Der Spielplatz wird zum Erlebnisraum
Bei der Planung von Kinderspielplätzen dominiert ein Thema: Sicherheit. Die BaZ war mit Landschaftsarchitekten und Spielplatzexperten unterwegs und sah sich drei komplett verschiedene Spielplätze an.

Wo ist die Schaukel, wo die Rutschbahn? Die von Michael Grossert 1967 erbaute Spielskulptur in der Reinacher Primarschule Aumatten sollte kein unmittelbares Spasserlebnis sein, sondern dem Kind «mit der Melodie der Bilder und Formen die Welt des Traumes öffnen», sagten die Planer. Die Skulptur bedeutete den Durchbruch des Künstlers. In Basel ist Grossert vor allem bekannt durch die farbige Polyesterplastik Lieudit an der Heuwaage, die einst Anlass zu heftigen Debatten gab. An einer kürzlich stattgefundenen Führung von Architektur Dialoge Basel mit Raumplanerin Gabriela Burkhalter ging es darum zu zeigen, dass Spielplätze mehr als das Platzieren von Schaukel und Sandkasten sind. Das freie Spiel, Experimentieren sowie Kreativität sind heute Schlagworte, mit denen sich Planer und Landschaftsarchitekten auseinandersetzen.
Doch Sicherheitsfragen dominieren mehr denn je. Zwar war Sicherheit schon zu Grosserts Zeit ein Thema. Doch auf die Idee, eine solche Spielskulptur zu bauen, käme heute niemand mehr. In Reinach griff man in die Trickkiste: Die Skulpturenlandschaft wurde nachträglich in den höheren Bereichen mit gelben Punkten versehen. «Hier ist Klettern verboten», hiess das im Klartext. Vielleicht hats genützt: Während der letzten zwanzig Jahre, so der Aumatt-Abwart, soll es nur zu zwei Armbrüchen gekommen sein.
Warten verpönt
Grossert knüpfte damals an die Tradition an, unbemalte Spielgeräte in undefinierten Formen herzustellen. In den 40er-, 50er- und 60er-Jahren ging es darum, Kreativität und Vorstellungskraft des Kindes zu fördern. Viele Kinder sollten gleichzeitig spielen können; Anstehen oder Warten, um zu spielen, war verpönt. Die Spielgeräte sollten undefinierte Formen haben und aus rohem, natürlichem Material sein. Schon während des Krieges entstanden in Skandinavien aus den Trümmern sogenannte Bauspiel- oder Abenteuerplätze.
Viele Spielorte im Kannenfeldplatz stammen aus den 50er- und 60er-Jahren. Es war die Zeit des Richard Arioli, der während fast drei Jahrzehnten oberster Basler Stadtgärtner war. Ariolis Idee war, verschiedene Spielelemente auf einer Spielachse zu errichten. Das soll so bleiben, sagt Stadtgärtner Emanuel Trueb. Neu aber heissen Spielplätze im Kannenfeldpark nicht mehr Spielplätze, sondern Erlebnisinseln. Der pädagogische Anspruch ist hörbar. Von den ursprünglich fünf geplanten Inseln werden nun drei verwirklicht: eine Wasserinsel, eine Schaukel- sowie eine Rutschinsel. Die grösste hat einen Durchmesser von elf Metern, der Untergrund wird jeweils in Beton gegossen. Dafür hat die Stadtgärtnerei kürzlich das Baugesuch für das Bauvolumen von 400'000 Franken publiziert. Die Gesamtsumme zur Errichtung der drei Inseln beträgt 1,1 Millionen Franken. Das Geld stammt aus dem Rahmenkredit Wohnumfeldaufwertung. Man habe nicht den Anspruch, den Kannenfeldpark zum Vorzeigespielplatz zu machen, meint Trueb.
Aber Spielgeräte aus dem Katalog aussuchen wolle man auch nicht. So soll der Park bis Ende nächsten Jahres eben etwas ganz Besonderes werden. Den Auftrag zur Gestaltung der Inseln hat das Stuttgarter Büro Kukuk erhalten, einen Wettbewerb gab es keinen. Die Stadtgärtnerei hat schon einige Male mit Kukuk zusammengearbeitet. Aktuelles Beispiel ist die neue Spielanlage im Theodorsgraben. «Unsere Absicht ist es, Kindern Spielräume zu schaffen, die sie als einen ruhenden Ort erfahren, an dem sie sich in das, was sie tun wollen, vertiefen können», schreibt das Büro auf seiner Homepage.
Wild und verspielt
Auch Trueb wünscht sich, dass sich ein Kind an die Einzigartigkeit seines Spielplatzes erinnert, auf dem es aufgewachsen ist. Nicht vergessen möchte der oberste Stadtgärtner die beiden anderen Inseln, die wegen Geldmangel zurzeit nicht verwirklicht werden können. Man wolle diese zu einem späteren Zeitpunkt realisieren, sagt Trueb. Dann, wenn wieder Geld in der Kasse ist. Die letzte Station ist der Robinson-Spielplatz Volta an der Lichtstrasse. Hier zeigt sich der Spielplatz ursprünglich: wild, verspielt, organisch. Die Baracke wirkt romantisch mitten in einem kleinen Wald. Besonders, wenn dahinter gleich der Novartis-Campus aufragt, die architektonische Vorzeigestadt in der Stadt. Doch bald muss die Baracke weichen. Der erste Robinsonspielplatz der Schweiz wird neu gestaltet. Nicht von Kindern, sondern von Architekten. Eine Gesamteinheit soll es werden, erklärt Andreas Hanslin, Leiter der Robi-Spiel-Aktionen.
Nicht allen Teilnehmern des Rundgangs leuchtet ein, weshalb ein Robi-Spielplatz von Architekten gestaltet werden muss. Hanslin verteidigt den Neubau: «Das war damals kein Projekt, sondern es waren Internierten-Baracken, die hier aufgestellt wurden.» Dass hier etwas Neues entstehe, habe mit der Wertschätzung gegenüber Kindern zu tun. «Das Bedürfnis, eigene Hütten zu bauen, ist zurückgegangen.» Heute hätten Kinder mehr Platz als früher, als man dicht beisammenwohnte. Hanslin findet sowieso: Nicht die Kinder, sondern die tollen Väter hätten die Robinsonhütten gebaut.
Sicherheit ein Thema
Seltsam findet es Hanslin, dass die Spielplätze der Stadt immer mehr normiert würden. Im Schützenmattpark beispielsweise seien die Holzbalken zum Spielen entfernt worden. «Sobald etwas drei Meter Fallhöhe hat, gibt es einen Riesenaufschrei.» Sicherheit ist in der Tat ein Thema. 5,3 Millionen Franken hat der Grosse Rat vor zwei Jahren gesprochen, um alle Kinderspielplätze den europäischen Sicherheitsnormen anzupassen (siehe Interview).
Immerhin: Auf dem Robi-Spielplatz gelten andere Sicherheitsnormen. Hier kann noch etwas ausprobiert werden. Dafür sind auch die Betreuungspersonen da. Zumindest 24 Stunden pro Woche. Doch nicht die Sicherheitsdiskussion innerhalb der Robi-Spielplätze geht Hanslin auf die Nerven. Was er nicht versteht, ist, dass Kinder zehn Jahre lang bei stets ändernder Verkehrsführung den Voltaplatz haben überqueren müssen. «Da nimmt man in Kauf, dass etwas passiert. Und da sagt niemand etwas.» Die Sicherheitsfrage, so scheint es den Teilnehmenden am Schluss des Rundgangs, ist trotz Normierungen der Spielplätze noch nicht zu Ende geführt.
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