Liveticker zu Gesundheitskosten2022 sinken die Krankenkassenprämien zum ersten Mal seit 14 Jahren
Gesundheitsminister Alain Berset hat gute Nachrichten: 315.30 Franken kostet die Krankenkasse kommendes Jahr im Mittel. Allerdings profitieren nicht alle Kantone.
Das Wichtigste in Kürze
Die Krankenkassenprämien sinken im kommenden Jahr.
Möglich machen das ein Rückgang der mittleren Prämie und Reserveabbau bei den Versicherern.
Die mittlere Prämie beläuft sich 2022 auf 315.30 Franken pro Monat. Das entspricht einem Rückgang um 0,2 Prozent.
In den Jahren zuvor war sie dagegen um 2,4 Prozent jährlich gestiegen.
Die Krankenkassen werden den Versicherten 380 Millionen Franken aus ihren Reserven zurückbezahlen.
Die Vertiefung zum Thema
Diese Grafiken erklären den Kostenschub: Diese Senkung ändert nichts – die Prämien haben sich in 20 Jahren verdoppelt
Während der Präsident der Gesunheitsdirektoren, Lukas Engelberger, die Resultate der Prämienrunde 2022 als «erfreulich» bezeichnet, äussern manche auch Kritik.
So widerlege die Entwicklung den Eindruck der stetig stark steigenden Krankenkassenprämien, schreibt die Ärztevereinigung FMH. Teilweise hätten die Kassen bereits mit der Rückzahlung der zu hohen Reserven an die Versicherten begonnen. Ganz ohne die derzeit vorangetriebene Einführung von Budgets in der Gesundheitsversorgung würden die vom Bundesrat angedachten Zielvorgaben erneut unterboten.
Für einkommensschwache Haushalte seien die Prämien jedoch immer noch zu hoch. Sie müssten gezielt entlastet werden. Die vom Bundesrat in seinen Kostendämpfungspaketen vorgesehenen undifferenzierten Sparmassnahmen würden hingegen die bereits jetzt sozioökonomisch Benachteiligten doppelt treffen.
«Druck der SP hat gewirkt»
Ähnlich sieht das auch die SP. Trotz des Prämienrückgangs bleibe der Druck auf die Haushalte hoch, schreibt die Partei. Aber der Druck der SP auf die Versicherer habe gewirkt, endlich ihre milliardenhohen Reserven aufzulösen.
Für viele Versicherte sei es fast unmöglich, die hohen Prämien zu zahlen. Die Kassen müssten deshalb ihre hohen Reserven von immer noch über 12 Milliarden Franken weiter abbauen. Dies sei möglich, ohne dass diese ihre Solvenz gefährdeten.
Grundversicherung als «Selbstbedienungsladen»
Für die Stiftung für Konsumentenschutz ist eine echte Trendwende nicht in Sicht. Es müssten endlich unnötige Ausgaben vermieden werden. Für viele Haushalte bleibe die Belastung enorm. Namhafte Einsparungen bei den Gesundheitskosten wären laut Konsumentenschutz «möglich und dringend nötig», heisst es in einer Mitteilung. Zu denken sei da in erster Linie an die «absurd hohen Medikamentenpreise und Margen».
Zudem sei fast jede dritte Behandlung unnötig. Intransparente und falsche Abrechnungen würden jedes Jahr hunderte Millionen Franken verschlingen. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung dürfe nicht länger ein «Selbstbedienungsladen für Pharmafirmen, Ärzte, Spitäler und Apotheken» sein.
Obwohl sie nichts mit der heutigen Pressekonferenz zu tun habe, beantwortet Berset die Frage eines Journalisten, welches der Stand mit der Bosster-Impfung von Johnson & Johnson sei. «Wir werden es wohl bald einsetzen können», sagt Berset. «Wir werden informieren, sobald wir mehr wissen», ergänzt Lévy. Damit ist die Pressekonferenz beendet.
Wann sich die Corona-Pandemie in den Kosten des Gesundheitssystems zeigen würde, lautet eine weitere Frage.
«Es gibt kurzfristige Direktkosten und langfristige Kosten, das ist schwierig zu beurteilen», sagt Berset. «Wir sind nach wie vor in einem Schockzustand im Gesundheitssystem. Es gibt immer wieder Verschiebungen von Operationen wegen Corona. Die langfristigen Kosten wissen wir deshalb nicht. 2020 gab es riesige Schwankungen pro Jahreszeit. Das hat auch mit dem Schock im Gesundheitssystem zu tun. Wir sind immer noch mitten in der Pandemie.»
