Die Anti-Putin-Kette
Eine Woche vor der Präsidentschaftswahl demonstrierten in Moskau Tausende in einer Menschenkette gegen Wladimir Putin. Fraglich bleibt, ob die Proteste seinen Einzug in den Kreml verhindern können.
In Moskau bildeten die Demonstranten eine kilometerlange Menschenkette. Das Ziel der Aktion bestand darin, um die Ringstrasse im Stadtzentrum eine 16 Kilometer lange Menschenkette mit mehr als 34'000 Teilnehmer zu bilden. Die Opposition will damit gegen die Kandidatur Putins für das Amt des Präsidenten protestieren, das er bereits von 2000 bis 2008 innegehabt hatte.
Die Polizei sprach von mehr als 11'000 Teilnehmern, die Organisatoren hingegen von 40'000. An der Menschenkette nahmen auch prominente Oppositionelle wie der Anti-Korruptions-Aktivist Alexei Nawalny, der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow und der Chef der regierungskritischen Linksfront, Sergei Udalzow, teil.
Proteste auch in anderen Städten
Zu den Teilnehmern zählten Menschen aller Altersgruppen, die trotz eisiger Kälte zur Ringstrasse kamen. Viele Demonstranten trugen weisse Bänder als Erkennungszeichen der Opposition. «Die Menschen sind hier, weil sie hoffen, dass ihre Stimmen dieses Mal gezählt werden», sagte ein Protestteilnehmer.
Gegen mögliche Fälschungen bei der Präsidentenwahl hatten Oppositionelle bereits am Samstag in St. Petersburg protestiert. Auch dort waren Garri Kasparow und Alexei Nawalny präsent. Der Kreml habe bereits vorab entschieden, dass Putin zum Sieger der Wahl am 4. März erklärt werden solle, sagte Kasparow. Schon jetzt stehe fest, dass Putin ein Stimmenanteil von 60 Prozent bescheinigt werde.
Die «Revolution», die Russland brauche, müsse ohne Gewalt vonstattengehen, sagte Nawalny. Das Internetportal Kasparov.ru gab die Zahl der Demonstranten mit 15'000 an, die Polizei dagegen sprach von nur von 2500 Menschen.
Zarendämmerung in Putins Reich
«Das Land braucht einen Zaren.» Mit diesen Worten forderte Rustam Minnichanow als Präsident der wichtigen russischen Wolga-Region Tartastan vor wenigen Tagen seine Landsleute auf, bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag in einer Woche für Wladimir Putin zu stimmen. Doch was sich in Russland derzeit abspielt, gleicht vielmehr einer Zarendämmerung. Putin, der sich gern als starker Mann in Szene setzt, sieht sich einer beispiellosen Protestbewegung gegenüber. Diese wird seinen erneuten Einzug in den Kreml wohl nicht verhindern können. Dennoch bleibt Putin unter Druck.
Das Machtspiel schien perfekt ausgeklügelt: Nach seinem vierjährigen Zwischenspiel als Regierungschef drängt Wladimir Putin nun wieder zurück ins höchste Amt des Staates. Dort hatte er 2008 seinen Zögling Dmitri Medwedew als Platzhalter installiert, weil ihm die Verfassung keine dritte Amtszeit in unmittelbarer Folge erlaubte. Putin selbst wechselte ins Amt des Ministerpräsidenten – eine wohlkalkulierte Tandem-Lösung. Die soll es weiterhin geben, nur in umgekehrter Besetzung. Nach der Abstimmung soll Putin wieder im Kreml sitzen, Medwedew dann im Weissen Haus, dem Amtssitz des Regierungschefs.
Schlechte Chancen für die Gegner
Vielen Russen stösst die Ämter-Rochade bitter auf. Denn nach einer Verfassungsänderung, die der Noch-Präsident Medwedew durchgesetzt hat, wählen sie ihren Staatschef nun nicht mehr nur für vier Jahre, sondern gleich für sechs. Mit wieder zwei Amtszeiten in Folge könnte Putin also bis zum Jahr 2024 Präsident bleiben. Noch dazu wird die Duma nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl von seiner Partei Einiges Russland dominiert. Gegen das umstrittene Wahlergebnis und die Präsidentschaftskandidatur Putins machen seine Gegner deshalb seit Wochen mobil.
Allerdings werden Putins Gegenkandidaten bei dem Urnengang noch nicht einmal Chancen auf einen Achtungserfolg eingeräumt. Die Protestbewegung steht dem Kommunistenchef Gennadi Sjuganow, dem Ultranationalisten Wladimir Schirinowski und dem kremlnahen Sergej Mironow ohnehin skeptisch gegenüber, weil keiner von ihnen Putin offen herausfordert. Einzig die Haltung des Milliardärs Michail Prochorow kommt ihrer Vision von einem liberalen und demokratischen Russland nahe. Doch dieser ist zugleich der rätselhafteste Kandidat. Er versucht vehement Vorwürfe abzuschütteln, seine Kandidatur sei vom Kreml gesteuert.
Für Putin geht es bei dem Urnengang dennoch um einiges: Nachdem er bei seiner ersten Wahl zum Staatschef vor zwölf Jahren 52,5 Prozent der Stimmen erhielt, fuhr er bei seiner Wiederwahl 2004 mit 71,2 Prozent einen Triumph ein. Davon sind seine derzeitigen Zustimmungswerte weit entfernt. Während die Russen in ihm zu seinen ersten Amtszeiten als Staatschef noch ein Symbol für Stabilität sahen, steht er vor allem für die wachsende Mittelschicht jetzt für Stagnation. Immerhin dürfte er jüngsten Umfragen zufolge aber im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen - und damit nicht in die Stichwahl müssen.
SDA/kpn
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