«Deepwater Horizon»-KatastropheDie Explosion riss ihn aus dem Schlaf
Stephen Stone überlebte das Unglück auf der Ölplattform im Golf von Mexiko unversehrt – und bleibt doch schwer traumatisiert.

«Bist du okay?», fragte ihn seine Frau, als er sie endlich, nachts um halb vier, am Handy erreichte. «Yeah, I’m fine», gab er zur Antwort. Als sie ihn später dastehen sah, zusammen mit den anderen Überlebenden, fand sie ihn weder okay noch «fine». «Als er auf mich zukam», erzählt Sara Stone dem «Guardian», «sah ich dem Blick seiner Augen an, dass etwas Schreckliches passiert war.»
Das Schreckliche hatte sich in der vorangehenden Nacht ereignet, auf der Ölplattform Deepwater Horizon, im Golf von Mexiko, 50 Meilen vom Ufer weit weg stationiert. Wie eine Untersuchung ergeben sollte, war Methangas aus dem Ozeanboden aufgestiegen, hatte den brüchig gewordenen Beton durchdrungen und war auf der Plattform in einem Feuerball explodiert. Es war der 10. April 2010.
Stephen Stone hatte nach seiner 12-stündigen Schicht im Unterdeck geschlafen, es war seine letzte Nacht am Ende eines dreiwöchigen Einsatzes. Die Explosion riss ihn aus dem Schlaf. Er zog sich einen Feuerschutz über und stieg zur brennenden Plattform hoch. Elf seiner Kollegen verbrannten, andere wurden verletzt. Stephen überlebte äusserlich unversehrt.
Die Explosion der Deepwater Horizon löste eine jahrelange Umweltkatastrophe aus, die mehrere amerikanische Südstaaten ereilte und deren Tilgung Hunderte von Milliarden Dollar kostete. Bis heute gilt das Unglück als eines der grössten seiner Art. Zuständig waren die Firma British Petroleum und ihre Zulieferer. Präsident der USA war Barack Obama.
Nachts hört er die Schreie
Stephen Stone hat sich bis heute, über zehn Jahre später, nicht vom Unglück erholt. Sein Psychiater diagnostizierte ein posttraumatisches Belastungssyndrom. Stephen spricht wenig, schaut oft ins Leere, meidet Kontakte. Er kann keinen Job behalten, schläft schlecht. Er erschrickt bei lauten Geräuschen, leidet unter Panikattacken und Paranoia. Nachts hört er die Schreie seiner Kollegen.
In den USA sterben viermal mehr Arbeiter auf Ölplattformen als in Europa mit seinen strengeren Gesetzen.
In seine Ängste mischten sich Zorn und Desillusionierung angesichts der Nachlässigkeit, mit der BP die Sicherheitsvorkehrungen auf der Plattform gehandhabt hatte. Das Leasing von Deepwater Horizon hatte BP eine Million Dollar pro Tag gekostet, eine Summe, welche die Firma mit hohem Arbeitsdruck, tiefen Sicherheitsstandards und dem Kampfslogan «make every dollar count» wieder eintreiben wollte. Zwischen 2007 und 2010, befand eine amerikanische Sicherheitsbehörde, habe die Firma BP 760 Sicherheitsbestimmungen verletzt. In den USA sterben viermal mehr Arbeiter auf Ölplattformen als in Europa, wo strengere Gesetze gelten und angewendet werden.
Mehr Öl denn je
Zwar hatte Barack Obama bei seiner Kandidatur versprochen, sich der Klimakrise anzunehmen. Dennoch wuchs die Ölgewinnung unter seiner Präsidentschaft stark an. Obamas Nachfolger Donald Trump baute den Umweltschutz bei den Ölplattformen konsequent ab. Von Joe Biden hat man noch keine andere Politik wahrgenommen.
Was Stephen Stone und seine Frau Sara verbittert: dass viele Leute den Arbeitern auf solchen Anlagen eine Mitschuld an den Umweltkatastrophen geben, die sich bis heute immer wieder ereignen. Dieselben Leute, sagt das Paar, würden unverdrossen ihre SUVs an der Tankstelle füllen. Dass sie das können, dafür sorgen die Politiker, die sie gewählt haben. Republikaner und Demokraten.
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