistischen, italienischen Kinos der Fünfzigerjahre und stand für ein aufstrebendes, erfolgreiches Nachkriegsitalien.

Einfach hatte es «Gina nazionale», wie sie die Italiener auch liebevoll nennen, nicht. 1927 in Subiaco in den Abruzzen geboren, kam Luigina Lollobrigida mit ihren Eltern und Geschwistern nach dem Zweiten Weltkrieg in die italienische Hauptstadt. Anders als zu ihrem runden Geburtstag hat Rom die Lollobrigida damals nicht mit offenen Armen empfangen. Die Zeiten waren hart, und Lollobrigida musste Geld verdienen, machte Gelegenheitsjobs, zog durch die Lokale und zeichnete Karikaturen, bevor sie immer mal wieder auch als Statistin beim Film arbeitete.
Wäre «La Lollo» dort nicht entdeckt worden, hätte sie vermutlich als Malerin oder Bildhauerin gearbeitet, vielleicht wäre sie auch Opernsängerin geworden. Zumindest hatte sie all das an der Kunsthochschule gelernt, an der sie sich eingeschrieben hatte. In ihrer Bewerbung stand unter Beweggründe: «etwas Ernsthaftes mit meinen Fähigkeiten tun», zitiert «La Repubblica». Aber bald wurde der Film zu ihrem Metier.
Sie war nicht nur eine der berühmtesten Schauspielerinnen ihrer Generation, sondern auch eine der schönsten. Mit nur drei Jahren offenbar zum «schönsten Kleinkind Italiens» gewählt, nahm sie später an Misswahlen teil – und so passte dann auch, dass sie später die Hauptrolle in Robert Z. Leonards «Die schönste Frau der Welt» von 1955 spielte.
An Selbstbewusstsein mangelte es ihr nicht. Über Marilyn Monroe, mit der die Italienerin gern verglichen wurde, sagte sie: «Marilyn fürchtete sich davor, sich mit mir fotografieren zu lassen.» Aber die Konkurrenz musste gar nicht bis nach Amerika gehen. In Italien selbst wurde «La Lollo» immer neben Sophia Loren gesehen, einer weiteren italienischen Diva, etwas jünger als sie selbst. Auf die Rivalität angesprochen, konterte Lollobrigida schlicht: «Ich war die Nummer eins.» Aussprüche wie diese trugen zu ihrem Image als Diva bei, ebenso wie ihre hochtoupierten Locken, grossen Perlenketten und knallbunten Taftkleider.

In einem war Lollobrigida vielen anderen im Showgeschäft voraus – in der Kunst, sich rechtzeitig vom Film zu verabschieden. Als Anfang der Siebzigerjahre die Rollenangebote ausblieben, widmete sie sich der Fotografie und der Bildhauerei. Sie fotografierte Fidel Castro, mit dem ihr sogar eine Affäre nachgesagt wurde, Salvador Dalí, Indira Gandhi und die deutsche Fussballnationalmannschaft, stellte ihre Werke in Sevilla und Paris aus. Lollobrigida war immer ein Kunstmensch.
Weniger für die Kunst sprachen ihre Ambitionen in der Politik. Ende der Neunziger war das, Lollobrigida bereits Anfang siebzig, als sie für die Sozialdemokraten ins Europaparlament einziehen wollte, aber nicht genug Stimmen erhielt. Vergangenes Jahr kandidierte sie, ihre letzte Volte, für ein linkes Wahlbündnis für den italienischen Senat. Da war sie bereits 95 und wollte Gutes für ihr Land tun. Vielleicht aber wollte sie auch von den wenig schmeichelhaften Schlagzeilen über ihr Privatleben ablenken.

Ihr einziger Sohn versuchte in späteren Jahren, sie entmündigen lassen, als sie einen 34 Jahre jüngeren Spanier heiraten wollte. Auch mit ihrem turbulenten Liebesleben stand sie zeitlebens in Konkurrenz und im Kontrast zu Sophia Loren, die bis zu dessen Tod glücklich mit dem Filmproduzenten Carlo Ponti verheiratet war.
«Ich hatte viele Liebhaber, und ich habe immer noch Romanzen», wurde Lollobrigida im Jahr 2000 von britischen Zeitungen zitiert. «Ich bin sehr verrucht.» Von 1949 bis 1971 war sie mit dem jugoslawischen Arzt Milko Skofic verheiratet. Anschliessend sagt man «Lollo» zahlreiche Affären etwa mit Milliardär Howard Hughes und dem Politiker Henry Kissinger nach.
Zuletzt lief ein Prozess gegen ihren Sekretär, der sie um mehrere Millionen Euro betrogen haben soll. Unter Tränen gestand sie in einer italienischen Talkshow: «Ich habe doch das Recht zu leben – und das Recht, in Ruhe zu sterben.»
In Gina Lollobrigida ist am Montag eine lange jung Gebliebene, eine der letzten Diven gestorben. Sie wurde 95 Jahre alt.
Addio, «Lollo».
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