Die 140-Zeichen-Polterer
Schweizer Politiker entdecken Twitter. Der Nachrichtendienst kann als Marketinginstrument eingesetzt werden – kann aber auch kommunikative Abstürze provozieren.

Im amerikanischen Politbetrieb ist Twitter bereits gang und gäbe. Ausnahmslos alle US-Senatoren haben einen eigenen Twitter-Account – vor zwei Jahren waren es noch nicht einmal die Hälfte. Auch im Schweizer Bundeshaus mausert sich der Kurznachrichtendienst zum unverzichtbaren Kommunikationstool. Nachrichten aus dem Berner Politbetrieb und Reaktionen darauf verbreiten sich immer öfter zuerst über Twitter, das meldet die «Nordwestschweiz» in ihrer heutigen Ausgabe. Zum Beispiel sicherte SP-Präsident Christian Levrat seinem CVP-Kollegen Christophe Darbellay Anfang Januar auf Twitter seine Unterstützung gegen einen prominenten Banker zu, der den CVP-Mann verklagt hatte.
Marktwert steigern
Durch Twitter könnten Parlamentarier ihren politischen und medialen Marktwert massiv steigern, schreibt die «Nordwestschweiz». Denn auch Journalisten benutzen den Kurznachrichtendienst gern, sie interessieren sich für die Tweets der Parlamentarier und schreiben auch gern darüber. Balthasar Glättli von den Grünen, ein politischer Twitterer der ersten Stunde, bekommt aufgrund seiner Tweets ein bis zwei Medienanfragen pro Woche. Denn Tweets seien ein «Gesprächsangebot», so Glättli.
Allerdings ist das Benutzen der Social-Media-Plattform nicht ganz risikolos, wie verschiedene Fälle letzten Sommer zeigten. Wer gedankenlose oder allzu emotionale Tweets absetzt, kann schnell in einen sogenannten Shitstorm mit unabsehbaren Folgen geraten – dies haben verschiedene Fälle von Politikern oder Sportlern gezeigt, welche im vergangenen Jahr durch unangemessene Tweets in Schwierigkeiten geraten sind.
Politikberater Mark Balsiger gibt als Faustregeln an, nur Dinge zu twittern, zu denen man auch in einem Jahr noch stehen könne. Er selber drucke seine Tweets zuweilen sogar aus, um sich besser vorstellen zu können, wie ein solcher Tweet wirken könnte, wenn er aus dem Zusammenhang gerissen würde. Dieses Risiko kennt auch Glättli. Was auf Twitter gut wirke, könne saublöd aussehen, wenn es am nächsten Tag in der Zeitung stehe.
Boshafte Medienkampagne
SVP-Politiker Claudio Zanetti gehört zu den Vieltwitterern – er betrachtet Twitter als ein «politisches Guerilla-Instrument» für Legislativpolitiker. Zanetti ist auch bekannt für seine provokativen Tweets, mit denen er zuweilen Grenzen auslotet. Er ist überzeugt, dass man per Twitter etwas bewirken kann. Vergangenes Jahr beispielsweise sei es ihm dank Twitter gelungen, eine «boshafte Medienkampagne» gegen seinen Kantonsratkollegen Mauro Tuena zu stoppen, dem man vorgeworfen habe, im Verborgenen für eine dubiose Finanzfirma zu arbeiten. Zanetti habe dann klargestellt, dass er nicht im Geheimen, sondern offiziell für diese Firma arbeite, die auch im Handelsregister eingetragen sei, worauf die Kampagne sofort vorbei gewesen sei. Sein Rat für politische Twitterer: Als Partei erlange man per Twitter nur Schlagkraft, wenn man sich in seinen Tweets gegenseitig zitiere und erwähne.
Der erfolgreichste Polit-Twitterer der Schweiz ist übrigens Alain Berset, der dem Nachrichtendienst am 17. August 2012 beigetreten ist und bereits 7300 Follower gesammelt hat. Allerdings schreibt er seine Tweets nur teilweise selber – und überlässt das sonst seinen Mitarbeitern.
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