Deutschlands klügster Professor als Rattenfänger
Dass sich der streitbare deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn an die Spitze eines akademischen Saubannerzuges gegen Brüssel stellt, ist kein Zufall. Ein Kommentar.
Der EU-Krisengipfel wird von den meisten Ökonomen zwar nicht als ein Durchbruch, aber immerhin als ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gewertet. Typisch etwa das Verdikt von Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times»: «Nützliche Schritte sind gemacht worden. Der wichtigste davon sind die Abmachungen, die es erlauben, dass die europäischen Rettungsfonds den unterkapitalisierten Banken direkt helfen können», schreibt der einflussreichste Wirtschaftsjournalist der Welt. Doch nicht alle Ökonomen sind wohlwollend gestimmt. In Deutschland gehen 160 Wirtschaftsprofessoren auf die Barrikaden gegen eine befürchtete Bankenunion. Angeführt werden sie von Hans-Werner Sinn, dem Leiter des Ifo-Instituts in München. Er sieht in diesen Beschlüssen den Anfang einer katastrophalen Entwicklung, unter der noch «unsere Kinder und Enkel leiden werden».
2003 hat Sinn ein Buch unter dem Titel «Ist Deutschland noch zu retten?» veröffentlicht. Das Fragezeichen ist rhetorisch zu verstehen. Sinn beschreibt darin ein Deutschland, das seine internationale Wettbewerbsfähigkeit verloren und ohne drastische Massnahmen – beispielsweise eine Lohnkürzung der Arbeitnehmer um 30 Prozent – verloren ist. Trotzdem wurde das Buch ein Bestseller und hat die Diskussion der deutschen Wirtschaftspolitik über Jahre massgebend geprägt. Aus heutiger Sicht liest es sich wie ein schlechter Witz: Sinn preist darin etwa die dank der Thatcher-Reformen vorbildlich aufgestellte Wirtschaft Englands und beklagt den scheinbar unvermeidbaren Abstieg der deutschen Wirtschaft. Ein paar Jahre später war Deutschland Exportweltmeister und heute ist es wieder die stärkste Wirtschaftsmacht des Kontinents. Grossbritannien hingegen ist einmal mehr der kranke Mann Europas.