Die Mär vom Mehrverkehr
Jährlich erlebt die Schweiz eine Zuwanderung von 60'000 bis 100'000 Personen. Dieses Bevölkerungswachstum sorgt für mehr Verkehr, nicht die neuen Strassen, wie die Linke immer wieder behauptet.

Immer wenn der Bau einer neuen Strasse wie des Westrings – einer vierspurigen Autobahn um den Süden von Basel mit Anschluss an die Nordtangente – ins Auge gefasst wird, wird losgehupt wie auf überfüllten Kreuzungen: «Neue Strassen schaffen in erster Linie zusätzlichen Autoverkehr.» Das schreiben diesmal 14 Grossräte aus den Reihen der SP, der Grünen und der Grünliberalen, die in einem politischen Vorstoss ein Westring-Planungsverbot fordern, das einem eigentlichen Denkverbot für die Lösung der Stauprobleme in der Region Basel gleichkommt. Es ist ihnen zuzutrauen, dass sie morgen im Grossen Rat mit ihrem demagogischen Argument reüssieren.
Dass Strassen zusätzlichen Verkehr erzeugen, ist die Mär des letzten Jahrhunderts und wird durch gebetsmühlenartiges Wiederholen nicht wahrer. Als ob Autofahrer heute Lust hätten, sich auf neuen Strassen im Stau zu wälzen und Krankenwagen zu behindern. Als ob Fahrzeuglenker das Erlebnis einer Spazierfahrt in einem Tunnel suchen, um für die Statistik neuen Verkehr zu erzeugen. Nein, wer sich heute in die Blechlawinen begibt, hat eine Notwendigkeit vorzuweisen – zugegebenermassen sind die Begründungen, warum ein Lenker das Auto wählt, manchmal etwas dünner, meist aber gut begründet. Sei es als Handwerker, der Gipsplatten ans Ziel zu karren hat, oder als Verwandter, der die gehunfähige Grossmutter in die Therapie chauffieren sollte.
Es lohnt sich deshalb, sich mit der wahren Herkunft des Mehrverkehrs auseinanderzusetzen. In erster Linie, so rechnen die Ökonomen vor, korreliert Verkehr nicht mit neuen Strassen, sondern mit dem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Und davon ist die Region verglichen mit der übrigen Schweiz überproportional «gesegnet» – wie übrigens alle Grossagglomerationen. Jährlich erlebt die Schweiz eine Zuwanderung von 60'000 bis 100'000 Personen – in der Grössenordnung der Population der Stadt St. Gallen. Ausgerechnet die Linke, die den Strassenbau bekämpft, setzt sich im Gegenzug für Masseneinwanderung und offene Grenzen ein. Mit dieser Form der Globalisierung nimmt man zwangsläufig mehr Verkehr in Kauf.
Ich weiss nicht, was sich die Schöngeister dabei denken. Haben diese eingewanderten Menschen kein Recht auf Freizeit in den Bergen? Braucht das Heer von neuen Bürgern nicht mehr Waren, die für sie transportiert werden und gekauft werden müssen? Sollten sie am Ende als Geistwesen an ihre Arbeitsplätze schweben, ohne Transportmittel und Strassen benutzen zu dürfen? Wenn man den Bau des Biozentrums in Basel ohne neue Parkplätze als Messlatte nimmt, muss man diese ideologische Grundhaltung leider vermuten.
Linke will keine neuen Strassen
Es gibt eine raumplanerische Faustregel, die besagt, dass die Verkehrsfläche für die Bevölkerung gleich gross sein muss wie die Wohn- und Arbeitsfläche – egal, welche Verkehrsträger sich auf den Trassees bewegen. Doch in diesen letzten, egozentrisch geprägten Jahrzehnten ereignete sich Folgendes: Die Linke von Basel will jede Grünfläche überbaut haben; man erinnere sich an die Stadtentwicklung Ost und Süd. Basel plant Türme und Hochhäuser (ein Verantwortlicher für die Planung der SBB-Bahnhof-Logistik und des Meret-Oppenheim-Hochhauses sagte mir, dass die dortige Infrastruktur auf 800 Lastwagen pro Tag ausgerichtet sei!) und will mit Wohnförderungsprogrammen die magische Grenze von 200'000 Einwohnern knacken. Und das alles, ohne eine neue Strasse zu bewilligen. Darüber hinaus ist auch seit dem Bau des Adlertunnels für den ÖV kein einziges Trassee zur Verfügung gestellt worden.
Im Gegenteil: Die Verkehrsflächen sind in unserer Region parallel zum stetig wachsenden Volumen reduziert worden – durch Verengungen, Rückbau und Schliessungen. Das eher autofreundlichere Baselbiet ist in dieser Haltung gar nicht ausgenommen. Im Leimental und im Birstal prägen seit Jahren die Baukräne das Landschaftsbild. Während der Mehrfamilienhäuserbrei schwillt, bleiben die Verkehrsflächen bestenfalls erhalten. Das ist eine unehrliche Raumplanungspolitik. Sie nimmt in Kauf, dass das System in Basel kollabiert und Krankenwagen im Stau stecken bleiben.
Falsche Behauptungen
Die 14 Grossräte, die dies wollen, behaupten auch, dass der Verkehr in der Zukunft rückläufig sei. Einen Beleg dafür bringen sie nicht. Dabei ist seit Menschengedenken in einer fortschrittsorientierten und technisch entwicklungsfreudigen Gesellschaft das Gegenteil zu erwarten – im Zeitalter, wo man gerne bei Zalando drei Schuhkartons bestellt und zwei davon wieder retourniert.
Recht haben die 14 Politiker, wenn sie erklären, dass mit der sogenannten Elba das Verkehrsprojekt für die Anbindung Leimental an der Urne verworfen worden ist. «Zusammen mit der Aufnahme von ÖV-Projekten in die Richtpläne», hätten sie ehrlicherweise ergänzen müssen. Zu behaupten, dass keine neue Strasse, kein Westring vom Volk gewollt wird, ist so kühn und falsch wie die Aussage, es brauche keinen ÖV-Ausbau, nach den Absagen an der Urne an das Erlenmatt-Tram und an den Margarethenstich.
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