Die Medienrevolution kommt sowieso
No Billag ist zwar Geschichte, doch drei offene Fragen zu Inhalt und Finanzierung der SRG bleiben.

No Billag war die erste liberale Volksinitiative, über die in der Schweiz abgestimmt wurde. Zum ersten Mal haben freiheitliche Kreise zu diesem Mittel gegriffen und die ideologische Grundsatzfrage von Zwang oder Freiheit gestellt. Das Mittel der Initiative war bisher bloss bei der Linken in Gebrauch.
Das Resultat ist klar, und es war schon im letzten Herbst absehbar. Nur gut 28 Prozent sind der Meinung, dass die Menschen selber entscheiden dürfen, für welche Medien sie Geld ausgeben und für welche nicht. Angesichts der Macht (und des Geldes) des Status quo ist das ein Achtungserfolg. Die Initiative hat die Debatte erzwungen, die von Medienministerin Doris Leuthard und der SRG versprochen worden war, aber nie stattgefunden hat.
Mit dem Nein sind die Grundsatzfragen nicht vom Tisch. Das sagte sogar SRG-Generaldirektor Gilles Marchand gestern vor den Medien. «Wir stehen am Anfang einer Debatte», liess er – sichtlich erleichtert – verlauten. Allerdings genügen die Brosamen an Zugeständnissen, welche die SRG an einer Medienkonferenz offerierte, mitnichten als Antwort auf die drei offenen Fragen, nämlich was genau Service public ist, von wem er wie finanziert wird und wer das Geld erhält.
Bürgerliche Vorstösse
SVP und FDP haben Vorstösse angekündigt, die unweigerlich zu den nächsten Debatten über die SRG führen werden. Im Kern geht es darum, genauer abzugrenzen, was staatlich finanziert werden soll und was nicht. Selbst Teile der CVP haben – anders als CVP Bundesrätin Doris Leuthard – wieder zurück zu christdemokratischer und liberaler Ordnungspolitik gefunden, dass der Staat nur finanzieren soll, wozu Private nicht in der Lage sind. Die SP will umgekehrt die Gelegenheit nutzen, ganz ihrer Ideologie entsprechend, den Medienbereich vollständig unter die Fittiche und in Abhängigkeit des Staates zu bringen.
Was die Finanzierung des Service public, die erste offene Frage, angeht, kommt seitens der Bürgerlichen die Gebührenhöhe wieder aufs Tapet. Die für 2019 angekündigten 365 Franken pro Jahr («ein Franken pro Tag») zeigen vor allem, wie willkürlich Bundesrätin Leuthard die Gebührenhöhe berechnet. Ebenso dürfte erneut diskutiert werden, wieso Unternehmen überhaupt Mediensteuer bezahlen müssen, obwohl alle Menschen, die dort ein und ausgehen, diese schon einmal bezahlt haben.
Was den Inhalt betrifft, die zweite offene Frage, hat die SRG gestern bereits angekündigt, dass sie die Hälfte ihrer Mittel in die Information stecken will. Das steht allerdings schon im Service-public-Bericht des Bundes. Unter Druck kommen die Unterhaltung mit eingekauften Serien und Formaten, bei denen es immer schon fragwürdig war, ob und was sie denn genau zur «Demokratie» oder gar zur «Schweiz» beitragen. Angesichts der Beteuerungen, wie wertvoll die SRG für die Demokratie sei, sind aber 50 Prozent von 1,2 Milliarden Franken Gebühren deutlich zu wenig für die Information.
Die inhaltliche Diskussion darf nicht dort stehen bleiben. Der Beitrag eines staatlichen Service public zur Demokratie ist nur gegeben, wenn er möglichst weit verbreitet wird. Die SRG müsste also, wenn die Beteuerungen der Gegner von No Billag ernst genommen werden, zu einer Nachrichtenagentur für audiovisuelle Inhalte werden, die von allen anderen, also den Privaten, kostenlos verwendet werden dürfen. Dann ist es auch kein Problem, wenn sich die SRG im Online-Bereich in Zukunft zurückhalten muss, weil dieser Bereich von den Privaten bereits ausreichend abgedeckt wird. Die Inhalte der SRG würden auf den Online-Kanälen der Privaten verbreitet.
Zur inhaltlichen Diskussion gehört aber auch die Debatte über die ideologische Schlagseite der SRG. Wenn sich 70 Prozent der Journalisten selbst als links der Mitte verorten, dann fehlt dem Informationsangebot die ideologische Vielfalt, damit der Service Public tatsächlich etwas zur Demokratie beitragen kann. Man erkennt den Linksdrall beispielsweise daran, dass die Flaggschiffe von SRF, wie die «Tagesschau», «10vor10 «oder die «Rundschau» keine harten Recherchen gegen SP-Bundesräte durchführen. Investigativer Journalismus in alle Richtungen ist nur möglich, wenn eine Redaktion alle politischen Richtungen in sich vereint. Man könnte dies mit Quoten in den Redaktionen einfordern.
Wettbewerb gegen Schlagseite
Funktionieren würde das nicht. Der bessere Weg ist, einen publizistischen Wettbewerb herzustellen. Damit sind wir bei der dritten Frage, wer das Geld aus der Mediensteuer bekommen soll. Statt magere sechs Prozent der Gebühren an zahlreiche kleine lokale Sender zu vergeben (die dann, wie Telebasel, oft mit den Regierenden verfilzt sind), sollte ein zweites, nationales, mehrsprachiges Informationsangebot finanziert werden, dessen Inhalte wiederum allen Privaten zur Verfügung gestellt würden. Das – und nicht der bestehende linke Einheitsbrei von SRF – wäre Medienvielfalt, welche Demokratie und Land gut tun würde. Man könnte Aufträge für ganze Sender oder einzelne Sendungen ausschreiben, sollte dabei aber einen Teil der Mittelvergabe an die Zahl der tatsächlich erreichten Zuschauer knüpfen. Denn nur Programme, die geschaut werden, leisten etwas für die Demokratie.
Geschieht dies alles auch nach dieser Abstimmung, so wie nach dem Urnengang über das Radio- und Fernsehgesetz von 2015, nicht oder nur kosmetisch, dürfte es bald wieder eine Volksinitiative geben, welche die Finanzierung der SRG in Frage stellt. Aber vor allem werden sich noch viel mehr Menschen von der SRG abwenden als schon heute. In ganz Europa haben die Staatssender an Glaubwürdigkeit und Zuschauern verloren, weil sie nicht die vielfältige Debatte leisten, zu der sie eigentlich da wären, sondern weil sie der sie finanzierenden Bevölkerung vorschreiben wollen, was sie zu denken hat. Die Medienrevolution kommt sowieso, die Frage ist nur wie.
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