Neubau der Waldenburgerbahn Die Baustelle der Superlative schürt grosse Hoffnungen
Trotz Lärm, Staub und Verkehrsbehinderungen sind die Menschen überzeugt, dass die neue Waldenburgerbahn den Aufschwung im Tal bringt.

Immer wieder zückt Reto Rotzler sein Handy und macht Fotos. Einerseits, um für die nächste Präsentation aktuelles Bildmaterial zu haben, andererseits, weil selbst für den erfahrenen Ingenieur der Neubau der Waldenburgerbahn (WB) etwas Spezielles darstellt. Seit achtzehn Jahren ist der WB-Gesamtprojektleiter bei der BLT, heute ist er Leiter Infrastruktur. Zuvor war er im Tunnelbau tätig.
Besonders eindrücklich ist die Situation in Niederdorf, da nicht nur für die Bahn gebaut, sondern gleichzeitig auch der Hochwasserschutz entlang der Frenke verbessert wird, indem das Flussbett verbreitert und tiefer gelegt wird. Es sind so quasi zwei Baustellen in einer.

Die tief in den Untergrund ragenden Stahlwände und mehrere Kräne prägen aktuell das Dorfbild. In Richtung Oberdorf holt ein Bohrgerät mit einer sogenannten Schnecke Material aus dem Boden, um reihenweise Stützpfeiler einzusetzen. Auf diese werden später die Betonplatten gelegt, auf denen das Gleisfeld mit dem Schotter verlegt wird.
Damit könne der Neubau der Bahn beschleunigt werden, erklärt Rotzler, da so die Arbeiten am Hochwasserschutz unterhalb des Trassees auch nach Inbetriebnahme des neuen Waldenburgerli Ende 2022 weitergehen könnten.
Breiteres Trassee
Der Zeitplan bis zur Inbetriebnahme ist ambitioniert, das gibt auch Rotzler zu. Die Arbeiten selber auf den sieben Abschnitten, die als «Lose» bezeichnet werden, seien hingegen nicht allzu komplex. «Die grösste Herausforderung ist die schiere Dimension.» 13 Kilometer lang ist die Baustelle zwischen Liestal und Waldenburg. Sie ist somit von der Fläche her die aktuell grösste in der Region.
Bauliche Knackpunkte seien die zahlreichen Kunstbauten, die nötig sind, um unter anderem dem breiteren Trassee den nötigen Platz zu geben. Eine wichtige Rolle spielen dabei Stützmauern, die an mehreren Orten vor Ort geschalt und betoniert werden.
Bei der Haltestelle Lampenberg-Ramlinsburg ersetzen sie zur Bärenmattenstrasse hin die diagonal abfallende Böschung. «Setzen wir die senkrechte Stützmauer genau an die Strasse anstelle einer schrägen Böschung, gewinnen wir natürlich Platz», beschreibt Rotzler das Vorgehen.
Wenig Reklamationen
Doch an gewissen Stellen reicht dies nicht. So wird zwischen der besagten Haltestelle und dem Dorfeingang von Hölstein die Strasse leicht versetzt und etwas vom Hang abgetragen, um den nötigen Platz für das Bahntrassee zu schaffen. Dieses erhält zwecks mehr Flexibilität in der Fahrplangestaltung mehr Doppelspurabschnitte als zuvor.
Während es zwischen Liestal und dem Dorfeingang von Hölstein ausser der Strasse wenig gibt, was die Bauarbeiten räumlich einschränkt, wird es ab Hölstein aufwärts in den Dörfern eng. Umso grösser sind die Einschränkungen und die Immissionen aus Lärm und Staub. Die BLT hat von Beginn an auf eine offene und transparente Kommunikation gesetzt. Das habe sich bewährt, ist Rotzler überzeugt. Über die extra eingerichtete Hotline, das Kontaktformular auf der BLT-Website und am Infopoint in Niederdorf, wo die BLT jeden zweiten Donnerstag Interessierte zum Gespräch einlädt, kämen wenig Reklamationen zusammen.
Positive Grundstimmung
Dies bestätigen auch die angefragten Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten aus dem Waldenburgertal. «Zu mir ist noch niemand gekommen, der reklamiert hat», sagt Oberdorfs Gemeindepräsident Piero Grumelli, der eine positive Grundstimmung gegenüber der Baustelle wahrnimmt.
Die Immissionen an der Baustelle seien schon stark, aber wichtig sei, dass man erkenne, dass es vorwärtsgehe. «Dann nimmt man viel eher auch mal Lärm und Dreck in Kauf», gibt Grumelli zu bedenken. Er sei zwar auch wehmütig, wenn er an die alte Bahn denke. Doch die neue Bahn werde schon nur vom Komfort her ein «riesengrosses Plus» für das Tal darstellen.
Andrea Kaufmann, die Gemeindepräsidentin von Waldenburg, wo primär der Bahnhof neu gebaut wird, empfindet die Baustelle als «ertragbar». «Wir müssen da jetzt durch. Dafür haben wir nachher eine tolle Bahn.» Dieses Gefühl herrsche auch in grossen Teilen der Bevölkerung vor.
Hölsteins Gemeindepräsidentin Andrea Heger bekommt aufgrund von Lärm, Sicherheitsbedenken und Verkehrsbehinderungen vereinzelt Reklamationen zu hören. Die offene Kommunikation der BLT habe wohl noch mehr negative Rückmeldungen verhindert. Heger glaubt auch, dass die Hoffnung, die neue Bahn bringe dem Tal Positives, den Ärger etwas dämpfe.
Für die Läden im Tal bedeuten die Bauarbeiten weniger Laufkundschaft, verrät Alex Bärtschi, Präsident von KMU Waldenburgertal. «Manchmal sind Zugänge zu Läden eingeschränkt. Ich muss die Bauarbeiter und die Bauleitung aber loben. Es geht vorwärts, und die Informationen fliessen dort, wo es möglich ist, gut.»
Baustelle unter Beobachtung
Die Menschen im Tal leben mit ihrer Baustelle. Nur für wenige ist sie offensichtlich ein Ärgernis, wie für eine Frau, die gerade gestresst durch Niederdorf marschiert und meint, «wenn wir das Ausmass gewusst hätten, wären wir wohl dagegen gewesen». Für die meisten ist die Baustelle ein Hoffnungsträger – ein Zeichen, dass es mit dem Tal als Wohn- und Arbeitsort wieder bergauf geht.
Die BLT spüre, dass die WB-Baustelle keine normale Baustelle sei, sagt Rotzler. «Mit dem Waldenburgerli sind viele Emotionen verbunden. Die Bahn ist für das Tal identitätsstiftend. Dementsprechend werden auch die Bauarbeiten wahrgenommen und genau beobachtet.»
Die einstige Identität der Schmalspurbahn mit ihren rot-weissen Waggons verschwand im Frühjahr innerhalb von zwei Wochen. Bis heute sind nur noch wenige Gleisabschnitte und Wartehäuschen wie in Niederdorf bei der Holdenwegbrücke übrig geblieben. Dort trifft Geschichte auf Aufbruch, Bahnhistorie auf modernen öffentlichen Verkehr. Doch auch dieses Nebeneinander hat schon bald ein Ende.
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