Die Lichtgestalt links von der Mitte
Für viele Franzosen kann nur noch Emmanuel Macron ein Frankreich mit Marine Le Pen als Präsidentin verhindern.

Es wird eine Jahrhundertwahl. Etwas mehr als einen Monat vor dem ersten Wahlgang um die Präsidentschaft sind sich die Stimmbürger Frankreichs wohl nur in einem Punkt einig: Es ist gut, dass der amtierende Präsident François Hollande von den Sozialisten nicht mehr antritt. Was aber nach ihm kommen soll, bei dieser Frage driften die Auffassungen heftig auseinander.
Wenn die Franzosen am 23. April im ersten Wahlgang zur Urne schreiten, wollen die einen mit Marine Le Pen eine wirkliche Wende herbeiführen. Die anderen wollen die Kandidatin des Front National unbedingt verhindern. Doch diese ist stark wie nie. Le Pen hat in den vergangenen Monaten stabile Umfragewerte erhalten und dürfte laut aktuellen Prognosen im ersten Wahlgang 26 Prozent oder mehr erreichen und liegt somit gleich auf mit dem parteilosen Emmanuel Macron.
Fillon im Sog der Korruption
Le Pens Erfolg ist auf das neue Image zurückzuführen, an dem sie seit der Übernahme der Partei 2001 von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen arbeitet. Sie baute den Front National um – raus aus der braunen Ecke hin zu einer Volkspartei. Für was sie steht, fasste sie so zusammen: «Gegen die Rechte der Knete und die Linke der Kohle bin ich die Kandidatin eines Frankreichs des Volkes.» Sie selber sagt, dass viele Arbeiter sie wählen würden sowie Menschen, die enttäuscht sind von der Migrationspolitik, dem maroden Sozialsystem und der hohen Arbeitslosigkeit. Vor allem aber ist es ihre offensive Kritik am Islam, am Euro und an der EU, der ihr viele Stimmen bringt. Ihr stärkster Konkurrent ist Emmanuel Macron, der unter François Hollande kurz Wirtschaftsminister war. Macron hat sich in den vergangenen Wochen als der Hoffnungsträger all jener positionieren können, die gegen Korruption und gegen die Abschottungspolitik des Front National sind. Seine Bewegung «En Marche!» gewinnt ständig neue Anhänger.
Der 39-Jährige hat so etwas wie den Geist eines Aufbruchs in Frankreich geweckt, und an seine Auftritte und Versammlungen kommen auffällig viele Junge.
Er steht für ein offenes Frankreich und zeigt sich als Politiker, der sich nicht korrumpieren lässt. Ein Image, das in den vergangenen Tagen allerdings Schaden genommen hat, als bekannt wurde, dass gegen ihn wegen Günstlingswirtschaft ermittelt wird. Eine von seinem Ministerium abhängige Firma soll einen Auftrag über 380 000 Euro für einen PR-Auftritt Frankreichs in den USA ohne öffentliche Ausschreibung vergeben haben.
In den Medien ist Macron Dauerthema, ebenso Le Pen und die anderen Kandidaten: Bennoît Hamon von den Sozialisten, François Fillon von den Konservativen und der Linksaussen Jean-Luc Mélenchon.
Vor allem Macrons liberales Wirtschaftsprogramm stösst in Frankreich auf Interesse. Der Ökonom und Ex-Banker will die Steuern für Unternehmer deutlich senken, um die Kaufkraft zu erhöhen, hat eine Reduktion des Mindestlohnes angekündigt, will die Arbeitsgesetze aufweichen, um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren, und er hat versprochen, Spitzenpositionen im Land nicht nur mit Politikern zu besetzen. Auch über soziale Themen hat er sich durchaus provokativ geäussert: So wäre er bereit, über eine Cannabis-Legalisierung nachzudenken. Als sympathisch sehen viele Franzosen Macrons Lebensverhältnisse an. Er wird dieses Jahr vierzig, seine Frau Brigitte Trogneux ist 24 Jahre älter als er.
Für François Fillon sowie viele bürgerlich eingestellte Elsässer ist Macron nichts weiter als ein «jüngerer Hollande». Wird er Präsident, so besetzt er die Ministerposten einfach wieder mit Sozialisten oder solchen, die ihm nahe stehen, heisst es. Insofern werde sich nichts ändern.
Fillon sieht sich mit Umfragewerten von 19 Prozent konfrontiert. Seit Vorwürfe im Raum stehen, er habe viele Jahre lang seine Frau Penelope mit Steuergeldern scheinbeschäftigt, ohne dass sie tatsächlich für ihn gearbeitet habe, ist der UMP-Politiker angeschlagen. Trotz dem sogenannten Penelope-Gate hält Fillon daran fest, dass er unschuldig ist. Inzwischen wurde gegen ihn ein gerichtliches Ermittlungsverfahren eröffnet. Jüngst wurde Fillons Ansehen erneut erschüttert, weil er dubiose Geschenke im Wert von 100 000 Euro angenommen hatte.
Bürger von der Politik angewidert
Solche Geschichten wecken in den Franzosen unschöne Erinnerungen: Der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy wurde angeklagt, weil er im Verdacht stand, Bargeld von der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt angenommen zu haben. Im Gegensatz zu anderen Involvierten jedoch wurde jedoch Sarkozy freigesprochen.
Neben Fillon kämpft auch Le Pen mit der Justiz. Der Front National steht schon längere Zeit im Verdacht, EU-Gelder für die Assistenten von Europa- abgeordneten bezogen zu haben. Das wäre illegal, weil diese für die Partei in Frankreich arbeiten. Dabei geht es um knapp 300 000 Euro. Marine Le Pen lehnt es allerdings ab, das Geld zurückzuzahlen und liess die ihr gesetzten Fristen einfach verstreichen. Trotz diesen Vorwürfen hat sie immer noch die besten Chancen, am 7. Mai in den zweiten Wahlgang einzuziehen. Dort würde sie gemäss Umfragen aber gegen Macron verlieren.
Wenig Aussichten auf Erfolg haben die linken Kandidaten. Bennoît Hamon wird zu sehr mit der ungeliebten Politik François Hollandes in Verbindung gebracht, und Jean-Luc Mélenchon hat zu wenig Unterstützung. Entscheidend für die Wahl werden am Ende jene sein, die aus Resignation nicht mehr wählen gehen. Mélenchon sagte, er halte es für ausgeschlossen, dass 60 Prozent der Arbeiter den Front National wählen und twitterte: «60 Prozent der Franzosen fühlen sich von der Politik angewidert und wählen nicht.»
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