Die neuen Alten fahren auf Luxusgüter ab
In der Schweiz halten die über 50-Jährigen mehr als drei Viertel des Gesamtvermögens. So beginnt in der Konsumwelt das Seniorenalter bereits mit 50. Und die Senioren sind in Kauflaune.
In der Konsumwelt beginnt das Seniorenalter bereits mit 50. Händler, Hersteller und Werber stehen vor der Herausforderung, die 50plus-Generation mit den richtigen Botschaften und Produkten in Kauflaune zu halten – ein schwieriges aber lukratives Unterfangen.
Die neuen Alten sind zahlreicher und wohlhabender als die alten Alten. Die über 50-Jährigen machen in der Schweiz rund 35 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Bis 2020 wird ihr Anteil gar auf 40 Prozent steigen. Ein Merkmal der sogenannten Generation 50plus: Sie ist in der Regel ziemlich vermögend.
AHV-Rentner in Städten wie Basel, Bern, Zürich oder St. Gallen besitzen ein Durchschnittsvermögen von mehr als einer halben Million Franken. Jedes fünfte Rentnerpaar hat mehr als eine Million Vermögen. Zusammen halten die über 50-Jährigen mehr als drei Viertel des Gesamtvermögens. Sie verfügen über eine enorme Kaufkraft, die in Zukunft weiter wachsen wird.
«Die Konsumdominanz der über 50-Jährigen ist deshalb vorgezeichnet, und ihre Bedürfnisse wollen ernst genommen werden», sagt Trendforscher Daniel Staib vom Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI).
Der deutsche Unternehmensberater und Buchautor Hans-Georg Pompe hat sich auf die Konsumbedürfnisse der 50plus-Generation spezialisiert. Er bezeichnet sie als die «kaufkräftigste Zielgruppe aller Zeiten». Und er liefert den Marketingstrategen und Detailhändlern Rezepte, wie sie die wohlhabenden älteren Menschen oder Best Age Shoppers gewinnen können.
«Mit austauschbaren Produkten und klassischen Marketingkonzepten lassen sich die 50plus-Kunden nicht ködern», stellt Pompe gleich selber klar. Untauglich seien auch Produkte, mit denen Menschen ihr fortgeschrittenes Alter outen müssten, wie zum Beispiel Seniorenteller in Restaurants. «50plus-Kunden sind nicht Greise, die sich nur für Gebissreiniger, Hörgeräte, Sehhilfen und Treppenlifte interessieren und mit dem Gehwagen zum Seniorenkränzchen unterwegs sind», korrigiert Pompe gängige Vorurteile. Mehr als die Hälfte der über 50-Jährigen erfreue sich einer exzellenten Gesundheit und führe ein aktives Leben. Sie kaufe grösstenteils nichts anderes als die jüngeren Konsumenten.
Allerdings beobachtet Pompe einen wesentlichen Unterschied beim Kaufverhalten. «Die 50plus-Kunden reagieren besonders sensibel auf weiche Faktoren. » Sie erwarteten im Vergleich zu jüngeren Käufern vom Personal mehr Verständnis, Wertschätzung und Einfühlungsvermögen.
Entscheidende Faktoren an der 50plus-Verkaufsfront werden folglich Bedienung und Service. «Wohnzimmeratmosphäre ist erwünscht, und die 50plus-Kunden schätzen nette Gesten wie etwa einen Kaffee oder Prosecco», so Pompe. Wenn alles stimme, könne ein 50plus-Kunde extrem konsumfreudig sein. Das «Wie» in der Beziehung zum Kunden werde letztlich über den Markterfolg entscheiden. Selbstverständlich sollten die Produkte auch benutzerfreundlich, funktional und sicher sein. Geschätzt werden von älteren Konsumenten etwa gut lesbare Beschriftungen, leicht zu öffnende Verpackungen und einfache Bedienbarkeit.
In der Praxis tun sich die Marketingstrategen allerdings schwer damit, die älteren Konsumenten zu erreichen. Denn 50plus ist nicht einfach gleich 50plus. Im Vergleich zu jüngeren, entwickeln ältere Menschen ausgeprägtere Bedürfnisse in den Bereichen Finanzen, Freizeit, Medien, Lifestyle, Gesundheit und Wohlbefinden.
Allein mit weichen Faktoren kann den speziellen Wünschen nicht Rechnung getragen werden. Gefragt sind innovative Produk- te und Angebote. «Zusätzliche Marktsegmente tun sich auf, etwa für Unabhängigkeit und Kompensation der altersbedingten Defizite und für die sich wandelnden Lebensinteressen», so Staib. Faktisch heisst das: Ältere Menschen sind eine besonders wichtige Zielgruppe für Gastronomen, Reiseveranstalter, Vermögensverwalter, für die Hersteller von teurer Kleidung, von Luxusgütern und Kosmetika, aber auch für Produzenten von Medikamenten, von Brillen und Hörgeräten.
Gewisse Firmen decken solche Bedürfnisse längst ab. Kosmetikhersteller haben für die Frau ab 50 speziel-le Hautpflegemittel entwickelt. Wrigley bietet Prothesenträgern einen Kaugummi an, der garantiert nicht an den Zähnen klebt. Reiseveranstalter richten sich darauf aus, dass ältere Menschen oft und gerne und am liebsten mit dem Schiff oder Reisebus unterwegs sind. Die 50plus-Generation sorgt für über 40 Prozent des Umsatzes in der Reisebranche und sie stellt vier Fünftel aller Passagiere auf Kreuzfahrten.
Fitnesscenter offerieren Krafttrainings für sportliche Seniorinnen und Senioren. Die Veloindustrie peilt mit besonders komfortablen und bedienungsfreundlichen Zweirädern die älteren Velofahrer an. Inzwischen gehen von den in der Schweiz jährlich verkauften 300 000 Velos rund 100 000 an die 50plus-Generation, die im letzen Jahr dafür mehr als 200 Millionen Franken ausgegeben hat. Auch in der Banken- und Versicherungsbranche ist der Kampf um die älteren Kunden mit den goldenen Möglichkeiten voll entbrannt. Swiss Life hat seit März einen auf die über 50-Jährigen spezialisierten Online-Berater im Einsatz. Die Helvetia schnürt mit Terzavita gleich ein Bündel von Dienstleistungen.
Andere Branchen wiederum haben noch grossen Nachholbedarf. «Design muss sich der Demografie anpassen», mahnt Pompe. Damit tun sich aber Autohersteller schwer, obwohl ältere Männer zu den fleissigsten Käufern von teuren Neuwagen gehören.
Doch auf Sehprobleme und steife Gelenke nahmen die Designer bislang kaum Rücksicht. Eher zufällig und mit spöttischem Unterton gilt der Geländewagen Cayenne von Porsche als erstes Seniorenauto, wegen der extrabreiten Türen und der rückenfreundlichen Sitze. Auch die Schweizer Tourismusbranche hat ihr Herz für Senioren noch nicht richtig entdeckt. Die Hoteldirektoren argumentieren damit, dass Senioren nicht als Senioren angesprochen werden wollten, erst recht nicht in den Ferien. Anderseits operieren gerade Beherbergungsbetriebe äusserst profitabel – Beispiel Österreich –, die sich gezielt auf ältere Gäste ausrichten.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch