Die heissen Tage bringen nicht alle ins Schwitzen
Um Hitze auszuhalten, hat sich die Natur viel einfallen lassen. Auch Forscher kennen Tricks: Sie bringen Schweissbakterien bei, Wohlgerüche herzustellen.
Wem bei der sommerlichen Hitze der Schweiss herunterläuft, schämt sich für die hässlichen Ränder auf der Kleidung. Zudem klebt es noch überall, und ob im Tram, im Bus oder an der Kasse des Supermarkts muffelt es allerorten. Schweiss ist heutzutage gesellschaftlich geächtet. Er gilt als unrein und ungepflegt. Dabei sind die Ausdünstungen lebensnotwendig, um die Körpertemperatur zu regulieren. Der Volksmund schrieb dem Drüsensekret damals sogar noch magische Bedeutung zu: Es könne, so hiess es, Verliebte verzaubern, gleichzeitig aber auch zeigen, ob jemand bald wieder gesund wird. In Wahrheit jedoch strömt aus den ekkrinen Schweissdrüsen, die sich ungleichmässig über den ganzen Körper verteilen, eine salzig-saure wässrige Brühe mit etwas Harnstoff, Cholesterin und Glukose darin. Gleichzeitig entweicht aus den apokrinen Schweissdrüsen, die nur in bestimmten Bereichen wie etwa der Achselhöhle vorkommen, ein geruchloses Sekret aus Proteinen und Fetten, aus dem eine Schar von Bakterien dann stinkende Substanzen erzeugt. Tierischer Gestank Besonders unterm Arm fühlen sich die kleinen bakteriellen Gestankfabrikanten wohl: Das feuchte Milieu mit reichlich Nährstoffangebot ist ein Eldorado für Mikroorganismen. Je fleissiger die Bakterien sind, desto mehr riecht es. Mal verstärkt nach der schweissigen Isovaleriansäure, mal mehr nach Ethyloktansäure, die Ziegenbock-Gestank verbreitet. Nicht nur der Mensch, auch Affen und Pferde können richtig schwitzen. Andere Tiere wie etwa Hund und Vogel haben dagegen nur wenig oder gar keine Schweissdrüsen. «Sie hecheln und geben über eine erhöhte Speichelsekretion Wärme ab», erklärt Christian Gerspach von der Vetsuisse-Fakultät Zürich. Während Schweine sich etwa im Schlamm suhlen, um sich abzukühlen, verfügt der Kormoran über noch eine ganz andere Strategie. «Er spreizt die Flügel und öffnet den Schnabel», sagt der Zürcher Zootierarzt Jean-Michel Hatt. Wird es besonders heiss, beginnt er zusätzlich zu hecheln, was auch Kehlflattern genannt wird. Weil Kaninchen keine aktiven Schweissdrüsen besitzen, befeuchten sie das Fell mit Speichel. Ausserdem wird durch eine verstärkte Durchblutung ihrer grossen Ohren zusätzlich Wärme abgegeben, was sie vor einem Hitzschlag bewahrt. Auch der Mensch, der insgesamt über zwei bis drei Millionen Schweissdrüsen verfügt, versucht die Körpertemperatur vorerst einmal durch eine stärkere Durchblutung der Füsse und Hände zu regulieren. «Je nach Körperbau, Fettgewebe und sportlicher Kondition schwitzen Menschen jedoch ganz verschieden», sagt der Experte Markus Weder von der Empa in St. Gallen. Es gebe auch einen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Dass Frauen im Allgemeinen weniger schwitzen, so Weder, liege auch daran, dass sie von Natur aus mehr isolierende Fettschichten hätten als Männer und der Wärmetransport dadurch von innen nach aussen etwas geringer ist. Ein gut trainierter Sportler kann bei grosser Anstrengung pro Stunde 1,5 Liter Flüssigkeit aus seinen Poren ausscheiden, um die Temperatur zu regulieren. Damit bei einem Extremsportler die Körpertemperatur aber nicht über 40 Grad Celsius ansteigt und somit lebensgefährlich wird, hilft sich der Körper selbst und sendet Warnsignale aus. «Der Athlet ermüdet immer mehr, wodurch automatisch die Notbremse gezogen wird», sagt Weder. Um besser zu verstehen, wie der Mensch schwitzt, hat die Empa in St. Gallen die Schwitzpuppe Sam entwickelt. «Sie hat zwar im Gegensatz zum Menschen nur 130 Schweissdrüsen», betont Weder. Doch man könne mit ihrer Hilfe neu entwickelte, kühlende Stoffe viel schneller und günstiger testen. Dennoch ersetze der bewegliche Roboter nicht die weiterhin noch nötigen Untersuchungen an echten Probanden. Grundsätzlich ist Schwitzen etwas sehr Gesundes und aus Sicht der Evolution auch Sinnvolles. Um die Nachteile wie etwa die anrüchige Arbeit der Schweissbakterien in den Griff zu bekommen, arbeitet der Wissenschaftler Andreas Natsch von Givaudan in Dübendorf an den Nachfolgern herkömmlicher Deodorants. Er gibt den Bakterien bestimmte Moleküle, die sie in gut riechende Stoffe umwandeln sollen. Ziel der Forschung ist es, dass die Mikroorganismen in der Achselhöhle anstatt schlecht riechender Stoffe in Zukunft selbst das Parfüm herstellen. Neben Mikrobiologen wenden auch Ärzte Tricks an. So spritzen die Mediziner krankhaft schwitzenden Hyperhidrose-Patienten das Nervengift Botulinumtoxin A. Die Substanz, die in der Natur von der Bakterie Clostridium botulinum produziert wird, ist einer der gefährlichsten Stoffe überhaupt: Ein Gramm könnte ausreichen, um Millionen von Menschen zu töten. Weil bekanntlich jedoch die Dosis das Gift macht, wenden die Mediziner den hochpotenten Stoff nur in Mengen von wenigen Billionstelgramm für die Therapie an. Für ein paar Monate werden dadurch die Schweissdrüsen lahmgelegt. «Den Patienten rinnt nicht mehr der Schweiss vom Körper», sagt Henning Hamm von der Universitäts-Hautklinik in Würzburg. Sie hätten vorerst einmal Ruhe. BILD EMPA Schwitzpuppe Sam hilft, die Prozesse beim Schwitzen zu verstehen.
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