
Der Basler Polizeikommandant und damit auch seine Chefin Stephanie Eymann werden derzeit von linker Seite hart angegriffen. Dies reicht bis zu Rücktrittsforderungen an die Adresse des Kommandanten. Derweil gratuliert die LDP auf der anderen Seite den Verantwortlichen und den Polizeikräften für ihr Verhalten. Gestritten wird über die Verhältnismässigkeit des Polizeieinsatzes während der Demonstration zum Internationalen Tag der Frau am 8. März, bei dem auch Gummischrot verwendet wurde.
Demonstrationen sind nicht nur für die Parteien, sondern auch für die ganze Bevölkerung zum Zankapfel geworden. Die einen pochen auf das Recht auf Meinungsfreiheit, die anderen sehen ihre Freiheiten eingeschränkt, wenn am Samstag der Tramverkehr in der Innenstadt blockiert ist. Hier nur ein Erlebnis am Rande, das ich selber während einer Demo hatte. An der Schifflände kam ich mit einer älteren Dame ins Gespräch, die in Tränen aufgelöst war, weil sie nicht wusste, wie sie jetzt nach Hause kommen kann, wenn stundenlang kein Tram fährt. Es ist schon seltsam, wenn sogenannte Gutmenschen solche kleinen Dramen in Kauf nehmen, weil sie ja angeblich für eine grössere Sache kämpfen. Sie sind wohl der Meinung, die alte Frau solle einfach zu Hause bleiben, wenn eine Demonstration angekündigt sei. Der Respekt vor dem Mitmenschen geht dabei verloren.
Die Zahl der Demonstrationen ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Baschi Dürr, der Vorgänger von Stephanie Eymann als Vorsteher des Justiz- und Sicherheitsdepartementes, hat das Problem weitgehend stillschweigend ausgesessen. Dafür wurde er mit seiner Abwahl belohnt. Stefanie Eymann hat bei ihrer Wahl angekündigt, hier einen härteren Kurs zu fahren, und das tut sie jetzt auch. Natürlich ist Repression keine Lösung, und die Verhältnismässigkeit der Mittel während eines Polizeieinsatzes darf hinterfragt und muss in Extremfällen auch genau geprüft werden.
Wenn jedoch nur einen Tag nach einem solchen Polizeieinsatz eine Rücktrittsforderung erhoben wird, ohne dass eine Aufarbeitung der Vorfälle überhaupt eingeleitet worden ist, kann nicht von einem politisch seriösen Vorgehen gesprochen werden. Das erinnert da schon eher an den Shitstorm, der heute in den sozialen Medien sofort bei jeder Nichtigkeit losgeht, ohne dass die meist anonymen Schreiber überhaupt recht wissen, um was es eigentlich geht.
Der Tadel von links, das Lob von rechts sind Mechanismen, die genauso umgekehrt spielen. Als die abgewählte Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann mehrmals wegen sichtlicher Überforderung im Amt von bürgerlichen Kreisen kritisiert wurde, stellten sich die linken Parteien demonstrativ und meist auch gegen besseres Wissen hinter die Politikerin aus dem eigenen Lager.
Solche Mechanismen werden aber von der breiten Bevölkerung durchschaut, und sie fördern die akute Politikverdrossenheit nur noch mehr. «Linke wie Rechte sind doch alle gleich», heisst es dann pauschal, und die Parteien bestärken mit ihrem Verhalten solche Vorurteile geradezu.
Die nächste Demo kommt bestimmt. Spätestens am 14. Juni, wenn wiederum zum Frauenstreik aufgerufen wird. Hier sollten die Parteien aller Lager zusammen mit den Sicherheitskräften den Diskurs im Voraus suchen und nicht einfach im Nachhinein Schuldzuweisungen erheben. Wie schon letztes Jahr fällt der Frauenstreik mitten in die Woche der Art Basel. Die Stadt möchte sich in diesem Jahr im Hinblick auf die Konkurrenz in Paris von ihrer besten Seite zeigen. Deshalb muss sie vorbereitet sein und nicht in ein Chaos verfallen wie vergangenes Jahr. Eigentlich sollte es doch möglich sein, dass die Ausübung demokratischer Grundrechte auch während einer Kunstwoche möglich ist, ohne dass der öffentliche Verkehr zusammenbricht und es zu Krawallen kommt.
Natürlich wäre es blauäugig, zu meinen, mit vermehrten Gesprächen und dem gemeinsamen Suchen nach Lösungen könne jede Krawalldemo verhindert werden. Aber die Parteien sollten zumindest wieder beginnen, aufeinander zuzugehen, miteinander zu reden und vielleicht sogar mögliche Übereinstimmungen zu finden, statt nur über Medienmitteilungen zu kommunizieren.
Raphael Suter ist Direktor der Kulturstiftung Basel H. Geiger.
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Diskussionen um Demos – Die Parteien sollten wieder aufeinander zugehen
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