Arzt über Long-Covid-Symptome«Die Mehrheit der Erkrankten wird wieder ganz gesund»
Pietro Antonini ist der verantwortliche Arzt der Privatklinik Moncucco bei Lugano. Er kennt die Auswirkungen auf Menschen, die länger unter den Corona-Nachwirkungen leiden.

Sie sind tagsüber müde, haben Mühe mit der Lungenleistung oder leiden unter einem veränderten Geschmacks- und Geruchssinn: So beschreibt Pietro Antonini den typischen Long-Covid-Patienten. Im vor wenigen Wochen eröffneten Ambulatorium der Privatklinik Moncucco in Lugano betreut der verantwortliche Arzt gemeinsam mit Physiotherapeutinnen und Fachärzten rund 30 erkrankte Menschen, die an den Nachwirkungen von Corona leiden.
«Die meisten Long-Covid-Patienten leiden an einem bis drei Symptomen», sagt Antonini auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Zu den häufigsten gehöre die anhaltende Müdigkeit: «Manche müssen sich tagsüber hinlegen und schlafen dann bis am nächsten Tag durch», erzählt der leitende Arzt am Telefon.
Andere wiederum müssten alles aufschreiben, da sie es sonst vergessen. Auch ein verändertes Geruchs- und Geschmacksempfinden sei ein häufiges Symptom. «Einige haben dadurch die Freude am Essen verloren und sind stark abgemagert», sagt Antonini. (Lesen Sie auch zu diesem Thema: Wird Long Covid zur Modediagnose?).
Relativ junge Personen
Das Anfang Mai eröffnete Ambulatorium der Luganeser Privatklinik Moncucco hat sich zum Ziel gesetzt, an Long Covid leidende Personen fachübergreifend zu betreuen. «Long Covid betrifft mehrere Systeme im Körper. Deshalb wollen wir die Symptome mit verschiedenen Spezialisten diskutieren», erklärt Antonini.
Mit einbezogen in die Therapie werden unter anderem Neurologen, Neuropsychologen, Lungenärzte, Herzspezialisten, Hals-Nasen-Ohrenärzte, Endokrinologen und Physiotherapeuten. Die Patienten und Patientinnen im Long-Covid-Ambulatorium seien mit 25 bis 60 Jahren «relativ jung», sagt Antonini. Auch Teenager könnten am Long-Covid-Syndrom erkranken, auch wenn dies eher selten vorkomme, wie der Arzt erklärt.
Nach einer detaillierten Anamnese durch die einzelnen Spezialärzte folgt ein engmaschiger ambulanter Therapieplan. Die meisten der knapp 30 Erkrankten in Lugano bräuchten Physiotherapie, um ihre Muskeln wiederaufzubauen, erzählt Antonini. Üblich sei in den ersten Wochen der Betreuung täglich eine Stunde Physiotherapie. Später würden die Patienten und Patientinnen ihre Übungen zu Hause durchführen.
Veränderungen in der Lunge
Daneben brauche es bei vielen eine pulmonale Rehabilitation – anders ausgedrückt: das Therapieren von Lungenproblemen. Manchmal komme es nach einer heftigen Infektion mit dem Coronavirus zu sogenannten fibrotischen Veränderungen der Lunge, erklärt der Arzt. Bei einer Lungenfibrose kommt es zu chronischen Entzündungen des Lungenbindegewebes. Diese Entzündung führt dazu, dass sich im Atmungsorgan Bindegewebe vermehrt, verhärtet und vernarbt – oder eben «fibrosiert», wie es im Fachjargon heisst.
Die Fibrose schränkt die Funktion der Lunge ein und führt dazu, dass der Sauerstoff schlechter in die Blutgefässe gelangen kann. Dadurch wird die Sauerstoffaufnahme vermindert. Viele Menschen, die an einer Lungenfibrose leiden, zeigten eine höhere Infektanfälligkeit, erklärt Antonini. Trotzdem betont der Arzt, dass nur sehr wenige Patienten und Patientinnen wirklich schwere Lungenschäden davontrügen.
Während die einzelnen Fachärzte den Therapieplan vorgeben und die Anamnese durchführen, behält Antonini das grosse Ganze im Auge: Er führt das Eintrittsgespräch durch und zieht nach drei Monaten Bilanz. Was hat sich bei der Patientin verändert? Welche Symptome sind zurückgegangen? Welche sind geblieben?
«Die grosse Mehrheit der Erkrankten wird wieder ganz gesund», resümiert Antonini. Trotzdem blieben bei manchen von ihnen «einzelne Probleme» zurück, wie er sagt. «Vielleicht ist die Form beim Joggen nicht mehr ganz dieselbe wie vorher», nennt der Arzt ein Beispiel.
Trotzdem ist Antonini grundsätzlich optimistisch, was die Prognose seiner Patienten und Patientinnen betrifft: «Ich bin überzeugt, dass die meisten nach ein bis zwei Jahren zu einem gesundheitlichen Gleichgewicht zurückfinden werden.» (Vgl..: «Die psychischen Störungen nach milden Corona-Infektionen sind auffällig»).
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