Baselbieter KantonsgründungDie drei Geheimnisse der Freimaurer
Christoph Grauwiller recherchierte zum Thema Freimaurer. Seine Recherchen ergaben, dass die Freimaurer entscheidend in die Gründung des Landkantons eingegriffen hätten.

«Es ist eindeutig. Die Freimaurer haben zur Gründung und Etablierung des Kantons Basel-Landschaft einen grossen Beitrag geleistet.» Das sagt Christoph Grauwiller, 79-jährig, selbst Meister in einer Basler Freimaurerloge. Grauwiller hat viel Wissen über seinesgleichen zusammengetragen. Auf dieses Wissen baut der Liestaler nun seine Vorträge auf. Zuletzt im Dichter:innen- und Stadtmuseum Liestal.
Im Vortrag ging es um ebendiesen Bezugspunkt der Freimaurer zum Baselbiet. Er wolle aufzeigen, dass ohne das Netzwerk der Baselbieter Freimaurer, «viele sprechen verächtlich von Filz», es mit einem unabhängigen Kanton nicht geklappt hätte. Aber dieser Filz sei viel stärker auf das Allgemeinwohl ausgerichtet «als diese heutige Lobbyarbeit, die nur darauf abzielt, eigene Interessen durchzudrücken».
Christoph Grauwiller sitzt im Falken hinter einem Stoss Akten. Das Restaurant diente der Liestaler Loge «Zur Bundestreue» einst als Lokal. «Über die Freimaurerei wird noch heute sehr viel gemunkelt», sagt er. Dabei gebe es lediglich drei Geheimnisse: die der drei Rituale vom Lehrling über den Gesellen zum Meister. Niemand wisse vor dem Ritual, was ihn erwarte. Erst der Meister kenne alle drei, weil er sie selbst erlebt habe.
Ausgeschlossen, weil sie Verständnis zeigten
Sie waren Eingeweihte, jene neun Freimaurer um Revolutionsführer Stephan Gutzwiller, die aus der Basler Loge ausgeschlossen wurden. Ausgeschlossen, weil sie den Landschäftlern mit Verständnis gegenübertraten. Darunter Karl Gottlieb Kloss, der spätere Schwiegervater von Bundesrat Emil Frey, Johannes Mesmer, in dessen Muttenzer Restaurant Schlüssel sie sich trafen, oder Benedikt Banga, Redaktor der 1832 unter dem Titel «Der unerschrockene Rauracher» gegründete Vorgänger der «Basellandschaftlichen Zeitung».

