Geldblog: Barrier Reverse ConvertiblesDie Produkte klingen oft zu gut, um wahr zu sein
8 Prozent Zins? Geldexperte Martin Spieler sagt, welches Risiko Anleger bei Multi Barrier Reverse Convertibles mit ins Depot holen.

Bei so ganzseitigen Inseraten bin ich immer etwas skeptisch, doch dasjenige zur Renditeoptimierung mit Barrier Reverse Convertible von Raiffeisen mit 8 Prozent Zinscoupon hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Was sagen Sie zu dieser Art von Optimierung? Die maximale Laufzeit von 2 Jahren käme mir gelegen. Da ich pensioniert bin, weiss ich nicht genau, wie viel ich 2024 Flüssiges brauche. Und bis dahin anlegen hat etwas Bestechendes – vor allem zur Renditeoptimierung. Ist solch eine Anlage ratsam? Oder sollte man die Finger davon lassen? Leserfrage von K.B.
Bei dem von Ihnen angesprochenen Multi Barrier Reverse Convertible auf Novartis, Roche, Swiss Life und Swiss Re mit Valorennummer Valor 117741764 handelt es sich um ein strukturiertes Produkt, das von Raiffeisen herausgegeben wird. Barrier Reverse Convertibles sind in der Schweiz weit verbreitet und beliebt und wurden während der Tiefzinsphase der letzten Jahre von vielen Privatinvestoren zur Renditeoptimierung insbesondere in Phasen mit eher seitwärts tendierenden Aktienmärkten genutzt. Der grosse Pluspunkt dieses Produkts ist der hohe Zinscoupon von 8 Prozent und die kurze Laufzeit von zwei Jahren.
Angesichts des hohen Zinsversprechens überlegt man sich zu Recht, wo der Haken ist, da man trotz dem Trend zu steigenden Zinsen weltweit auf Franken-Obligationen von Unternehmen mit guter Schuldnerqualität nach wie vor nur mickrige Zinsen bekommt und es auf dem Sparkonto meist gar keinen Zins gibt. Beim Zins jedenfalls liegt nicht der Haken: Der bei diesem Produkt ausgewiesene Zinscoupon von 8 Prozent ist fest und wird garantiert ausbezahlt. Wenn Sie dieses Produkt kaufen, können Sie sich darauf einstellen, dass Sie während der Laufzeit von zwei Jahren den versprochenen Zins von 8 Prozent pro Jahr tatsächlich bekommen.
Damit ist die Geschichte aber nicht zu Ende. Natürlich gibt es in Zeiten mit nach wie vor tiefen Zinsen einen derart hohen Zins nicht umsonst. Der Haken, wenn man es so nennen will, liegt an einem anderen Punkt: Wie es in der Produktbezeichnung ausgewiesen wird, ist dieses Finanzvehikel an die Entwicklung der vier SMI-Werte Novartis, Roche, Swiss Life und Swiss Re gekoppelt. Diese vier Aktien werden als Basiswerte bezeichnet. Je nach Entwicklung dieser vier Aktien während der Laufzeit entscheidet sich, ob Sie das investierte Geld nach zwei Jahren zum Nennwert von 100 Prozent zurückbezahlt bekommen oder ob Sie stattdessen eine der vier Aktien ausgeliefert erhalten.
Sie müssen sich einfach überlegen, was es für Sie bedeuten würde, falls Sie statt dem investierten Kapital nach zwei Jahren eine der vier Aktien ausbezahlt bekämen.
Wenn der Basiswert mit der schlechtesten Kursentwicklung über der bei der Herausgabe des Produkts festgelegten Barriere liegt oder diese auch nie berührt oder unterschritten hat, wird Ihnen am Ende der Laufzeit das investierte Kapital zurückbezahlt. Falls aber mindestens ein Basiswert während der Laufzeit auf oder unter der Barriere von 55 Prozent handelte und am Laufzeitende der Basiswert mit der schlechtesten Kursentwicklung auf oder unter der Barriere liegt, bekommen Sie eine Lieferung des Basiswertes mit der schlechtesten Kursentwicklung zum Ausübungspreis. Sie erhalten also ausgerechnet jene Aktie von den vier erwähnten Titeln, die sich während der Laufzeit am Schlechtesten entwickelt hat. Unter Umständen sitzen Sie dann auf einer Aktie, die im Keller ist und bei der es vielleicht einige Zeit braucht, bis sie sich wieder erholt.
Damit wird klar: Mit dem Multi Barrier Reverse Convertible auf Novartis, Roche, Swiss Life und Swiss Re haben Sie zwar einen festen Zins, der unabhängig von der Kursentwicklung des Basiswertes ausbezahlt wird, aber Sie tragen ein Anlagerisiko bezogen auf die Entwicklung der vier gekoppelten Basiswerte. Das Kapital ist weder am Laufzeitende noch während der Laufzeit geschützt. Im Falle des von Ihnen verfolgten Produkts von Raiffeisen ist allerdings positiv, dass die Barriere mit 55 Prozent recht tief angesetzt ist. Dies bedeutet, dass einer der vier Basiswerte um 45 Prozent oder mehr einbrechen müsste, damit Sie Ihr investiertes Geld nicht mehr zum Nennwert von 100 Prozent, sondern die schlechteste Aktie ausbezahlt bekommen.
Ein Einbruch von mehr als 40 Prozent ist an der Börse massiv, aber nicht unmöglich – erst recht nicht in turbulenten Marktphasen wie wir sie momentan erleben und wahrscheinlich noch längere Zeit durchmachen werden. Für Sparer, die hohe Sicherheit suchen und die das Risiko von Aktien nicht einschätzen können oder auch selbst noch nie eine Aktie besassen, kommen solche Instrumente aus meiner Sicht nicht infrage.
Wenn man aber selbst Aktien im Depot hat und sich auch bewusst ist, dass Aktien starken Kursschwankungen ausgesetzt sind und damit gut leben kann, ist ein solches Multi-Barrier-Reverse-Convertible-Instrument durchaus eine Anlagealternative. Sie müssen sich einfach überlegen, was es für Sie bedeuten würde, falls Sie statt dem investierten Kapital nach zwei Jahren eine der vier Aktien ausbezahlt bekämen. Ein Investment kommt für Sie somit nur infrage, wenn Sie die nötige Risikofähigkeit haben, auf den investierten Betrag nicht angewiesen sind und gut damit leben können, wenn Sie statt dem Geld eine weitere Aktie im Depot hätten.
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