Deutschland unter Schock
Rechtsextremisten in Deutschland sollen serienweise Ausländer ermordet und weitere Anschläge geplant haben. Nun kam es in Zusammenhang mit den sogenannten «Döner-Morden» zu einer weiteren Verhaftung

Im Zusammenhang mit den so genannten Döner-Morden an Türken und Griechen in Deutschland ist am Wochenende ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen worden. Die Regierung in Berlin sieht in der Mordserie unterdessen eine neue Form von Rechts-Terrorismus und will alle ungelösten Fälle seit Ende der 90er untersuchen.
Innenminister Hans-Peter Friedrich kündigte an, alle ungeklärten Straftaten seit 1998, die einen fremdenfeindlichen Hintergrund haben könnten, würden auf eine Verbindung zu den Thüringer Neonazis untersucht, die hinter der Vereinigung «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) stehen sollen. 1998 waren die Mitglieder dieser Gruppe untergetaucht.
Merkel zeigt sich alarmiert
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zeigten sich alarmiert. Friedrich sagte, nun gelte es herauszufinden, ob das Netzwerk weitere Mitglieder umfasse und was seit 2006, also nach den so genannten Döner-Morden, geschehen sei.
Dem NSU werden mindestens zehn Morde an Deutsch-Türken, einem Griechen und einer Polizistin zur Last gelegt. Verdächtigt werden neben dem am Sonntag in der Nähe von Hannover festgenommenen 37- Jährigen zwei Neonazis, die sich kürzlich selbst getötet hatten und eine Frau, die sich nach den Selbstmorden der Polizei gestellt hat. Alle drei entstammen dem rechtsextremen Milieu in Jena.
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe erliess am späten Abend einen Haftbefehl gegen die 36-Jährige. Es bestehe ein dringender Verdacht «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung», teilte die Bundesanwaltschaft mit.
Die beiden mutmasslichen Neonazi-Terroristen, die sich in der vergangenen Woche selbst erschossen hatten, hatten laut «Spiegel» in einem 15-minütigen Film weitere Anschläge angekündigt.
Unklare Rolle des Verfassungsschutzes
Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist noch unklar. Etliche Politiker fragten, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, danach aus dem Blickfeld verschwanden und so lange unbehelligt Morde, Banküberfälle und andere Straftaten verüben konnten.
In Sicherheitskreisen wird zudem spekuliert, die drei mutmasslichen Täter könnten vom Verfassungsschutz eine neue Identität erhalten und dann als Verbindungsleute in der rechten Szene geführt worden sein.
«Militärisch organisierter Partisanenkampf»
Der Berliner Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner sieht ein hohes Gewaltpotenzial bei militanten Rechtsextremisten. «Dabei geht es auch um Morde», sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur dpa. Von einem rechtsterroristischen Netzwerk in Deutschland geht Wagner nicht aus.
«Gleichwohl gibt es Gruppen, die daran arbeiten, terrorismusfähig zu werden.» Sie agierten im Untergrund und versuchten häufig, sich für einen «militärisch organisierten Partisanenkampf» Waffen und Sprengmittel zu beschaffen.
Zentralrat der Juden fordert Entschlossenheit
Der Zentralrat der Juden forderte eine «neue Entschlossenheit» im Kampf gegen die rechte Szene sowie ein Parteiverbot für die NPD. «Dieses politische Flaggschiff der Rechtsradikalen muss endlich politisch und juristisch versenkt werden», sagte Präsident Dieter Graumann dem «Handelsblatt Online».
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, Thomas Oppermann (SPD), sagte der «Bild am Sonntag», er werde in der kommenden Sitzungswoche zu einer Sondersitzung einladen. «Ich will wissen, was die Behörden wussten und wie solche Straftaten in Zukunft besser verhindert werden können.»
AFP/dapd/sda/miw
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