Die Revolution der Ehe
Der Bund hat ein Gutachten für ein neues Familienrecht erstellen lassen. Es enthält einige radikale Ideen zu Themen wie Polygamie und Inzest.

In der Schweiz hat sich ein geschichtsträchtiger Wandel vollzogen: Erstmals in der jüngeren Zeit sind mehr Menschen ledig als verheiratet, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Per Ende 2013 zähle der Bund 3,54 Millionen Einwohner mit dem Zivilstand «ledig», was einem Anteil von 43,4 Prozent der Bevölkerung entspricht. Die Zahl der Eheleute liege mit 3,53 Millionen knapp darunter.
Die Schweizer heiraten heute später und generell weniger als noch vor 15 oder 20 Jahren. Und sie lassen sich häufiger scheiden: Die Zahl der Geschiedenen hat sich seit 1980 verdreifacht. Die Folge: Neben traditionellen Familien leben immer mehr Konkubinatspaare mit Kindern, Patchworkfamilien oder Alleinerziehende in der Schweiz.
Dieser Entwicklung will der Bundesrat nun Rechnung tragen. Bis Ende Jahr will er in einem Bericht darlegen, wie sich das aktuelle Familienrecht an die neue gesellschaftliche Realität anpassen lässt. Das Justizdepartement (EJPD) von Simonetta Sommaruga liess dazu bereits ein Gutachten erstellen. Das Papier der Basler Privatrechtsprofessorin Ingeborg Schwenzer enthält laut der «NZZ am Sonntag» einige radikale Vorschläge.
Polygamie- und Inzestverbot auf dem Prüfstand
So fordert Schwenzer, dass keine Familienform vom Recht bevorteilt werden darf. Die Ehe soll deshalb zu einer weitgehend symbolischen Verbindung abgewertet werden, die keine weiteren Familienrechte mehr begründet als andere Formen des Zusammenlebens. Relevant für Rechte und Pflichten in Bezug auf Familie, Kinder, Unterhalt oder Adoption wäre stattdessen die «Lebensgemeinschaft». Diese definiert Schwenzer als Partnerschaft, die mehr als drei Jahre gedauert hat, in der ein gemeinsames Kind vorhanden ist oder in die zumindest ein Partner erhebliche Beiträge investiert hat.
Zudem schlägt Schwenzer vor, geltende Ehehindernisse abzubauen: Auch Homosexuelle sollen künftig heiraten dürfen, und das Inzestverbot sowie das Verbot polygamer Ehen sei kritisch zu hinterfragen. «Die Zunahme der Zahl an Mitbürgerinnen und Mitbürgern islamischen Glaubens wird in der Zukunft auch die Diskussion über polygame Gemeinschaften erfordern», heisst es laut dem Bericht im Gutachten.
Ausserdem soll die obligatorische Zivilehe abgeschafft werden. Sie besagt, dass ein Paar zuerst vor dem Staat heiraten muss, bevor es sich kirchlich trauen lassen kann. Ebenfalls überholt sei die Vorstellung, dass ein Kind nur zwei verschieden-geschlechtliche Eltern haben könne.
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