Die guten Hände von Krisztina und Ioana
Alterspflege wird in der Schweiz eines der grossen Gesellschaftsthemen. Wer macht es? Wer kann es sich leisten? Die Caritas wird nun Rumäninnen beschäftigen. Und das ist gut so.

Sehr viele tun es. Ganz wenige reden offen darüber. Die meisten bleiben lieber im Verborgenen. Man hört sich dezent im Bekanntenkreis um: Hat schon jemand Erfahrungen mit Ausländerinnen gemacht, die den kranken Vater oder die gehbehinderte Mutter pflegen? Zu einem leistbaren Tarif?
Man bekommt einen Zettel mit Telefonnummern von Agenturen irgendwo im Osten Europas. Man nimmt Kontakt auf, man unterschreibt einen Vertrag. Dann räumt man ein Zimmer frei, für Krisztina aus Bratislava oder Ioana aus Timisoara. Man zahlt ihnen 2000 Franken im Monat, hätte aber gerne, dass sie rund um die Uhr verfügbar sind. Die Nachbarn sollten besser nichts mitbekommen, der Staat auch nicht. Der will aber ohnehin nicht so genau hinschauen. Denn er weiss genau, dass sich viele Schweizer die legale Pflege ihrer kranken Eltern oder Grosseltern gar nicht leisten könnten. Wer aber sollte sich sonst um sie kümmern?
Unterschiedliche Interessen vereint
Bei Krisztina oder Ioana seien die alten Schweizer schon in guten Händen, meint die Schweizer Caritas. Sie will jedoch die Pflegerinnen und ihre Patienten aus dem Graubereich der illegalen Pflege holen und ihnen einen klar definierten rechtlichen Status und soziale Absicherung bieten. Das Pilotprojekt «In guten Händen» ist eine Kooperation der Caritas Schweiz mit ihrer Partnerorganisation im rumänischen Bezirk Alba Iulia (Siebenbürgen): Ausgebildete rumänische Krankenpfleger betreuen legal ältere und gebrechliche Menschen in der Schweiz. Sie bekommen einen Wohnplatz und, nach Abzug von Steuer und Sozialversicherung, monatlich etwa 2700 Franken netto. Nach drei Monaten müssen sie das Land verlassen und mindestens drei Monaten beim Caritas-Spitex-Dienst ihrer Heimatgemeinde arbeiten. Danach können sie wieder für drei Monate in die Schweiz kommen.
Auf den ersten Blick scheint es der Caritas zu gelingen, ganz unterschiedliche Interessen zu vereinen. Die rumänischen Frauen wollen im Ausland arbeiten. Aber sie wollen nicht auswandern, keine neue Existenz in einem fremden Land mit einer seltsamen Sprache aufbauen. Sie würden nur gerne eine Zeit lang mehr Geld verdienen. Um den Kindern eine Ausbildung zu finanzieren. Um die Wohnung neu einzurichten oder ein besseres Auto zu fahren.
Im Projekt der Caritas können sie innert drei Monaten ein rumänisches Jahresgehalt verdienen, ohne sich deshalb windigen privaten Agenturen ausliefern zu müssen, die ihnen für die Vermittlung eines illegalen Pflegejobs das halbe Salär oder mehr abziehen. Sie bleiben in ihrem Familienverband und in der rumänischen Arbeitswelt integriert. Auf der anderen Seite müssen sich die Schweizer Spitex-Mitarbeiter nicht vor billiger Konkurrenz aus dem Osten fürchten. Die Aufgabenbereiche sind klar definiert. Ebenso die Aufenthaltsfrist.
Schweigen rund um die Altenpflege
Wichtiger als das Modell selbst ist aber, dass die Caritas damit die 24-Stunden-Betreuung zum Thema macht. Ihr Pilotprojekt kann auch als Versuch gesehen werden, das Schweigen rund um die Altenpflege zu durchbrechen. Das ist kein kleiner Schritt und erfordert Courage. Was es nicht ist: eine Antwort auf die Frage, wie alte Menschen in der Schweiz flächendeckend gut und legal betreut werden können.
Die Caritas will nächstes Jahr 10 und übernächstes Jahr bis zu 50 rumänische Pflegerinnen in die Schweiz bringen. Zum Vergleich: Es gibt Schätzungen, dass rund 40'000 illegale Pflegerinnen im Land arbeiten. Somit gibt der Versuch auch keine Antwort, wie diese Pflege finanziert werden kann, ohne dass die Kosten ihre Angehörige an den Rand der Armut drängen. Selbst für eine gut verdienende Mittelstandsfamilie macht es einen Unterschied, ob sie im Monat 2000 Franken (für eine illegale Pflegehilfe) oder 5500 (für eine Pflegehilfe der Caritas) zahlen muss.
Es kann auch gar nicht die Aufgabe der Caritas sein, Antworten auf diese Fragen zu finden. Sie hat den Anstoss gegeben. Jetzt müssten sich Sozialpolitiker einsetzen. Denn die Prognosen der Demografen sind eindeutig: Die Alten werden mehr, die Jungen weniger, zumindest bis zum Jahr 2035. Wer uns betreuen wird, wenn wir alt sind, wird uns lange beschäftigen.
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