
Heute schon im Stau gestanden – oder zumindest verzweifelt einen Parkplatz gesucht? Dann haben Sie bestimmt genug Adrenalin im Blut, um über die Initiativen des Gewerbeverbandes «Zämme fahre mir besser!» und «Parkieren für alle Verkehrsteilnehmer» zu debattieren.
Basel macht mobil. Voller Leidenschaft werfen Befürworter und Gegner der Vorlage der Abstimmung vom 9. Februar Argumente auf die Fahrbahn, drücken die Bremse durch oder versuchen, sich hupend Gehör zu verschaffen.
Es wäre eine Überraschung, wenn der Gewerbeverband seine Initiativen an der Urne durchbringen würde; zu stark ist die Front in der rot-grün beherrschten Stadt, zu dominant der neue Geist des Klimawandels, bei dem die Grenze zwischen Vernunft und Hysterie so schnell verwischt wird.
Dass der Gewerbeverband mit seinem politischen Vorstoss für seine Kunden und somit für eine ganze Branche kämpft, ist nichts als logisch, auch wenn seine führenden Köpfe wie Marcel Schweizer oder Gabriel Barell alles andere als politische Ikonen sind und auf dieser Bühne etwas hilflos wirken.
Die Basler Räte missbrauchen die Verkehrsvorlage, um selbst daraus Kapital zu schlagen.
Der Gegenvorschlag der Basler Regierung jedoch ist näher einem Skandal als einer politischen Schlaumeierei zuzuordnen; er verlangt, dass bis 2050 nur noch emissionsarme Verkehrsmittel in die City fahren dürfen. Damit zielt der Vorschlag des Grossen Rates und von Wessels & Co nicht annähernd in die gleiche Richtung. Die Räte missbrauchen eine Vorlage, um selbst daraus Kapital zu schlagen. Das ist undemokratisch und sollte mit einer Fahrt in die Sackgasse bestraft werden.
Wie auch immer am 9. Februar das Basler Stimmvolk entscheiden wird: Viele Menschen halten den motorisierten Individualverkehr nicht für zukunftsfähig. Der Klimawandel, der «Greta-Effekt» mit einer aufbegehrenden Jugend, stundenlange Staus und verstopfte Strassen verleiten zum Gedanken, dass nur der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr die Lösung aller Probleme sein kann.
Selbstverständlich muss dieser weiter ausgebaut und verfeinert werden, dennoch sei die Prognose gewagt: Die beste Zeit des Autos kommt erst noch.
Das Kosten-Nutzen-Verhältnis
Ein entscheidender Faktor der Zukunft ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die zunehmende Elektromobilität und vor allem autonom fahrende Autos werden diese Rechnung in den nächsten zehn Jahren markant verändern – zugunsten des Autos. Die Erklärung dahinter ist simpel.
Eine stetig wachsende Wirtschaft, die immer mehr Einkommen sichert, sind der Motor einer Gesellschaft, die immer mehr Mobilität und Unabhängigkeit wünscht. Der KV-Angestellte fährt gerne schon um 5 Uhr morgens los Richtung Büro, damit er um 15 Uhr Feierabend machen und später noch ins Fitness kann. Die Putzfrau zieht erst abends um 19 Uhr davon und kehrt erst gegen 22 Uhr zurück. Individualität und ganz persönliche Freizeit- und Arbeitsgestaltung: Das ist die moderne Gesellschaft.
Direkte Tür-zu-Tür Verbindung
Der Mann vom Büro und die Putzfrau möchten gerne schnell von A nach B kommen und am liebsten nebenbei noch etwas erledigen. Als direkte Tür-zu-Tür-Verbindung ausserhalb der Ballungszentren war das Auto schon immer geeignet, doch die Zukunft wird uns elektrisch betriebene und selbststeuernde Fahrzeuge bringen.
Das dürfte unsere gesamte Verkehrspolitik revolutionieren – und das Auto auch für Städte wie Basel wieder hochattraktiv machen. Denn der erste und der letzte Streckenkilometer sind für die Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel ausserhalb eines Zentrums sehr oft eine Qual; hier fehlt die Haltestelle, dort tuckert der letzte Bus des Tages bereits um 20 Uhr los.