«Letztes Jahr hatten wir etwa eine halbe Milliarde Kosten wegen Corona. Dieses Jahr wird es wieder so sein», ergänzt Christen.
Ob es auch in den nächsten Jahren Senkungen geben werde, lautet eine weitere Frage?
«Die Arbeit ist nie zu Ende», antwortet Berset. «Die letzten Jahre waren eher stabiler und tiefer als früher.» Die seit Jahren vorbereiteten Kostendämpfungspakete mit internationalen Experten hätten die Kostensenkungen ermöglicht.
Es sei aber auch «eine ständige Knochenarbeit, die Kosten im Griff zu haben», sagt Berset weiter. «Wenn es so weitergeht, mit all der Transparenz der grossen und kleinen Akteure, dann wird eine stabile Entwicklung möglich sein. Aber wir sind noch überhaupt nicht am Ziel.»
Die weitere Entwicklung der Gesundheitskosten sei schwierig vorauszusagen, sagt Christen. «Die Versicherer gehen von leichten Kostensteigerungen aus, aber das lässt sich nicht genau sagen. In den letzten drei Jahren waren die Kosten etwas tiefer als die Prämien. Ich gehe davon aus, dass dieses und nächstes Jahr die Kosten dafür etwas höher als die Prämien sind, so wird sich das wieder ausgleichen.»
Ob die Krankenkassen ihre Reserven freiwillig abbauen oder ob sie dazu gezwungen würden, fragt ein Journalist.
«Es ist ein freiwilliger Abbau», antwortet Christen. «Der Bundesrat sagte, dass die Reserven zu hoch sind, aber es gibt keinen Zwang. Er schaffte Anreize, um die Reserven abzubauen.»
Die Versicherer hätten diese Anreize zum Anlass genommen, um die Reserven abzubauen. «Wenn es aber keine Reserven geben würde, hätten die Versicherer auch nicht knapper kalkulieren können und es gäbe keine Senkung der Prämie.»
Jetzt ist die Fragerunde eröffnet. Warum die Prämien in den ländlichen Kantonen nicht gleich stark sinken wie in anderen Gebieten der Schweiz, möchte ein Journalist wissen.
Thomas Christen, Leiter Kranken- und Unfallversicherung beim BAG, sagt: «In Obwalden und Glarus haben wichtige Krankenversicherer die Prämien in den vergangenen Jahren gesenkt und mussten deshalb dieses Jahr etwas erhöhen.»
Die Krankenkassen werden den Versicherten 380 Millionen Franken aus ihren Reserven zurückbezahlen. «Heute sind die Reserven mit über 12 Milliarden Franken zu hoch, sagte Berset. Die gesetzliche Mindestreserve liege bei 6 Milliarden Franken. Die Reserven gehörten den Versicherten, betonte Berset. Einige Krankenkassen hätten dem BAG schon Programme unterbreitet, um Reserven abzubauen.
Die Dämpfung der Gesundheitskosten sei für den Bundesrat ein wichtiges Ziel, sagte Berset. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des medizinisch-technischen Fortschritts würden die Kosten im Gesundheitswesen auch künftig weiter ansteigen.
Der Bundesrat habe sich zum Ziel gesetzt, die Kosten zu senken und habe dazu zwei Massnahmenpakete vorbereitet, sagte Berset. Ein erstes Massnahmenpaket ist laut Berset zurzeit beim Parlament in Beratung. Ein zweites Paket befindet sich beim Bundesrat in Ausarbeitung und werde dem Parlament im ersten Vierteljahr 2022 vorgelegt. Das Sparpotenzial wird auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt.
Nun spricht BAG-Direktorin Anne Lévy: Die mittlere Prämie werde 2022 in mehr als der Hälfte der Kantone sinken, in den anderen Kantonen werde der Anstieg moderat sein. Die Unterschiede liessen sich mit den Kosten in den Kantonen erklären, sagt Lévy. «Je nach Versicherer, Höhe der Franchise und Versicherungsmodell fällt die Prämie sehr unterschiedlich aus.»
Das BAG achtet Lévy zufolge darauf, dass die Prämien weder zu hoch noch zu tief kalkuliert werden. «Im Verlauf der Jahre lagen die Prämien und die Kosten sehr eng beeinander.»
