Die Jüngste im Anmarsch
Die Baselbieter Neo-Nationalrätin Samira Marti gelobte im Bundeshaus auf die Verfassung.
Es ist Montag, 14.36 Uhr. Die Liestaler SP- und Juso-Politikerin Samira Marti, die noch nie in einem Parlament gesessen ist, steht jetzt neben dem Zürcher SP-Kollegen Daniel Frei im Nationalratssaal in Bern. Dann werden die beiden gefragt, ob sie die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten ihres Amtes zu erfüllen gedenken. «Ich gelobe es», sind die Worte, die Marti auswendig zitieren musste. Es lägen keine Interessenverflechtungen oder Mandate, vor, die ihr das Amt als Nationalrätin verunmöglichen würde, weshalb man sie formell zur Wahl als Nationalrätin vorschlage, hiess es ein paar Sekunden zuvor.
Applaus. Fotos. Blumenstrauss. Umarmung. Die eben vereidigte Samira Marti zieht an ihren neuen Platz mitten im Kuchen in ihrer Fraktion zwischen der Bernerin Flavia Wasserfallen, seit fünf Monaten im Parlament, und Ada Marra aus der Waadt, die seit 2007 Parlamentserfahrungen sammelt. Dass nun dort der physische Sitzplatz zugeteilt ist, den sie von der Grande Dame der SP-Wirtschaftspolitik, Susanne Leutenegger Oberholzer erbt, hat sie eine Stunde vor der Zugabfahrt von Liestal nach Bern erfahren. Am liebsten hätte Samira Marti ihre Arbeit in der WAK, Kommission für Wirtschaft und Abgaben, aufgenommen – wie ihre fast drei Mal ältere Vorgängerin. Jetzt ist sie von der SP-Fraktion der Staatspolitischen Kommission zugeteilt worden – Platz zwei auf ihrer Wunschliste. In dieser Kommission geht es oft um Asyl- und Migrationsfragen; gestern wurden dort die Standesinitiativen der Kantone Uri und Zug behandelt.
Von ihren Freunden gecoacht
Marti ist 24 Jahre alt, Volkswirtschafts-Studentin und Co-Vizepräsidentin der SP Baselbiet. Sie ist die zurzeit jüngste Nationalrätin. Bisher hatte diese Rolle der Zürcher Fabian Molina (SP), der im März neu in den Nationalrat gekommen war. Die jüngste derzeitige Nationalrätin ist von ihrem Weg von Liestal nach Bern von einem ganzen Tross an Freunden und Verwandten begleitet worden. Sie zieht voraus, dirigiert, organisiert und wird dabei von ihren Freunden gecoacht. «Du, die Klasse kommt im Bereich C am Perron zu stehen», sagt die Schwester. Samira Marti reagiert und übernimmt das Zepter. Ist das ein Hinweis, auf welche Weise Marti in Bern führen wird?
Normalerweise wäre eine Begleitperson auf der Zuschauertribüne zugelassen. Aber weil diesmal nur zwei Parlamentarier vereidigt wurden, durfte Marti 18 Personen mitbringen. Das reichte für ihren Fanclub aber dennoch nicht, weshalb Nationalrat Eric Nussbaumer (SP) sein 10-köpfiges Kontingent zur Verfügung stellte. «Sie denkt schnell und ist ein politischer Kopf», sagt er über sie.
Neben ihren Freunden und Verwandten hat sie ihr eigenes Generalabo, eine PET-Wasserflasche und ihren Rollkoffer mitgenommen. Aber darin liegen keine Papierstösse. «Ich bin aus einer anderen Generation, ich arbeite digital», sagt sie. Eingepackt hatte sie ein paar Kleider, ihr Necessaire und ihr Notebook. Übernachtet wird bei einer Freundin in Bern. Vorderhand. Und wenn Samira Marti denn alleine auf dem Weg nach Bern ist und nicht hektisch am Laptop im Zug arbeitet, dann klingt in den Ohrenstöpseln zur Entspannung entweder klassische Musik, Pop-Rock, Indie oder Jazz – Sophie Hunger kommt jedenfalls mit.
Papa kommt mit
Bei ersten Mal ist ihr Vater dabei – Peter Marti, Kunstlehrer in Oberdorf – und ganz stolz auf seine Tochter. Er klopft mit der linken Faust auf sein Herz auf dem Weg ins Bundeshaus. «Was für ein Weg!», sagt er.
Das politische Gewissen der Ziefnerin, die heute in Liestal wohnt und politisiert, erwachte als 12-Jährige, als die Regierung als Sparmassnahme im Fünflibertal die Reigoldswiler Sekundarschule schliessen wollte. «Dann demonstrierten wir mit den Erwachsenen vor dem Regierungsgebäude in Liestal.» Als ihren wichtigsten realpolitischen Erfolg bezeichnet sie die Verbesserung der Anschlusszeiten der 70er-Buslinie, die den «Standort Bubendorf mit 1000 Arbeitsplätzen dermassen benachteiligt hatte, nur weil die Regierung die Fahrplanstatistik schönen und frisieren wollte».
Der Wille, authentisch zu sein
Sie habe schon gekifft, sei schlecht in Chemie und könne keine Witze erzählen, erklärte sie im Frühjahr gegenüber Blick. Heute, auf dem Weg nach Bern, bietet Samira Marti kaum Ecken und Kanten. Effekthascherische Politik könne man von ihr nicht erwarten, sagt sie und will die Aussage subito nicht als Kritik an Tamara Funiciello gelten lassen, die Samira Marti bei der Wahl ums Juso-Präsidium ausstach und die mit der Oben-Ohne-Aktion Polit-Schlagzeile machte. Das sei die Rolle der Präsidentin und ob sie auch so gehandelt hätte, stünde jetzt nicht zur Diskussion. Sie schlüpfe nicht in eine Rolle, sie sei einfach authentisch.
Das sieht ihr Mitstreiter aus Liestal, Joël Bühler etwas anders. «Samira Marti ist sich sehr bewusst, welche Rolle sie spielt.» Und als Nationalrätin habe sie auch eine Repräsentationsaufgabe. Der Nasenring ist jedenfalls mit nach Bern gekommen. Dennoch kaum Ecken und Kanten – nicht einmal, wenn es ums Nationalrat-Honorar geht: «Ach, da habe ich mir noch keine Gedanken gemacht», sagt die Studentin.
In Bern wird sie herzlich empfangen. Adil Koller ist da. Der Parlamentsweibel, in seiner wunderschönen rotweissen Tracht, verrät, dass er Basler sei. Und vor dem Parlamentssaal nimmt sie Jacqueline Badran, SP-Nationalrätin aus Zürich, ins Gebet. «Versprich mir, dass du deinen Master machst und nicht zu viele Verpflichtungen hier in Bern annimmst. Das ist wichtig für dich. Versprich es mir.» Samira Marti tut es.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch