«Die Arbeitgeber versprechen sich etwas von diesem Instrument»
«Bürokratiemonster» oder «vielversprechendes Instrument»: Was Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter zur ersten Bilanz zur Stellenmeldepflicht sagen.

Es gibt (noch) Themen, bei denen sich Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter einig sind. Dazu gehört die Stellenmeldepflicht: Sie werde mittlerweile gut umgesetzt, die anfänglichen Schwierigkeiten seien überwunden, heisst es beiderorts. Und die deutlich höhere Zahl an gemeldeten offenen Stellen seit der Einführung der Meldepflicht im Juli 2018 zeige, dass das neue Instrument von den Arbeitgebern ernst genommen werde.
Einzig der Verband Gastro Suisse, der die Restaurations- und Hotelleriebranche vertritt und zum Schweizerischen Arbeitgeberverband gehört, bleibt bei seiner Fundamentalkritik: Die Stellenmeldepflicht sei ein «Bürokratiemonster, das ausser Schikanen nichts bringt», enerviert sich Verbandspräsident Casimir Platzer. «Natürlich kann man keine Wunder erwarten», räumt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), ein. In Kantonen wie Zürich oder Aargau, wo die Arbeitgeber schon bisher eng mit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zusammengearbeitet hätten, laufe die Meldepflicht gut. Andernorts brauche es noch etwas mehr Zeit, um Vertrauen aufzubauen.
Gleichwohl billigt Lampart den Arbeitgebern zu, dass sich deren Bewusstsein im Zuge der Meldepflicht ändere. «Dass bis heute viel mehr Stellen gemeldet werden als ursprünglich erwartet – und viele freiwillige Meldungen erfolgen –, zeigt doch: Die Arbeitgeber versprechen sich etwas von diesem Instrument», sagt der SGB-Vertreter. Noch eine positive Wirkung schreibt Lampart der Meldepflicht zu: «Nach unseren Beobachtungen spielen die öffentlichen Stellenvermittler wieder eine grössere Rolle.» Zugleich hätten die «schwarzen Schafe» unter den privaten Vermittlern weniger stark zugelegt, oder sie seien zum Teil ganz aus dem Markt gedrängt worden.
Kritik an der Wartefrist
«Heute wissen wir, die Stellenmeldepflicht ist gut aufgegleist worden, und sie funktioniert», sagt Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik beim Arbeitnehmerverband Travailsuisse. Aber sie sei ja kein Selbstzweck, ergänzt Fischer, «und was wir bis jetzt nicht wissen: Entfaltet sie auch Wirkung?» Zu dieser Frage will sich das Staatssekretariat für Wirtschaft erst in einem Jahr im Rahmen einer Wirkungsevaluation äussern. Fischer hat dafür Verständnis: Um etwa zu ermessen, ob und wie sich die Meldepflicht auf das Rekrutierungsverhalten der Arbeitgeber auswirkt, müsse der Beobachtungszeitraum noch etwas länger sein.
Hingegen bemängelt der Travailsuisse-Mann, dass die Arbeitgeber kaum begründen müssten, weshalb sie aus den Dossiers, die ihnen von den RAV zugeschickt wurden, keine Einstellungen vorgenommen hätten. «Dies schwächt die Meldepflicht als Rekrutierungsinstrument», sagt Fischer.
Ganz anders sieht dies der Arbeitgeberverband. «Je nach Kantonsind die Firmen gehalten, für die Rückmeldungen, warum sie für die Dossiers der RAV keine Verwendung gehabt haben, umfangreiche Fragebogen in Papierform auszufüllen», moniert Daniella Lützelschwab, Leiterin des Ressorts Arbeitsmarkt. Generell plädiert sie für eine effizientere Ausgestaltung der Meldepflicht. Dies sei der beste Weg, um die Akzeptanz bei Arbeitgebern zu erhöhen. Vorbehalte äussert Lützelschwab besonders bezüglich der fünftägigen Wartefrist für gemeldete Stellen. Da die RAV für rund 45 Prozent der Stellenmeldungen gar kein Dossier einreichen, bedeute dies für viele Arbeitgeber «untätiges Warten», bis sie andernorts rekrutieren könnten. Dabei bestehe oft hohe Dringlichkeit bei Neueinstellungen. Mit der neuen Berufsnomenklatur ab 2020, die eine feinere Einteilung der Berufsarten erlaubt, wird dagegen einem Kritikpunkt der Arbeitgeber sowie namentlich von Gastro Suisse Rechnung getragen. Prompt werden nun die meisten gastgewerblichen Berufe nicht mehr der Meldepflicht unterliegen.
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