Lévy verweist auf den Prämienrechner «Priminfo». Der biete einen Überblick über alle Prämien. «Sie können somit sehen, welches die günstigste Variante für mich ist.»

«Die Pandemie hat unser Gesundheitssystem auf eine harte Probe gestellt», sagt Berset weiter. «Im Moment ist es aber noch zu früh, die Auswirkungen zu sehen. Die Langzeitfolgen von Covid-19 kennen wir noch zu wenig. Wir planen mit dem Bundesrat Ende 2022 einen Bericht zu diesem Thema.»
Das BAG habe alle Prämien für die nächsten 12 Monate genehmigt. Die Belastung sinke damit zum ersten Mal seit 14 Jahren. «Das zeigt, dass wir der Entwicklung der Gesundheitskosten nicht ausgeliefert sind», sagt Berset. «Es gibt Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Das sind gute Nachrichten.»
Berset nimmt alle Akteure in die Pflicht. «Es braucht noch weitere Massnahmen, um das Kostenwachstum zu reduzieren.» Dazu müssten alle zusammenarbeiten, auch die Pharmaindustrie. Berset verweist dazu auf ein zweiteiliges Massnahmenpaket, dessen erste Tranche derzeit das Parlament berät (mehr dazu lesen Sie weiter unten).

In den beiden Basel nehmen die mittleren Krankenkassenprämien 2022 über alle Altersklassen im Vergleich zum laufenden Jahr ab. In Basel-Stadt sinken sie um 2,1 Prozent und in Baselland um 0,6 Prozent.
Die mittlere Prämie für die obligatorische Krankenversicherung über alle Altersklassen reduziert sich in Basel-Stadt um 8,60 Franken auf 409,80 Franken pro Monat. Das geht aus den am Dienstag veröffentlichten Unterlagen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) hervor.
Im Kanton Basel-Landschaft nimmt die mittlere Prämie um 2,10 Franken auf 358,10 Franken pro Monat ab. Im Schweizer Durchschnitt sinkt die Prämie um 0,2 Prozent oder 70 Rappen auf 315.30 Franken.
Die mittlere Prämie entspricht der durchschnittlichen Prämienbelastung pro Person. In diesem Jahr war die mittlere Krankenkassenprämie in Basel-Stadt weder gestiegen noch gesunken. In Baselland hatte die mittlere Prämie 2021 noch um 1,3 Prozent zugenommen.
Gesundheitsminister Alain Berset und BAG-Direktorin Anne Lévy sagen, warum die Prämien im kommenden Jahr sinken werden.
«Ich habe eine gute Nachricht», beginnt Berset. «Die Krankenkassen wurden vom Bundesrat aufgefordert, ihre Reserven abzubauen», sagt er. Es brauche aber weiterhin Reserven, um Risiken abfedern zu können.
In den vergangenen Jahren sind die Krankenkassenprämien stetig gestiegen. Nun sinkt die Belastung der Schweizer Haushalte durch die Prämien im kommenden Jahr.
Zu verdanken ist das einem Rückgang der mittleren Prämie um 0,2 Prozent. Zum Vergleich: Im Schnitt ist die mittlere Prämie in den letzten Jahren um 2,4 Prozent jährlich gestiegen. Die mittlere Prämie ist der durchschnittliche Betrag, den eine Person in der Schweiz monatlich für die Krankenkassen-Grundversicherung bezahlt.
Mit ein Grund für die erfreuliche Nachricht ist, dass die Krankenkassen Reserven im Umfang von 1,2 Prozent abbauen. Das geht zurück auf eine Revision der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung, die der Bundesrat beschlossen hat und die im Juni in Kraft getreten ist.
Die Massnahmen, die der Bundesrat getroffen hat, um die Versicherer zu einem Reserveabbau zu bewegen, haben sich als wirksam erwiesen, schreibt das Departement des Innern EDI in einer Medienmitteilung. Demnach haben die Krankenkassen die Prämien für 2022 knapp kalkuliert. Dies auf Basis der zu erwartenden Kosten.
Der Mitteilung zufolge ist der Bundesrat der Ansicht, dass der Reserveabbau auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden muss. Auch seien noch weitere Reformen nötig, um die Gesundheitskosten einzudämmen.

