Steuererhöhung wegen RekorddefizitDie Reinacher werden zur Kasse gebeten
Mitten in der Corona-Krise erhöht die Gemeinde Reinach 2021 ihre Steuern. Das beschloss der Einwohnerrat am Montagabend. Grund ist das mit 9,2 Millionen Franken grösste Defizit in der Geschichte.

Wenigstens schien sich der Einwohnerrat schwerzutun mit dem unpopulären Entscheid mitten in einer der schlimmsten Pandemien der letzten Jahrzehnte. «Wenn das Geld knapp ist, finden echte Debatten statt», kommentierte der Reinacher Gemeindepräsident Melchior Buchs die Redeschlacht an der 481. Einwohnerratssitzung vom Montagabend.
Wie schon beim letzten Termin, am 25. November, trafen sich Einwohnerrat und Gemeinderat wegen Corona statt im modernistischen Gemeindehaus im Ortskern in der Turnhalle des Schulhauses Weiermatten fernab des Zentrums. Die Halle bietet genug Platz, um die vom BAG geforderte Corona-Distanzregeln einzuhalten. Damit dies auch wirklich möglich ist, war die Öffentlichkeit einmal mehr nicht zugelassen. Dabei dürfte das Geschehen in der Turnhalle die Reinacher Einwohnerinnen und Einwohner durchaus interessieren.
Über die Verhältnisse gelebt
Mit 29 gegen 8 Stimmen hiess der Einwohnerrat einen Antrag von Planungskommission und Gemeinderat gut, die Einkommens- und Vermögenssteuer ab 2021 um 2 Prozent zu erhöhen. Neu gilt demnach ein Steuerfuss von 54,4 Prozent. Damit ist die Sache aber nicht erledigt. 2022 folgt eine weitere Erhöhung der Reinacher Steuern um 2,5 Prozent. Ein Appell des Gemeindepräsidenten, wegen der Corona-Krise die Steuererhöhung um ein Jahr zu verschieben und dafür statt gestaffelt auf einmal durchzuführen und ab 2022 4,5 Prozent mehr zu verlangen, fand im Einwohnerrat kein Gehör.
Denn Reinach stehe das Wasser mehr als nur bis zum Hals, wurde in der fast anderthalbstündigen Debatte mehrfach gesagt. «Die Lage ist dramatisch. Wir haben es zwanzig Jahre lang übertrieben mit Geldausgeben» sagte etwa Rainer Rohrbach (SVP). Grund der Aufregung ist der Jahres- und Entwicklungsplan 2021, der dem Gemeindeparlament an der Sitzung vom 23. November vorgelegt worden war. Darin rechnet die Gemeinde Reinach als Folge der Corona-Pandemie mit weiter sinkenden Steuereinnahmen und budgetiert für 2021 ein Defizit von rund elf Millionen Franken. Aufgrund der beschlossenen Steuererhöhung bleibt noch ein Minus von 9,2 Millionen Franken.
Die Gemeinde habe über ihre Verhältnisse gelebt. Sparen allein sei wegen der steigenden Kosten in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Alter und Soziales nicht genügend, hiess es vor drei Wochen. Eine Steuererhöhung sei unumgänglich.
Dieser stimmte der Einwohnerrat dann am Montagabend nach langer Debatte auch zu. Bei der Diskussion ging es vor allem darum, was den Reinacherinnen und Reinachern in diesem Corona-Jahr, in welchem so viele um ihre Existenz fürchten, überhaupt zuzumuten sei. «Es ist klar, dass wir die Steuern erhöhen müssen, aber nicht um so viel. Wegen Corona wird das Leben in Reinach teurer. Viele leiden wirtschaftlich. Der Mittelstand wird bluten», sagte etwa Katrin Joos Reimer von den Grünen. «Wir müssen jetzt handeln, das nächste Jahr wird nicht besser», betonte dagegen Sven Leisi von der FDP. «Wir müssen das Problem angehen.»
Wegen der Corona-Krise erfolgt die geplante Erhöhung nun gestaffelt, mit 2 Prozent im Jahr 2021 und 2,5 Prozent im Jahr darauf.
Sparanträge abgeschmettert
Die Steuervorlage war einer von drei Anträgen, über die das Reinacher Parlament am Montag entschied. Bei den beiden anderen Vorlagen ging es ums Sparen. So forderte Katrin Joos Reimer, auf den Planungskredit von 100'000 Franken für den Umbau des sogenannten Obrist-Hauses in ein «Haus der Musik» zu verzichten. Dagegen wandte sich Gemeinderätin Béatrix von Sury (CVP). Seit 2004 suche man ein Heim für die Reinacher Musikschule: «Noch immer ist die Musikschule dezentral verteilt. Das ist nicht würdig. Die Musikschule muss doch irgendwohin», sagte von Sury
Vom Rat ebenso abgelehnt wurde ein weiteres Sparbegehren zur Streichung von 500’000 Franken für den Ausbau des Reinacher Kabelnetzes. Die Haltung des Rates könne folgendermassen zusammengefasst werden, meinte Adrian Billerbeck (SVP): «Steuern rauf, sparen nein.»
In der Folge überwies der Rat dem Gemeinderat ein Postulat, gemäss welchem dieser prüfen solle, wie die Genauigkeit der Prognosen zu den Steuereinnahmen erhöht werden könnte, damit die Gemeinde nicht noch einmal die Überraschung eines Rekorddefizits erlebe.
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