Politik sei in einer Loge eigentlich tabu, darum seien die Parteinahme und die Ausschlüsse in den Trennungswirren der 1830er-Jahre untypisch. «Religion, Gott sind tabu. Wir haben nur einen allmächtigen Baumeister aller Welten.» Ein Begriff, den der Hindu, der Jude, der Muslim und der Christ akzeptieren könne. Der Meister referiert fliessend aus dem Stegreif. Die bestellte Tasse Tee hat er noch nicht angerührt.
Die hehren Werte
Auch wenn Religion keine Rolle spielen soll, könnten die Ideale der Freimaurer durchaus religionsstiftend sein. Ehrlichkeit, Treue, Güte sind darunter. Widerstand gegen das Unrecht, und vor Gott soll die Freimaurerei Ehrfurcht und Liebe sein. «Man wird nicht Freimaurer, man ist es vorher schon», sagt Grauwiller, der ehemalige Lehrer, Schulleiter, Schulinspektor und Major der Schweizer Armee. «Erkennen soll man den Freimaurer nicht an seinen Worten, sondern an seinen Taten.»
Er sei Pazifist. Durch und durch. Deshalb habe er auch keine Freude am Denkmal, das an die Schlacht an der Hülftenschanz erinnert. «Es bringt uns nichts, Helden zu ehren und den Krieg zu verehren; die Helden waren jene, die zu einer Kerkerstrafe verurteilt wurden, weil sie dem Volk helfen wollten.» An der Hülftenschanz bei Pratteln fand am 3. August 1833 die Entscheidungsschlacht zwischen den Basler Standestruppen und den Landschäftlern statt.
Christoph Grauwiller schweift kurz ab und erzählt en passant eine Anekdote aus seinem reichen Freimaurer-Fundus. Wie Joseph-Ignace Guillotin, ein Freimaurer, der Welt die nach ihm benannte Guillotine geschenkt habe, womit das Unmenschliche menschlicher geworden sei. Freimaurer überall. Mit dem Richtschwert seien oft mehrere Hiebe nötig gewesen, um den Verurteilten zu enthaupten. «Eine Hinrichtung ist alles andere als freimaurerisch», kritisiert er. Im Henkermuseum in Sissach ist ein solches Fallbeil zu sehen.
Volksbefreiung und der Fund in Aarau
Die Freimaurer unter Stephan Gutzwiller seien derart wichtig gewesen, weil sie gebildete Leute waren, lesen, schreiben und rechnen konnten. «Sie hatten das Rüstzeug, im neuen Kanton die nötigen Leute zusammenzutrommeln.» Bildung sei ihnen immer zentral gewesen. «Schulhäuser sollten an erhöhter Stelle gebaut werden, damit das Volk erkennt, das höchste Gut ist nicht die Kirche, sondern die Schule. Volksbildung ist Volksbefreiung.» Auch gründeten die Freimaurer die Hypothekenbank, um die Wirtschaft im Landkanton anzukurbeln.
In Aarau habe er alle Unterlagen zur Loge in Liestal gefunden, erzählt Grauwiller. Dort waren die neun aussortierten Freimaurer der Basler Loge zuerst untergekommen. Auch wurde klar, alle hatten sie eine Beziehung zu Heinrich Zschokke gepflegt. Dieser war einst Abgesandter der Basler Regierung im Konflikt mit den Landschäftlern wie auch Regierungsstatthalter von Basel. «Der Fund in Aarau war mein Aha-Erlebnis und der Schlüssel zur historischen Aufarbeitung», erzählt Christoph Grauwiller. Da steht sie. Die Tasse Tee. Immer noch unangetastet.

Von 1994 bis 2022 betrieb und leitete Grauwiller mit seiner Frau Kathrin das Museum «Zum bunten S». Es zeigte Spielzeug aus dem Erzgebirge. Die 1100 Kilo schwere Sammlung ging vergangenen Herbst ins Spielzeugmuseum nach Seiffen. Zurück ins Erzgebirge.
Symbole
Seine Recherchen zu den Ausstellungsobjekten hätten ergeben, dass die älteste Spielzeugfabrik Europas, die S.F.F. von Samuel Friedrich Fischer, von einem Freimaurer gegründet worden sei. Im Logo finden sich Winkel und Zirkel, Freimaurersymbole wie das allsehende Auge auf der Dollarnote. Die Fabrik produzierte die Spielgaben des Freimaurers und Kindergarten-Erfinders Friedrich Fröbel, eines Schülers von Pestalozzi. Johann Heinrich Pestalozzi selbst sei kein Freimaurer gewesen, habe jedoch vor den Illuminaten gesprochen, einem Orden des deutschen Adels.
«Erkenne dich selbst» sei ein ganz wichtiger Satz der Freimaurer. Wenn er so über sich selbst nachdenke, daran, dass er mit allen in Kontakt getreten sei, welche auf die eine oder andere Weise etwas mit Spielzeug aus dem Erzgebirge am Hut hatten, dann komme er zum Schluss: «Ich bin nicht jemand, der sammelt, um Besitz anzuhäufen; ich bin ein Sammler von Beziehungen.»
Das Gespräch ist zu Ende, die Unterlagen wieder gebüschelt. Endlich Zeit für den Tee.
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