Der verschmähte Kronprinz
Was aussieht wie ein Eclat an der Spitze von Adecco, ist eigentlich die enttäuschte Liebe eines Senkrechtstarters und seines Mentors.
Wie so oft ist die wahre Geschichte subtil verpackt in schöne Worte. Als Adecco-Verwaltungsratspräsident Rolf Dörig über Patrick De Maeseneire spricht, seinen langjährigen Konzernchef, dessen Rücktritt er eben bekannt gegeben hat, überschlägt er sich fast. Er schwärmt von De Maeseneires «herausragendem persönlichem Engagement» und seinen «grossartigen Leistungen». Zu Dominik de Daniel, dem Finanzchef von Adecco, der das Unternehmen ebenfalls verlässt, sagt er hingegen nur: «Aufgrund des Chefwechsels hat er sich entschieden, Adecco zu verlassen.» Und er würdigt die «Leistungen» – ohne dabei ein Adjektiv zu verwenden. Dörig ist nicht unhöflich in der Art, wie er über de Daniel spricht. Aber seine Worte sind deutlich weniger warm.
Erst als Dörig auf Alain Dehaze zu sprechen kommt, schwingt wieder Herz mit. De Maeseneire sei glücklicherweise in der Lage gewesen, dem Verwaltungsrat gleich mehrere interne Nachfolger für seinen Job vorzuschlagen. Dabei sei die Wahl auf Dehaze gefallen, der seit 2009 in der Konzernleitung sitzt und zuletzt das Geschäft in Frankreich leitete. Ach was, leitet. Restrukturiert hat er es. «Und zwar sehr erfolgreich und im Stillen», sagt Dörig. Ausserdem hat er 15 Jahre Erfahrung in der Personalvermittlung, «bei mehreren Firmen», und einen «hervorragenden internationalen Leistungsausweis». Da sind sie wieder, die Adjektive.
Mit 31 Finanzchef bei Adecco, mit 40 auf Jobsuche
Und schon da lässt sich erraten, dass das wohl alles Dinge sind, die de Daniel für Dörig wohl nicht mitbringt. Als er 2006 bei Adecco als Finanzchef angefangen hat, war er gerade einmal 31 Jahre alt. Er wurde zusammen mit seinem früheren Arbeitgeber übernommen, dem Deutschen Industrie Service (DIS). Der junge de Daniel hatte eine Banklehre gemacht, arbeitete danach mit 18 bei der Deutschen Bank, für sieben Jahre, unter anderem als Analyst. Als er mit 25 Jahren zu DIS wechselt, dauert es ein Jahr, bis er in der Geschäftsleitung sitzt. Zehn Jahre lang hat er jetzt bei Adecco auf den nächsten Schritt gewartet. Vergeblich. Jetzt ist er 40 – und auf Jobsuche.
Und das bestätigt der knapp 58-jährige De Maeseneire sogar, nachdem er offenbar das Gefühl hat, es sei lange genug um den heissen Brei herum geredet worden. Zuvor haben die Journalisten noch nachgefragt, ob es wirklich sein freier Entscheid gewesen sei, das Unternehmen zu verlassen, ob es Druck gegeben habe – oder strategische Differenzen mit dem Verwaltungsrat, zumal neben ihm auch de Daniel das Unternehmen verlässt. Für alle, die die subtile Sprache Dörigs nicht verstanden haben, sagt er darum: «Wie Sie sich vorstellen können, war Dominik einer der Kandidaten auf meiner Liste.» Und nach einer kurzen Pause fährt er weiter: «Ich finde es sehr respektvoll, dass er sich neu orientiert, nachdem er nicht zum neuen Konzernchef wird.»
«Der Beste, mit dem ich je gearbeitet habe»
Die Frage, wen De Maeseneire selbst gewählt hätte, muss man gar nicht mehr stellen. Er gratuliert Dehaze zwar zu seinem neuen Job, und er wünscht ihm auch Glück. Aber viel mehr Worte verliert er nicht zur Wahl seines belgischen Landsmanns. Dafür steht er de Daniel offenbar zu nahe. In den wenigen persönlichen Sätzen, die De Maeseneire ganz am Schluss noch platziert, als die Journalisten alle ihre Fragen schon gestellt haben, fällt auch dies: «Dominik ist der beste Berufsmann, mit dem ich je gearbeitet habe. Ohne ihn wäre ich nirgends.» Und die Emotionen schwingen in seiner Stimme mit. «In den letzten sechs Jahren … wurden wir sehr gute Freunde.» Und: «Glaub mir, Dominik, mit deiner Persönlichkeit, deinem Führungsstil, deiner Energie und deinem Verstand, ist dir der Erfolg für die Zukunft garantiert.»
Worte, die, der Stimme nach zu urteilen, auch an de Daniel nicht spurlos vorübergehen. Es ist sein letzter Auftritt in einem solchen Rahmen. Und er nutzt ihn: «Ich möchte die Gelegenheit nutzen, meinem Chef und sehr guten Freund für die besten sechs Jahre in meiner beruflichen Karriere zu danken.» Er spricht auch davon, wie er und De Maeseneire sich gegenseitig befeuert und den Konzern auf eine neue Ebene gebracht hätten. Und man hat automatisch ein Zweiergespann vor Augen, das den ganzen 31'000 Leute grossen Konzernkarren zieht. Ein Gespann, das schon in wenigen Monaten nicht mehr da sein wird.
«Ich finde es unangebracht»
Und irgendwie scheint es, als hätte Dörig genau so etwas am liebsten verhindert. Als er früh darauf angesprochen wird, was Dehaze im Vergleich zu den anderen Kandidaten besonders ausgezeichnet hat, sagt er nämlich: «Ich halte es für unangebracht, den Prozess oder einzelne Kandidaten zu kommentieren.» Und er wusste wohl auch, warum. Das Bild des verschwundenen Zweiergespanns hat es offenbar bis in die Köpfe der Börsenhändler geschafft. Die Adecco-Aktie hat trotz des hervorragenden Quartalsergebnisses und eines positiven Ausblicks über 6 Prozent verloren.
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