Geldberater: Der Marktschrei(b)erDerivatspezialist Leonteq hat noch Potenzial
AMS-Papiere bleiben volatil +++ Coltene zielt höher +++ Zurich Insurance hat gute Zeiten vor sich +++ Relief Therapeutics macht skeptisch.

Leonteq: Halten
Leonteq hat am Donnerstag mit einem starken zweiten Halbjahr die Markterwartungen geschlagen. Der Zweitsemestergewinn lag über ein Viertel höher als von den Analysten im Schnitt erwartet. Die starke Aktienkursentwicklung der Vortage hatte das bereits vorweggenommen. 8 Prozent avancierten die Titel vor der Zahlenpräsentation am Donnerstag, legten danach aber nochmals über 10 Prozent zu. Seit Anfang Jahr haben sie damit über 30 Prozent gutgemacht, was sie zu den zugkräftigsten Schweizer Finanzwerten macht. Ich meine, das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. 2020 konnte der Derivatspezialist vier neue Emittenten auf seine Plattform bringen, und die Pipeline an potenziellen Partnern ist laut Konzernchef Lukas Ruflin gut gefüllt. Das verspricht langfristiges Ertrags- und Gewinnwachstum. Auch die Aktionäre sollen daran partizipieren. Das Management verspricht neu eine progressive Dividendenpolitik und hat die Ausschüttung für 2020 um die Hälfte erhöht. Halten
AMS: Halten
Heute schon das Smartphone benutzt? Dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Sie auch einen Sensor der österreichischen AMS auf Trab gebracht haben, deren Aktien an der Schweizer Börse kotiert sind. Das Geschäft mit Komponenten, um etwa das Display heller oder dunkler zu stellen oder einen Gesichtsscan durchzuführen, war für den Chiphersteller lange ein auskömmliches. Nach einem kritischen Analystenbericht fürchten Investoren nun aber, dass Grosskunde Apple die Preise drücken oder gar zu anderen Zulieferern wechseln könnte. Schon vor anderthalb Jahren hat das AMS-Management die Übernahme des deutschen Lichtspezialisten Osram eingeleitet – und befindet sich damit auf der Zielgeraden. Beide Unternehmen zusammen werden weniger abhängig von einzelnen Kunden sein. Noch hängt AMS aber am Tropf von Apple, was sich vergangene Woche bei Vorlage der Quartalszahlen erneut gezeigt hat. Bis Osram das Profil von AMS verändert hat, rechne ich mit weiteren Kursschwankungen, würde den Titeln auf dem aktuellen Niveau aber treu bleiben. Halten
Coltene: Kaufen
Der Name Coltene sagt Ihnen vielleicht nichts. Aber die Chance ist gross, dass Ihr Zahnarzt deren Verbrauchsmaterial und Kleingeräte benutzt. An der Börse hat Coltene, die früher Medisize hiess, meist keine Stricke zerrissen. Auch nach dem Kurssturz wegen Corona dümpelten die Aktien lange vor sich hin – bis Mitte Dezember, als Coltene meldete, der Dentalmarkt habe sich rascher erholt als erwartet. Im Januar erhöhte das Unternehmen die Prognose für 2020 gleich nochmals. Unterdessen haben die Valoren 40 Prozent gewonnen. Ist die Luft jetzt draussen? Ich denke nicht. Vom Höchstkurs von 2018 sind sie noch einiges entfernt. Damals hat Coltene zwei relativ grosse Akquisitionen teilweise mit Aktionärsgeld finanziert. Deren Integration hat länger gedauert als gedacht. Doch die Pandemie hat dem zugekauften Geschäft mit Infektionskontrolle einen Schub gegeben. Die höhere Nachfrage nach Hygienemitteln wird nicht so rasch abflauen, wenn überhaupt. Ich rechne damit, dass die grössere Coltene auch in der Profitabilität Fortschritte erzielt und rasch an ihr Margenziel herankommt. Kaufen
Zurich Insurance: Kaufen
Die Pandemie hat den Versicherungskonzern Zurich Insurance netto rund 850 Millionen Dollar gekostet. Aber günstige Währungsveränderungen und Börsengewinne verminderten die Belastung. Konzernchef Mario Greco strich am Donnerstag «die Stärke des Geschäftsmodells und die rechtzeitige Digitalisierung» hervor. Das Unternehmen habe 2020 Sonderleistungen an die Mitarbeiter und die Kunden erbracht sowie bei neuen Versicherungsverträgen und den Vermögensanlagen noch mehr auf Klimaschutz und Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft geachtet. Die Aktionäre partizipieren am Ergebnis 2020 mit einer gleichbleibenden Dividende von 20 Franken pro Aktie. Damit werden fünf Sechstel des Überschusses ausgeschüttet, womit die Zielquote von 75 Prozent überschritten wird. Das Management ist sich also gewiss, dass erfolgreiche Zeiten bevorstehen. Es wagt für 2021 dennoch keine Prognose. Ich schätze, dass das Unternehmen dieses Jahr bei flacher Einnahmenentwicklung den Gewinn gegenüber dem belasteten Vorjahr deutlich ausweiten wird. Kaufen
Relief Therapeutics: Meiden
Relief Therapeutics war 2020 der Überflieger. Die Aktien haben das Jahr mit einem Kursgewinn von rund 35'000 Prozent beendet – der Corona-Pandemie sei Dank. Relief hatte zuvor einen Wirkstoff, der schon bei Lungenversagen getestet worden war, flugs an Corona-Patienten ausprobiert. Die Behörden in den USA gaben grünes Licht, um das Mittel bei schwerstkranken Patienten einzusetzen. Weil bei den ersten 20 Patienten die Überlebensquote höher war als bei anderen verfügbaren Mitteln, schnellte der Aktienkurs in die Höhe. Plötzlich war das Unternehmen mit nur zwei Festangestellten an der Börse mit 1,5 Milliarden Franken bewertet. Vergangene Woche folgte nun ein heftiger Dämpfer. In einer wissenschaftlichen Studie mit 203 Teilnehmern konnte das Mittel gemäss ersten Ergebnissen die Zahl der Todesfälle nicht verringern. Dass die Aktien nach einem zeitweisen Einbruch von 70 Prozent nur rund 40 Prozent verloren haben, ist wohl darauf zurückzuführen, dass der Wirkstoff viele Patienten rascher genesen liess. Das können mittlerweile aber auch andere Medikamente. Ich bin deshalb immer noch skeptisch, ob Relief ein kommerzieller Erfolg gelingen wird. Meiden
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung.
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