
«Mal schauen, was passiert», sagt Loujain al-Hathloul lächelnd und fährt weiter Richtung saudische Grenze. Die damals 28-Jährige weiss noch nicht, dass sie gleich verhaftet wird. Dieses kurze Video machte sie 2014 international bekannt. Diese junge Frau mit der grossen Sonnenbrille, die sich diesem seltsamen Autofahrverbot in ihrer Heimat widersetzt. Danach sass sie zwei Monate in saudischer Haft. Dieses Mal sind es zehn Monate.
Loujain al-Hathloul wurde Mitte Mai 2018 in ihrem Wohnort Dubai festgenommen und in die Heimat geflogen. Das war wenige Wochen vor dem Ende des Fahrverbots für Frauen. Ihre Schwester Alia al-Hathloul, die in Brüssel lebt und arbeitet, kann sich noch gut an diese Zeit erinnern. «Wir dachten alle, dass sie spätestens Ende Juni wieder rauskommt. Immerhin hat sie für diesen historischen Tag hart gekämpft», sagt sie am Telefon.
Seit vergangenem Mittwoch stehen Loujain al-Hathloul und neun weitere Aktivistinnen vor Gericht. «Die Anklagepunkte waren weder meiner Familie noch Loujain vorher bekannt», erzählt Alia al-Hathloul. Ihre Eltern nahmen an der Verhandlung teil, einen Anwalt konnten sie vorher nicht finden. Die meisten hatten Angst, so die Tochter.
Mord an Khashoggi änderte die Lage
Die Staatsanwaltschaft wirft Loujain al-Hathloul nun vor, den sozialen Frieden im Königreich zu gefährden. Genannt wurde die Zusammenarbeit mit «feindseligen Menschenrechtsorganisationen». Auch das Engagement in den sozialen Medien, vor allem für ein Ende der männlichen Vormundschaft, wurde ihr vorgehalten. Lokalmedien zeigten damals Fotos der Aktivistinnen, versehen mit dem Stempel «Verräterin».
In den ersten Monaten nach der Verhaftung wollte Alia al-Hathloul nicht an die Öffentlichkeit gehen. Zu einer Zeit, in der die Welt den saudischen Kronprinzen, Muhammad bin Salman, noch als Reformer, ja vielleicht sogar als Kämpfer für Frauenrechte wähnte. Nach dem Mord am regimekritischen saudischen Publizisten Jamal Khashoggi, in den laut CIA der saudische Kronprinz verwickelt sein soll, änderte sich das Bild abrupt.
Keine Hilfe von Menschenrechtsorganisation
Als US-Aussenminister Mike Pompeo im Januar Riad besuchte, brach Alia al-Hathloul ihr Schwiegen in einem Gastbeitrag in der «New York Times». Darin berichtete sie, wie ihre Schwester mit Stromschlägen gefoltert, geschlagen und sexuell missbraucht worden sein soll. Ausgerechnet Saud al-Qahtani, der Medienberater des Kronprinzen und der mutmassliche Strippenzieher in der Khashoggi-Affäre, soll beim sexuellen Missbrauch persönlich anwesend gewesen sein, berichtete Loujain al-Hathloul ihren Eltern. Die saudische Organisation für Menschenrechte, die den Missbrauch untersuchen wollte, hat ihre Arbeit mittlerweile eingestellt. Man habe keine Beweise finden können.
Vor einem Monat soll Loujain al-Hathloul ein Gnadengesuch an den saudischen König Salman unterschrieben haben. Die Familie hofft nun, dass die Führung in Riad damit einen Strich unter das PR-Desaster setzen will. Bei der Verhandlung am Mittwoch sagte Loujain al-Hathloul kein Wort, erzählt die Schwester noch. Von ihrem mutigen Lächeln, mit dem sie damals die Grenze passiert hat, ist nicht mehr viel übrig geblieben.
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Die Frau am Steuer
Einer saudischen Aktivistin für Frauenrechte, Loujain al-Hathloul, wird in Riad der Prozess gemacht.