Die Busspredigerin
Wie Linkspopulisten uns verführen. Eine Serie. Heute: Doris Leuthard. In einer Woche: Alain Berset.

Es wird in diesen Tagen oft über Populismus gesprochen, besser: geschimpft – und natürlich meint man den Populismus der Rechten, während es den linken Populismus für diese Kritiker ohnehin nicht gibt. Wenn wir aber Populismus als eine politische Methode bestimmen, die darin besteht, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen, das sich aber nie verwirklichen lässt, dann hat der linke Populismus heute viel mehr Konjunktur, und vor allem mehr Gewicht.
Denn selbst Regierungen hat er längst erfasst, insbesondere den Bundesrat und die Mehrheit unseres Parlaments. Zwei Bundesräte sind derzeit als die begabtesten und verheerendsten Linkspopulisten zu bezeichnen: Doris Leuthard und Alain Berset. Die Erstere, angeblich eine Christlichdemokratin, tatsächlich eine Krypto-Grüne, haben wir hier schon oft beurteilt – wenig lässt sich anfügen, ausser dem jüngsten Beispiel, das in Bondo vorfiel. Vor gut einer Woche sind hier bis zu vier Millionen Kubikmeter Gestein abgebrochen und ins Tal gestürzt. Es ist einer der grössten Bergstürze der jüngeren Vergangenheit.
Ausgestattet mit grossen Stiefeln, hellem Mantel und traurigem Blick, hat Leuthard umgehend das Katastrophengebiet im Bergell aufgesucht, um als Bundespräsidentin zum Rechten zu sehen, was ja in Ordnung wäre und von ihr auch erwartet wird. Dass sie aber eine solche Tragödie, wo wohl Menschen gestorben sind, so bedenkenlos für ihre politischen Ziele ausnutzt: Es ist bemerkenswert.
An einer Pressekonferenz, die das Schweizer Fernsehen übertrug, setzte sie sich neben die Gemeindepräsidentin des schwer geprüften Dorfes, fasste diese auch an, um sie trösten, was sympathisch wirkte, um dann im Höhepunkt der Emotion, als sie den Tränen nahe schien, zu sagen: «Permafrost, Murgänge, Klimawandel: Es ist halt eine Realität – auch wenn einige das immer noch nicht glauben.» Im Blick, einer Zeitung, die ihr fast immer gewogen ist, sagte sie es dann noch deutlicher: «Vor allem aber müssen wir uns mit dem Gedanken abfinden, dass es durch den Klimawandel noch weitere solche Bergstürze geben wird.»
Voreilige Schlüsse
Was Leuthard nicht sagte, aber in ihren Worten mitschwang: Wenn wir eine andere Politik wählen, zum Beispiel ihre, dann lassen sich solche Bergstürze in Zukunft eindämmen. Denn Leuthards Energiepolitik gründet auf dem Glauben, man könne den Klimawandel aufhalten oder abbremsen, indem wir den CO2 vermindern – und dann gäbe es logischerweise auch weniger Bergstürze.
Die acht Vermissten von Bondo sind noch nicht geborgen, wohl sicher aber tot, noch bewegt sich der Berg, und die Gefahr bleibt bestehen – doch Doris Leuthard denkt an ihre Energiepolitik und macht den Menschen Angst, zu einem Zeitpunkt, da noch völlig unklar ist, worin genau die Ursachen dieses Unglücks liegen. Dass sie mit dem Klimawandel überhaupt zu tun haben, ist alles andere als sicher.
Vor gut einer Woche sagte Andreas Huwiler vom Bündner Amt für Wald und Naturgefahren, ein Geologe, in der NZZ über den Bergsturz von Bondo: «Bis jetzt können wir den Einfluss des Permafrostes auf solche Ereignisse noch nicht genau quantifizieren. Vermutlich ist er klein. Allerdings erwarten wir, dass der Klimawandel nicht nur höhere Temperaturen, sondern auch intensivere Niederschläge bringt. Und wir wissen, dass Wasser grosse Felsstürze auslösen kann, wenn es in tiefe Klüfte vordringt und dort gefriert. Dadurch wird ein grosser Druck auf das umliegende Gestein ausgeübt. Insofern könnte der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten zu einer leichten Zunahme solcher Ereignisse führen. Ich bezweifle aber, dass dieser Effekt statistisch signifikant sein wird.»
Mit anderen Worten, die politisch so erwünschte Aussage von Leuthard wird durch die Fakten keineswegs abgestützt.