2022 sinkt die mittlere Prämie für Erwachsene auf 373.80 Franken und für junge Erwachsene auf 263.80 Franken. Das entspricht einem Rückgang im Vergleich zum laufenden Jahr um 0,3 beziehungsweise um 1 Prozent. Die Prämie für Kinder sinkt leicht um 0,3 Prozent und beträgt damit noch 99.60 Franken.
Die Prognosen zeigen zudem eine Senkung der mittleren Prämie in über der Hälfte der Kantone. Alle von den Versicherern unterbreiteten Prämien für 2022 seien vom Bundesamt für Gesundheit genehmigt worden, schreibt das EDI.
Die erstmalige Senkung der Krankenkassenprämien seit 2008 ändert nichts an der langjährigen Entwicklung: In den letzten 20 Jahren haben sich die Kosten für Versicherte verdoppelt und zwar in allen Altersklassen. Besonders stark betroffen sind junge Erwachsene. Sie zahlten im Jahr 2000 noch durchschnittlich 131 Franken pro Monat, heute sind es über 264 Franken.
Seit dem Inkrafttreten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung 1996 ist die mittlere Prämie stark gestiegen. Damals zahlten die Versicherten noch durchschnittlich 128 Franken im Monat für ihre Krankenkasse. Im kommenden Jahr werden es über 315 Franken sein – zweieinhalbmal so viel. Und dies, obwohl die Löhne mit diesem Wachstum nicht Schritt halten können (mehr dazu hier).
Die Krankenkassenprämien werden so berechnet, dass sie die geschätzten Kosten des kommenden Jahres decken. Die Covid-19-Pandemie stellt das Gesundheitswesen seit anderthalb Jahren vor eine Herausforderung. Es sei jedoch noch nicht absehbar, wie sie sich auf die Gesundheitskosten und damit auf die Prämien auswirken wird, schreibt das EDI. Die bislang vorliegenden Daten würden noch nicht ausreichen, um verlässliche Schlüsse zu ziehen. Der Bundesrat plant, Ende 2022 einen Bericht zu diesem Thema zu veröffentlichen.

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Die im Juini in Kraft getretene Revision der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (Kvav), die der Bundesrat beschlossen hat, ermöglicht den Versicherern, leichter auf den freiwilligen Reserveabbau zurückzugreifen. Zudem gibt sie den Krankenkassen den Anreiz, die Prämien möglichst knapp zu berechnen, womit übermässige Reserven vermieden werden. (Lesen Sie dazu: Reserven der Krankenkassen – Streit um die künftige Prämienhöhe)
Dass die Prämien nun sinken, zeige die Wirksamkeit der Revision, schreibt das EDI.
Für bestimmte Krankenkassen hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Mitteilung zufolge einen freiwilligen Reserveabbau im Umfang von 380 Millionen Franken genehmigt. Fürs laufende Jahr waren es 28 Millionen Franken gewesen. Damit verringert sich die mittleren Prämie nun um 1,2 Prozent – für 2021 betrug der Rückgang 0,1 Prozent.
Die Senkungen der mittleren Prämie und der Reserven bedeuten für das Budget der Haushalte eine um 1,3 Prozent verringerte Belastung durch Krankenkassenprämien.

Die von den Versicherern aufgebauten Reserven liegen zufolge immer noch bei insgesamt über 12,4 Milliarden Franken. «Der Bundesrat ist der Ansicht, dass es möglich und notwendig ist, die Reserven in den kommenden Jahren weiter abzubauen, ohne die Solvenz der Versicherer zu gefährden», heisst es in der Mitteilung des EDI. Das BAG habe eine Rückerstattung der zu hohen Prämieneinnahmen von 134 Millionen Franken genehmigt. Dieser Betrag werde von bestimmten Versicherern im Jahr 2021 ausgezahlt.
Die Dämpfung der Gesundheitskosten ist für den Bundesrat ein wichtiges Ziel. «Aufgrund der demografischen Entwicklung und des medizinisch-technischen Fortschritts steigen die Kosten im Gesundheitswesen auch in Zukunft weiter an», heisst es weiter. Ziel des Bundesrates sei darum, dass diese Kosten nur in einem «medizinisch begründbaren» Umfang steigen. Deshalb hat der Bundesrat ein Kostendämpfungsprogramm auf der Grundlage eines Expertenberichts vorgelegt. Das Parlament berät derzeit ein erstes Massnahmenpaket. Der Bundesrat arbeitet zudem der Mitteilung zufolge an einem zweiten Paket. Das Sparpotenzial wird auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt.

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