Die Schaffhauserin trainiert neben Federer
Die aussergewöhnliche Geschichte der 17-jährigen Leonie Küng, die in Wimbledon auf sich aufmerksam macht.

Viele Wege führen nach Wimbledon. Der von Leonie Küng begann mit einer Tennis-Schnupperstunde im Kindergarten. Eigentlich hatte Vater Martin gedacht, seine beiden Töchter Leonie und Lisa würden einmal reiten. Denn auf seinem Hof in der Nähe von Beringen im Kanton Schaffhausen betrieb der Veterinär eine Pferdezucht. Doch er musste feststellen: «Die beiden hatten gar kein Interesse an Pferden.» Und als Leonie, die Ältere, immer mehr Freude am Tennis bekam, begannen sich auch die Eltern für den Sport zu interessieren.
So richtig ernst wurde es, als sie 2011 in den Ferien die Bollettieri-Akademie besuchten und darauf beschlossen, temporär nach Florida zu ziehen. Mit der Aussicht auf ein Tennis-Stipendium. Mitten in der Immobilienkrise kauften sie günstig ein Haus, Mutter Angelika verbrachte mit den Töchtern drei Winterhalbjahre in den USA, derweil der Vater zwischen Florida und der Schweiz pendelte.
Doch die in die Akademie gesetzten Hoffnungen erfüllten sich nicht. Der Vater schüttelt den Kopf, wenn er vom Gruppentraining erzählt. Wenn man einmal bezahlt habe, sei man plötzlich nicht mehr so interessant gewesen. Nach eineinhalb Jahren sagten sie sich von der Akademie los, und er übernahm das Training.
Der Vater als Autodidakt
Als Autodidakt eignete er sich das Wissen via Internet an und trainierte seine Töchter auf öffentlichen Courts. Nach drei Jahren verkauften sie das Haus in Florida und zogen zurück in die Schweiz. Das Tennis blieb für die Familie Küng aber zentral. Der Vater ist noch heute der Trainer von Leonie (17) und Lisa (15). Derzeit ist er mit der Älteren in Wimbledon unterwegs, die Mutter mit der Jüngeren an den Schweizer Junioren-Meisterschaften im Tessin. Leonie Küng spielte sich in London durch die Qualifikation und hat nun im Junioren-Haupttableau zwei Runden gewonnen – als Einzige von sechs Schweizer Vertretern steht sie im Achtelfinal.
«Wenn du am Trainieren bist und daneben Roger Federer oder Serena Williams siehst, ist das mega cool», schwärmt sie. «Und es motiviert mich sehr, es auch bei den Profis einmal hierher zu schaffen.» Bis vor zwei Wochen hatte sie noch nie auf Rasen gespielt, sie freundete sich gleich an mit dieser Unterlage.
Küng schlug einen ganz anderen Weg ein als die gleichaltrige Churerin Simona Waltert, die ihren Wohnsitz nach Biel verlegte, um bei Swiss Tennis zu trainieren. Die Schaffhauserin vertraut ganz auf ihren Vater und sagt: «Ich bin ein extremer Familienmensch, zu Hause bin ich am besten aufgehoben.»
Erfolg mit Familienprojekt
Der Vater bezeichnet sich als Technikfreak und hat in vielen Bereichen Federer zum Vorbild, etwa bei dessen vielen Varianten beim Aufschlag. Er verweist darauf, dass in den letzten Jahren in der Schweiz vor allem Familienprojekte zum Erfolg geführt hätten – bei Belinda Bencic, Timea Bacsinszky, Stan Wawrinka oder Martina Hingis.
Als Kaderspielerin erhält Küng von Swiss Tennis jährlich 12'000 Franken, neu wird sie auch von der Sporthilfe mit 24'000 unterstützt. Würden sich die Eltern nicht dem Tennis verschreiben – beide arbeiten nur 50 Prozent –, das Projekt würde nicht funktionieren. Der Vater betont aber: «Sie dürfen jederzeit aufhören. Ich sage nicht: Ihr müsst unbedingt spielen, weil wir so viel investiert haben. Ich habe ja auch Spass daran.» Ihr Ziel sei eine Profikarriere, sagt Leonie Küng, die nebenbei einen Abschluss an einer Online-Highschool macht. «Und am liebsten würde ich die Nummer 1.» Es ist ein Traum, den sie mit vielen teilt.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch