Die Nabelschnur verschwindet
Für das Aufladen des Akkus sind drahtlose Geräte immer noch auf Kabel mit winzigen Steckern angewiesen. Bequemer ist die kabellose Stromversorgung, bei der es genügt, das Handy auf das Ladegerät zu legen.

Die Zahnbürste machte den Anfang. Wenn der Akku der elektrischen Philips Sonicare leer ist, stellt man die Bürste in ein spezielles Glas. Ohne Steckerchen oder empfindliche Kontakte wird sie mit Strom versorgt. Die Übertragung der Energie läuft nicht über Stromleiter, sondern über elektromagnetische Wellen, wie im Funkverkehr. Dieses Verfahren gibt es auch für Handys. Praxisreif ist die kabellose Stromversorgung von Küchengeräten, Fernsehapparaten, Herzschrittmachern und von Elektroautos. Es gibt Branchenanalysten, die in der drahtlosen Stromversorgung eine kommende Selbstverständlichkeit sehen.
Wer in seiner Jugendzeit mit dem Elektronikbaukasten experimentiert hat, erinnert sich ans Detektorradio. So ein Empfänger war einfach zu basteln. Ohne Batterie und Netzanschluss liess sich das Programm von Mittelwellensendern hören. Die mit einem Draht aufgefangene Energie genügte für den Betrieb eines Kopfhörers. Mittelwellensender sind inzwischen in Europa so gut wie ausgestorben, doch das Prinzip des Detektors lebt bei der kontaktlosen Energieversorgung neu auf. Auch die RFID-Chips in elektronischen Etiketten oder Ausweisen werden drahtlos mit Energie versorgt und brauchen keine Batterie.
Das Geheimnis heisst bei der Zahnbürste wie beim Detektorradio Induktion. Strom, der durch eine Spule geleitet wird, erzeugt ein elektromagnetisches Feld. Es wird von einer benachbarten Spule aufgefangen und wieder in Strom umgewandelt. Beim Detektorradio wird ganz wenig Strom über eine Distanz übertragen. Beim induktiven Ladegerät ist viel Strom erwünscht, doch die Distanz ist gering. Ein direkter, jedoch nicht elektrischer Kontakt ist bei den drahtlosen Handy-Ladegeräten derzeit üblich. Das Telefon wird auf eine kleine Matte gelegt, die die Sendespule enthält. Im Auto bieten Luxushersteller ein Extrafach an, in das das Handy zum Aufladen hineingelegt wird.
Energiesender für ganze Räume
Elektronikhersteller haben auch schon demonstriert, dass die Induktion Distanzen von 50 bis 100 Zentimetern überbrückt. Wie eine WLAN-Basisstation könnten künftig Energiesender ganze Räume versorgen. Smartphones, Tablets und Radios bräuchten kein Netzkabel mehr. Herstellern von Hausgeräten schwebt vor, ganze Tischplatten als Induktionssender auszugestalten. Die Wärmeplatte, der Toaster, der Mixer oder der Eierkocher könnten irgendwo stehen und ihren Strom drahtlos zapfen. Der Kochherd kann das – sofern es denn ein Induktionsherd ist – schon längst.
Bei Elektrofahrzeugen setzt die Industrie ebenfalls auf induktive Systeme. Das Auto wird geladen, sobald es auf einem entsprechend ausgerüsteten Parkfeld abgestellt wurde. Das Hantieren mit Steckern und Kabeln entfällt. Elektrische Autobusse können sich auf diese Weise von Haltestelle zu Haltestelle hangeln, ohne schwere Batterien für die ganze Fahrt mitführen zu müssen. Wenn das Gewicht des Akkus Probleme verursacht, so sagen sich die Ingenieure, dann lädt man halt in kurzen Abständen nach. Damit kann der Akku klein gehalten werden, das Gerät – auch ein Handy – wird leichter und billiger. Designzwänge durch den Akku entfallen, und das Gehäuse liesse sich staub- und wasserdicht versiegeln, denn Steckverbindungen würden nicht mehr benötigt. Auch flexible Gehäuse sind denkbar, wenn die Batterie sich dünn macht.
Geräte, die mit wenig Stromvorrat auskommen müssen, benötigen viele Gelegenheiten zum Nachladen. Für Handys und Gadgets sollen Büroleuchten mit Aufladeflächen ausgerüstet werden. In Sitzungsräumen, Hotelzimmern und in Restaurants liessen sich die flachen Aufladeplatten gut in Tische integrieren. Ein Ruhekissen, auf dem das Handy im Schlaf Strom nachtankt, ist bereits erhältlich. Der Benutzer soll sich über den Ladezustand der Akkus keine Gedanken mehr machen müssen. Sobald er das Gerät hinlegt, wird drahtlos nachgeladen. Vorausgesetzt natürlich, diese neuartigen Ladestationen sind überall vorhanden. Und vorausgesetzt auch, dass jedes Geräte zu allen Ladestationen passt.
Immer mehr Smartphones werden mit induktiver Aufladung angeboten. Es ist bislang nicht so, dass man das Handy auf der Ladestation der Zahnbürste wird nachladen können. Drei Konsortien grosser Unternehmen aus der Elektronikbranche arbeiten an einem Standard. Zwei haben sich inzwischen angenähert, was die Zahl der diskutierten Standards auf zwei reduziert. Sie unterscheiden sich in der Technik. Es wäre aber möglich, Energieempfänger für beide Verfahren zu bauen. Die Branche bemüht sich – als gebranntes Kind –, die Neuheit markenübergreifend einzuführen.
Der Weg zur Weltnorm
Auf dem Markt bereits vertreten ist das ältere der beiden Verfahren. Es wird seit 2008 vom Wireless Power Consortium (WPC) propagiert und unter der Marke Qi (sprich: Tschi) vermarktet. Untergruppen dieser Industrieorganisation befassen sich mit drahtlosen Energiesystemen fürs Auto und die Küche. Zwei weitere Industrieorganisationen, die eine modernere Technik propagieren, heissen Alliance for Wireless Power und Power Matters Alliance. Sie haben sich kürzlich zusammengetan und kämpfen gemeinsam um eine Weltnorm.
Jede der zwei Gruppierungen zählt prominente Hersteller zu ihren Mitgliedern, manche Unternehmen machen auf beiden Seiten mit. Die Gefahr, dass jede Marke ein eigenes System aufbaut, scheint gebannt. Beim Kauf eines Smartphones kann man sich schon jetzt überlegen, auf den Qi-Standard zu setzen. Einige Geräte haben ihn eingebaut, bei anderen lässt er sich nachrüsten. Passende Ladestationen sind lieferbar. Auf www.kabellose-ladegeraete.de findet sich eine Übersicht.
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