Selbstfahrende Autos und damit die Elektromobilität jedoch werden zahlreiche Vorteile vereinen. Die Stickoxid- oder Feinstaubdebatte gewinnen sie um Längen. Die Delikte auf der Strasse werden sich um das Dutzendfache reduzieren, und der Benutzer im Fond des Wagens erobert sich das zurück, von dem er chronisch zu wenig hat: Zeit. Er kann ungestraft lesen, telefonieren, essen, trinken, schlafen. Der Computer weist ihm die Route.
Dank selbstfahrenden Wagen wird das Auto künftig auch für Auto-Unwillige attraktiv. Für Leute ohne Führerschein zum Beispiel.
Wenn der Mobilbenutzer will, gabelt er zusätzlich Passagiere auf, die sich an den Kosten beteiligen und mithelfen, die Pendlerströme zu reduzieren. Diese völlig neue Form von Autofahren werden vor allem jene nutzen, die es heute nicht gerne tun oder nicht können. Und das sind viel mehr, als man denkt.
Natürlich ist der Weg zum selbstfahrenden E-Mobil noch weit. Natürlich wird es noch viele Diskussionen geben über Kosten, Nutzen, Entwicklung und Entsorgung der Fahrzeuge. Es gibt eine Menge juristische Fragen.
Und natürlich wird viel Romantik auf der Strasse kleben bleiben. Das Automobil ist für viele weit mehr als ein Fortbewegungsmittel. Es ist der gelebte Traum von Freiheit, von der Kunst des Überholens, von der Magie des Tempos, dem ungetrübten Blick durch die Frontscheibe, immer schneller, immer weiter, immer freier.
Doch die Betrübnis darüber wird nicht ewig dauern, auch nicht bei den Männern. 1920, zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, begann der Siegeszug des Automobils. Nun, hundert Jahre später, wird das Statussymbol Nummer eins mit grösster Wahrscheinlichkeit eine Renaissance erleben: von der verteufelten Dreckschleuder zur umweltschonenden Bequemkarosse, mit der man Zeit und Nerven spart.
Die Verlierer der Zukunft dürften in erster Linie der öffentliche Verkehr in den Agglomerationsgemeinden sowie die Staatsbahnen sein.
Die Verlierer der Zukunft dürften in erster Linie der öffentliche Verkehr in den Agglomerationsgemeinden sowie die Staatsbahnen sein. Der Schienenverkehr wird für die Fracht gebraucht, Dienstleister wie die SBB genügen höchstens noch für lange Distanzen. Doch die hohen Preise, der schlechte Service und die notorischen Verspätungen kratzen seit Jahren am Lack der einstigen Vorzeigebahn. Wer steht schon gerne morgens um sieben Uhr bei null Grad am Perron und wartet wieder eine halbe Stunde auf den nächsten Anschluss?
In den Städten sind die Weichen auf Tramverbindungen und S-Bahnen gestellt, wobei Schienen grundsätzlich nicht in die Zukunft führen, sondern in die Vergangenheit. Wer das Klima schonen will, braucht neue Technologien – wie die E-Mobilität auf der Strasse oder neue Flugzeugtriebwerke in der Luft. Das ist der Weg für die nächsten Generationen.
Gewerbe verdient Unterstützung
Das alles nützt dem Basler Gewerbeverband in den Tagen des Abstimmungskampfes herzlich wenig, während er für eine Vorlage kämpft, die man durchaus unterstützen kann. Noch brauchen seine Handwerker geräumige Autos oder Lieferwagen, um in der Stadt an Aufträge und Kunden zu kommen.
Doch auch für das malträtierte Gewerbe wird die Forschung neue Technologien entwickeln, die sie in der Spur halten. Bis zum 9. Februar allerdings reicht die Zeit nicht.
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Die beste Zeit des Autos kommt erst noch
Selbstfahrende und elektrische Fahrzeuge werden die Verkehrspolitik auch in Basel revolutionieren.