Huwiler hat 2011 im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes einen anderen Bergsturz am gleichen Berg untersucht – dabei ist im Auge zu behalten, dass Geologen zwischen Bergstürzen und Felsstürzen unterscheiden, je nach dem Volumen des Gerölls. Wenn mehr als 1 Million Kubikmeter abbrechen, handelt es sich um einen Bergsturz, in Bondo war das ohne Frage der Fall. Bergstürze kommen naturgemäss seltener vor. Zu welchen Schlüssen kam Huwiler 2011, als er den Zusammenhang zwischen Bergsturz und Klimawandel zu ergründen suchte?
«Eine Erkenntnis ist, dass die Prozesse, die einem Bergsturz vorausgehen, sehr lange dauern. Wir sprechen hier von Tausenden von Jahren. Bergstürze dieser Grössenordnung sind deshalb weitgehend unabhängig von der Temperaturentwicklung. Sie können sich zu jeder Jahreszeit ereignen. Der Permafrost ist sicher nicht der alleinige Auslöser gewesen. Möglicherweise hat er den Abbruch sogar verzögert. Es gibt eine Vielzahl von anderen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit es zu einem Bergsturz kommt. Anders sieht das bei kleineren Felsstürzen oder bei Steinschlägen im Hochgebirge aus. Solche Ereignisse können in heissen Sommern durchaus gehäuft auftreten, weil oberflächennaher Permafrost auftaut. Das zeigen die Erfahrungen aus den Hitzesommern im Jahr 2003 oder 2015.»
Man muss sich diese vorsichtigen Worte des Wissenschaftlers auf der Zunge zergehen lassen: «Wir sprechen hier von Tausenden von Jahren», sagte Huwiler mit Blick auf Bergstürze, aber Leuthard, die Anwältin, behauptet mit traumwandlerischer Sicherheit, die Ursachen des Bergsturzes von Bondo schon heute zu kennen, die darin zu suchen sein sollen, dass der Mensch sich am Klima versündigt hat. Seit gut 200 Jahren hat der CO2 zugenommen, weil der Mensch die fossilen Brennstoffe wie Kohle oder Öl intensiver nutzt als vorher, und es ist möglich, dass sich auch deshalb das Klima erwärmt hat, wobei dies längst nicht bewiesen ist. Die Ursachen eines Bergsturzes aber, so hat Huwiler herausgefunden, liegen Tausende von Jahren zurück. Kurz, der Bergsturz von Bondo dürfte mit dem Klimawandel nicht allzu viel zu tun haben.
In Zeiten der Krise
«Witwenschütteln» nennt man unter Journalisten die etwas unappetitliche Methode, nach einem Unglück bei den Angehörigen aufzukreuzen und sie unter Tränen dazu zu bringen, Informationen preiszugeben. Man nutzt die seelische Erschütterung aus, um Dinge zu erhalten, die man sonst nur schwer bekäme. Was Leuthard tut, erinnert daran. Um ihre untaugliche Energiepolitik durchzusetzen, nutzt sie jede Tragödie und bringt das erschütterte Publikum dazu, sich ihre Argumente anzuhören.
Es ist Linkspopulismus in Vollendung, was uns die Bundespräsidentin hier bietet, nicht zum ersten Mal. Statt die Menschen zu beruhigen und zu helfen, zieht die Katholikin wie einst Savonarola, der humorlose Bussprediger in Florenz, von Katastrophe zu Katastrophe, sie klagt an, tröstet Gemeindepräsidentinnen, warnt vor weiteren Katastrophen und ermahnt uns Bürger und Steuerzahler zur Umkehr, ansonsten wir in der Hölle verbrennen.
1806 ereignete sich der Bergsturz von Goldau. 40 Millionen Kubikmeter Nagelfluhgestein rutschten in die Tiefe und begruben mehrere Dörfer. 457 Menschen kamen um. Es war eine der grössten Naturkatastrophen der Schweizer Geschichte. Manche sahen darin ein Zeichen Gottes, der uns zur Umkehr aufforderte, andere untersuchten es wissenschaftlich. Die Politiker hingegen riefen zu nationaler Solidarität auf, keiner behauptete, er hätte die Lösung, um Bergstürze einzudämmen. Vom Klimawandel war keine Rede. Man glaubte noch an Gott.
Der zweite grosse Linkspopulist unseres Landes ist Alain Berset, ein Sozialdemokrat. Ihm und seiner genauso populistischen AHV-Reform, über die wir am 24. September abstimmen, widmen wir den nächsten Leitartikel.
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