Papablog: Hunde auf PatrouilleDie Polizei – ein Freund und Helfer?
Durch Bücher und Fernsehserien lernen unsere Kinder, die Polizei zu lieben. Aber sollten sie auch?

Anfang Juni ging es dem kleinen Chase an den Kragen. Der sprechende deutsche Schäferhund gehört zur «Paw Patrol» und gilt als grösster Star einer gleichnamigen animierten Fernsehserie aus Kanada. 167 Folgen sind seit 2013 entstanden: Chase tritt darin als Vertreter der Polizei auf und sorgt mit fünf weiteren Hilfstieren vom Feuerwehr- bis zum Bauarbeiterhund für Ordnung und gerettete Menschen in einem fiktiven nordamerikanischen Küstenstädtchen. Natürlich ist das Ganze irre erfolgreich: Längst gibt es Paw-Patrol-Schuhe, Paw-Patrol-Plüschtiere und sogar Paw-Patrol-Glace zu kaufen.
Paw Patrol unter Beschuss
Seit jedoch einmal mehr Proteste gegen Polizeigewalt und strukturellen Rassismus das Strassenbild von tatsächlichen nordamerikanischen Städten bestimmen, steht auch die Repräsentation der Einsatzkräfte im Unterhaltungsfernsehen auf dem Prüfstand. Selbst der Paw Patrol weht deshalb ein neuer, ungewöhnlich rauer Wind entgegen. Ist die Serie noch harmlose Kinderunterhaltung (mit nicht ganz harmlosem Suchtfaktor)? Oder kratzt sie mit ihren Darstellungen des smarten Problemlösers Chase bereits an der Grenze zur Polizeipropaganda?
«Defund Paw Patrol!», schrieb ein User im Juni auf Twitter, nachdem sich die Macher der Serie mit einem allzu kalkulierten Statement zur Black-Lives-Matter-Bewegung bekannt hatten. Ein anderer Nutzer forderte gar, den armen Chase einzuschläfern. Die Sticheleien gegen die Fernsehserie waren natürlich als Witz gemeint. Sie streiften jedoch ein ernstes Thema und führten in den USA sogar zu einer weit verbreiteten Falschmeldung über die Absetzung von «Paw Patrol».
TV- und Filmproduktionen zeichnen im Jahr 2020 noch immer ein vornehmlich positives Bild der Polizei: vom liebenswert trotteligen «Rosenheim Cop» über geniale Instinktermittler bis zur putzigen Paw Patrol. Handyaufnahmen von Polizeieinsätzen aus aller Welt belegen indes, dass die Realität häufig anders aussieht: von racial profiling über Machtmissbrauch bis zum tödlichen Gewaltausbruch. Wann und wie sollte man den eigenen Nachwuchs mit diesem Widerspruch konfrontieren?
Kinder lieben die Polizei
Um das Offensichtliche noch einmal zu erwähnen: Kinder lieben die Polizei. Sie spielen mit Polizeiautos, Handschellen und Plastikpistolen, sie verkleiden sich zur Fasnacht als Polizisten, und sie begeistern sich für Fernsehserien wie «Paw Patrol». Wer könnte es ihnen verübeln? Polizeisirenen sind laut, Polizeiuniformen sehen imposant aus, und Polizeibeamte scheinen auf ehrenwerte Weise für Recht und Ordnung einzustehen. An unübersichtlichen Strassenkreuzungen, aber eben auch in zahllosen Kinderbüchern, -serien und -filmen.
Hört man sich im Buchhandel um, spricht mit Kita-Erzieherinnen oder recherchiert selbst im Internet, entsteht ein konsistentes Bild. Nahezu alle kindgerechten Lehr- und Entertainment-Angebote über die Polizei bestärken das Klischee vom Wachtmeister als Freund und Helfer. Fragen zu Macht, Verantwortung und möglichen Fehltritten bleiben aussen vor. Stattdessen gibt es Erklärbücher über Einsätze und Fahrzeuge der Polizei sowie Heldengeschichten über Männer in Uniform, die für Sicherheit und ein geregeltes Miteinander sorgen.
Das ist nicht ungewöhnlich. Die meisten Kinderbücher und -filme zeigen Idealzustände, mit denen die Realität nur selten Schritt halten kann – ganz gleich, ob es um Flughafenmanagement, Körperhygiene oder die Polizei geht. Eine Ausnahme markiert das bisher nur auf Englisch erhältliche Buch «Something Happened in Our Town» von Marianna Celano, Marietta Collins und Ann Hazzard. Die Autorinnen erzählen darin von einem Polizisten, der einen schwarzen Mann erschiesst, und arbeiten das Geschehen aus der Perspektive einer schwarzen und einer weissen Familie auf. Neben der eigentlichen Geschichte, die sich an vier- bis achtjährige Kinder richtet, enthält das Buch auch Tipps für Eltern zur kindgerechten Aufklärung über Polizeigewalt und Rassismus.
Gesunde Skepsis tut gut
Die Psychologin Dr. Adrienne Clark hält diese Aufklärungsarbeit erst bei Sechsjährigen für sinnvoll. In einem Interview mit dem US-amerikanischen National Public Radio warnte sie davor, Grundschulkinder mit der Thematik zu überfordern. Stattdessen sollten Eltern auf die essenzielle Arbeit der Polizei hinweisen, aber auch erklären, dass es im Rahmen von Polizeikontrollen mitunter zu gefährlichen Vorfällen komme. Dass diese Vorfälle häufig mit racial profiling und anderen rassistischen Praktiken zu tun haben, empfiehlt Clark erst ab einem Alter von zehn Jahren zu thematisieren. Historische Beispiele und das oben erwähnte Buch könnten dabei behilflich sein.
Wer aus mitteleuropäischen Elternaugen auf die Welt blickt, hält diese Aufklärungsansätze womöglich für übertrieben. Es wäre jedoch naiv, polizeilichen Rassismus als rein amerikanisches Problem abzutun. In Deutschland etwa häufen sich derzeit Meldungen über Polizeibeamte, die rechtsextremen Netzwerken angehören oder solche innerhalb ihrer Einheiten aufbauen. Racial profiling ist zwar (wie auch in den USA) verboten, gilt aber dennoch als weit verbreitete Praxis.
Schon deshalb erscheint es angebracht, im Umgang mit der Polizei eine gesunde Skepsis an den Tag zu legen – und diese Skepsis auch an die eigenen Kinder weiterzugeben. Niemand muss nun gleich dafür kämpfen, «Paw Patrol» aus dem Fernsehprogramm zu verbannen. Fürs Erste reicht ein Hinweis darauf, dass nicht jeder Polizist so vorbildlich ermittelt wie Chase, der sprechende deutsche Schäferhund.
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