Corona-Chaos in ItalienDie Farce um das Topspiel Juventus gegen Napoli
Ein Ligaspiel ist angerichtet, Heimteam und Fans warten im Stadion, aber der Gegner tritt nicht an: In Italien zeigen sie gerade, was passiert, wenn sich die Liga über die Gesundheitsbehörde hinwegsetzt.

Die Demonstration ist deutlich: Alles ist bereit für ein Fussballspiel. Für ein Topspiel. Juventus Turin gegen Napoli, die Neuauflage des Cupfinals. Einzelne Zuschauer sind im Stadion, Cristiano Ronaldo und Gianluigi Buffon schlendern über den Rasen des Turiner Allianz Stadium, sogar der offizielle Serie-A-Torbogen, durch den die Fussballer marschieren sollen, ist aufgestellt. Um 19.45 Uhr, also eine Stunde vor geplantem Anpfiff, twittert Juventus seine Startaufstellung samt Ersatzspieler. Im Stadion läuft Musik, um nochmals so richtig schön einzuheizen. Apropos einheizen: Mittels einer Mitteilung auf der Videotafel giessen die Turiner nochmals etwas Öl ins Feuer. «Awaiting arrival of away team», steht da. Dabei ist allen Anwesenden klar, dass sie noch ewig auf das Auswärtsteam warten können. Denn es geht um eine Partie, bei der seit Tagen klar ist, dass sie nicht angepfiffen werden und dennoch deutlich länger als 90 Minuten dauern wird.
Los geht das Theater schon Anfang vergangener Woche, als klar wird, dass über 20 Spieler und Staff-Mitglieder von Genua, Napolis letztem Ligagegner, positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Gemäss Covid-Protokoll testen die Süditaliener nun häufiger, gegen Ende vergangener Woche kommuniziert die SSC Napoli die positiven Testresultate von Mittelfeldspieler Piotr Zielinski und Clubmitarbeiter Giandomenico Costi. 24 Stunden später folgt der positive Covid-19-Test von Mittelfeldspieler Eljif Elmas. Insbesondere Elmas’ Ansteckung ist insofern problematisch, weil sie einen Tag vor Anpfiff festgestellt wird – sie zeigt, dass weitere positive Resultate nur eine Frage von Stunden oder wenigen Tagen sein können. Deshalb verhängen die lokalen Gesundheitsbehörden ASL Napoli 1 Centro und Napoli 2 Nord eine Quarantäne für das ganze Team und somit natürlich auch ein Reiseverbot. Dennoch verbreitet Juventus noch am Samstag eine Mitteilung, in der steht: «Unsere erste Mannschaft wird morgen auf dem Platz stehen, um die geplante Partie um 20.45 Uhr auszutragen, so wie es der Serie-A-Kalender vorsieht.»
Der Streit um die Isolation
Die Turiner stützen sich dabei aufs Covid-Protokoll. Dieses besagt, wenn 13 gesunde Spieler zur Verfügung stehen, muss die Partie ausgetragen werden. Und Napoli hatte Stand Sonntagabend «nur» zwei infizierte Spieler – stand aber unter Quarantäne, verhängt von der ASL. Juventus-Präsident Andrea Agnelli ist es wichtig, zu betonen: «Wir befolgen die Protokolle strikt. Das ASL greift nur ein, wenn die Protokolle nicht befolgt werden.» Damit impliziert Agnelli Selbstverschulden von Napoli, also, dass sich das Team nach den positiven Tests von Zielinski und Costi sofort hätten isolieren sollen: «Bei einem Corona-Fall muss sofort eine Bubble kreiert werden.» Die Napoli-Spieler gingen aber ganz normal nach Hause. Deshalb ist der 44-Jährige davon überzeugt, dass Juventus die Partie 3:0 gewinnen muss.

Sein Pendant aus dem Süden sieht das freilich etwas anders. «Die Empfänger des ASL-Schreibens sind verpflichtet, ihre Häuser nicht zu verlassen», schreibt Aurelio De Laurentiis. Für den Napoli-Präsidenten «ein eindeutiger und nicht interpretierbarer Beweis dafür, dass wir nicht befugt waren, nach Turin zu reisen». Deshalb habe er bei der Serie A erneut eine Spielverschiebung beantragt. Zuvor bat er Agnelli via SMS um eine Verschiebung. Dieser zeigte sich unbeeindruckt, wie Agnelli selber sagt: «Diese Bitte kann vielleicht legitim sein. Aber in allen Branchen gibt es Vorschriften, und diese müssen eingehalten werden. Wenn wir uns nicht an die Regeln halten, ist das ein schwerer Fehler. Nicht als Sportler, sondern als Bürger.»

Ob Juventus die drei Punkte tatsächlich am grünen Tisch erhält, entscheidet die Liga am Montag – es ist allerdings davon auszugehen, sogar ein Punkteabzug für Napoli steht im Raum. Deshalb kündigte De Laurentiis bereits vorsorglich an, in diesem Fall in Berufung zu gehen. Wie die italienische Sportzeitung «Gazzetta dello Sport» schreibt, kann die Chance des Einspruchs damit zusammenhängen, wie viele Corona-Tests bei der SSC Napoli in diesen Tagen noch positiv ausfallen werden. Zentral sei jedoch die Frage: Hat Napoli wirklich alles Notwendige getan, um weitere Ansteckungen zu verhindern?
Das ist jetzt Sache der Sportgerichte – und das bereits am dritten Spieltag. Ein für die «Gazzetta» unwürdiges Schauspiel, das ein schlechtes Licht auf den italienischen Fussball wirft: «Das Niveau der Streitigkeiten und des gegenseitigen Misstrauens zwischen Präsidenten steigt täglich schneller als die Corona-Ansteckungsgefahr.»
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