Die grosse Schrecksekunde
Die Eröffnungszeremonie der Paralympics in Rio war spektakulär. Was ausser einem fliegenden Rollstuhl und gnadenlosen Pfiffen gegen eine Person sonst noch alles passierte.
Und plötzlich wurde es ganz still im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro. Die an Bewegungsstörungen leidende ehemalige 200-Meter-Sprinterin Marcia Malsar stürzte mit der paralympischen Fackel in der Hand. Sie brauchte die Unterstützung von den freiwilligen Helfern, um wieder auf die Beine zu kommen. Unter riesigem Applaus konnte sie danach ihre Etappe zu Ende bringen und die Fackel an Adria Rocha dos Santos übergeben. Malsar hatte 1984 in New York die erste Goldmedaille für Brasilien bei Paralympics gewonnen.
Später entzündete der Schwimmer Clodoaldo Silva unter strömendem Regen und grossem Jubel das paralympische Feuer. Es war der Höhepunkt einer beeindruckenden Show mit buntem Feuerwerk, tanzenden Robotern und einem fliegenden Rollstuhl. Die Nummer von Aaron Wheelz, wie er, begleitet mit einem Feuerwerk, mit seinem Gefährt durch ein grosses rotes Rad schoss, versetzte die 78'000 Zuschauer in Ekstase.
Tränen in den Augen
Weniger Freude hatte das Publikum am brasilianischen Staatschef Michel Temer. Bei seiner Rede wurde er gnadenlos ausgepfiffen; der Lärm war derart stark, dass er mehrfach eine kurze Pause einlegen musste. Auch Organisationschef Arthur Nuzman bekam die Quittung in Form von Buhrufen, als er der Regierung dankte.
Richtig emotional wurde es dann, als die IPC-Flagge ins Stadion getragen wurde. Acht Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahren trugen sie ins Maracanã, obwohl sie offensichtlich nicht laufen können. Viele von ihnen hatten Tränen in den Augen.
Die Schweizer Delegation wurde von der Handbikerin und Rollstuhl-Leichtathletin Sandra Graf angeführt. 24 Athletinnen und Athleten werden für die Schweiz auf Medaillenjagd gehen – insbesondere in die Leichtathleten um die Teamleader Marcel Hug und Manuela Schär setzt Swiss Paralympic grosse Hoffnungen. Aber auch die Fahnenträgerin Graf oder der mehrfache Medaillengewinner Tobias Fankhauser dürfen sich berechtigte Hoffnungen auf Edelmetall machen. Dennoch hält Delegationschef Ruedi Spitzli die Erwartungen tief: «Die internationale Leistungsdichte hat erneut zugenommen, was bedeutet, dass es noch schwieriger wird, Medaillen zu gewinnen.»
«Bachs kalte Schulter»
Der grosse Abwesende bei der Zeremonie war IOK-Präsident Thomas Bach; er habe am Staatsakt für den deutschen Bundespräsidenten Walter Scheel teilnehmen müssen, liess das IOK verlauten. Unter dem Titel «Bachs kalte Schulter» kritisierte die FAZ sein Fernbleiben scharf. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Samaranch und Rogge erweise der Deutsche den Paralympics nicht den gebotenen Respekt. Als Grund für sein Fernbleiben mutmasst die Zeitung, den Ausschluss der russischen Sportlern durch das Internationale Paralympische Komitee (IPC) – im Gegensatz zum IOK. Mit seiner Teilnahme an der Eröffnungszeremonie hätte Bach seinen Freund Putin enttäuschen können, so die FAZ.
Im Gegensatz zu Bach scheint jedoch die brasilianische Bevölkerung grosses Interesse an den Paralympics zu haben. Im Vorverkauf seien 1,66 Millionen Tickets verkauft worden, teilten die Organisatoren mit. Vor zwei Wochen waren es nur 300'000, es wurden leere Stadien befürchtet. Der IPC-Präsident Philip Craven sagte: «Der Anstieg zeigt, dass die Cariocas Lust auf die Spiele haben. Das zeigt auch, dass sie ein Erfolg werden.»
Teuerstes Ticket 24 Franken
Vielleicht ist das aber auch nur die halbe Wahrheit. So wurden die Tickets in den vergangenen Wochen massiv günstiger – einzelne Finals kann man schon für 3 Franken sehen. Aktuell kostet das teuerste Ticket im Verkauf 80 Reais, umgerechnet rund 24 Franken. Es bleibt abzuwarten, ob die Stadien gefüllt werden oder auf den Gebrauch der günstig erworbenen Karten auch einmal spontan verzichtet wird.
Ab Donnerstag werden 159 Mannschaften mit 4342 Sportlern in 23 Sportarten und 528 Wettbewerben um Medaillen kämpfen. 154 Länder übertragen die Spiele, 35 mehr als in London 2012.
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