Die Baustellen zwischen Bern und Paris
Zwischen der Schweiz und Frankreich gibt es schwelende Probleme. Macrons Wahl könnte diese zuspitzen.

Um 21.26 Uhr liess die Bundespräsidentin Doris Leuthard ihrem Kollegen Emmanuel Macron über Twitter zur Wahl gratulieren. Sie besann sich auf die gemeinsame Sprache und Werte. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass die «guten Nachbarschaftsbeziehungen» aufrechterhalten blieben.
Die Sätze waren verpackt in prächtige Förmlichkeit, in ihnen lag aber auch die Hoffnung, dass es mit Macron gut kommen möge – gibt es in dieser Nachbarschaft doch einige Baustellen. Die da wären:
- Der Steuerstreit
- Das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU
- Die Grenzgängerproblematik
Im Steuerstreit birgt die Pauschalbesteuerung offene Fragen. Von den 5400 in der Schweiz Pauschalbesteuerten stammen laut Schätzungen rund 2000 aus Frankreich. Weil Frankreich diese Leute seit 2013 fiskalisch härter anpackt, spricht die Schweiz von einem Bruch mit dem Doppelbesteuerungsabkommen. Problemzonen sind aber auch der Umgang mit gestohlenen Bankdaten (Fall Falciani) und das Pariser Unverständnis über die restriktive Schweizer Haltung bei der Steueramtshilfe.
Zudem gibt es den Fall UBS. Die Grossbank steht wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung und Geldwäscherei vor Gericht und hat kürzlich einen Vergleich über 1,1 Milliarden Euro abgelehnt – die UBS lässt es draufankommen, der Prozess kann Jahre dauern. Weil Macron ein ehemaliger Rothschild-Banker ist und die Sozialisten den Elysée-Palast räumen mussten, bezeichnet die «Handelszeitung» die Chancen für einen apolitischen Prozess als gut.
Macron wird die EU stärken
Seit drei Jahren führen Bern und Brüssel Gespräche über das Abkommen, das die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz modifizieren will. Macron gilt als starker Befürworter eines starken Europa. Damit hat die EU an Stärke gewonnen, und so scheint für Experten auch klar, dass Macron einen Abschluss dieses institutionellen Rahmenabkommens forcieren wird. In diesem geht es unter anderem auch darum, ob der Europäische Gerichtshof bei Streitfragen zwischen Bern und Brüssel entscheiden kann.
EU-Experte Gilbert Casasus ist Professor an der Universität Freiburg und sagte kürzlich der «NZZ am Sonntag»: «Macron strebt einen europäischen Protektionismus an. Mit mehr Schutz der europäischen Wirtschaft gegenüber der Konkurrenz aus Übersee und Asien, mit einer stärkeren Integration gegen innen.» Damit die Schweiz an diesem Markt weiterhin teilnehmen könne, werde ein institutionelles Rahmenabkommen noch stärker ins Zentrum rücken. Der Druck auf die Schweiz vonseiten EU dürfte also steigen.
Das Positive an Macrons Wahl
Ein weiteres Problem gibt es rund um die Grenzgänger. Frankreich will die Schweiz vermehrt an der Arbeitslosenversicherung beteiligen. Die Franzosen stören sich darüber, dass der Staat – und somit die Steuerzahler – arbeitslosen Grenzgängern Gelder auszahlen müssten, die proportional zu den Schweizer Löhnen seien. Diese sind rund dreimal höher als in Frankreich. So hat die französische Arbeitslosenversicherung 2014 460 Millionen Euro an arbeitslose Grenzgänger ausgezahlt, wovon die Schweiz nur 131 Millionen zurückbezahlte.
Wie Macron auf die einzelnen Punkte reagieren wird, ist noch unklar. In seinem Wahlprogramm ist wenig überraschend von der Schweiz keine Rede. Trotzdem kann bereits heute Positives aus Macrons Wahl gewonnen werden: Die Gefahr einer drastischen Euroabwertung bzw. Frankenaufwertung, die bei einem Wahlsieg von Marine Le Pen gedroht hätte, ist gebannt.
Eine Frankenaufwertung hätte Schweizer Exporte in den EU-Raum erheblich erschwert. Der Franken hat sich zum Euro merklich abgeschwächt. Am Freitag kostete die Gemeinschaftswährung 1,086 Franken, noch am 21. April lag der Eurokurs unter 1,07 Franken. Le Pen hat nie einen Hehl aus ihrer Kritik an der Währungsunion gemacht. Die Wahl Macrons hat den Finanzmärkten nun jegliche kurzfristigen Schreckensszenarien genommen.
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