Der SNB bleibt nur das Prinzip Hoffnung
Zehntausende von Stellen seien durch den starken Franken bedroht, meldete die Sonntagspresse. Sicher ist: Der Druck auf die Nationalbank ist hoch. Doch ihr sind die Möglichkeiten ausgegangen.

Wegen des starken Frankens drohe bis Ende Jahr der Verlust von 30'000 Stellen, warnt der Chef des Arbeitgeberverbands, Valentin Vogt. Die Aufhebung der Untergrenze des Eurokurses in Franken koste die Schweiz bis Ende Jahr sogar 40'000 Jobs, sagte Jan-Egbert Sturm, Chef der Konjunkturforschungsstelle KOF, der Zeitung «Schweiz am Sonntag». Kein Wunder, bleibt der Druck auf die Schweizerische Nationalbank (SNB) hoch, sie solle doch bitte etwas tun, um den Franken zu schwächen.
Doch es ist eine bittere Realität, dass ihre Möglichkeiten seit der Aufhebung der Untergrenze des Euro-Franken-Kurses ausgeschöpft sind. Ihr bleibt nach wie vor nur das Prinzip Hoffnung. Etwa jene Hoffnung, die anfängliche Aufwertung fast zur Parität von 1 Franken pro Euro sei bloss ein Überschiessen und der Kurs werde sich bald bei 1.10 einpendeln – was immer wieder als absolutes Minimum des Erträglichen genannt wurde. Tatsächlich wäre der Franken allerdings selbst bei diesem Kurs noch überbewertet. Der Wunsch ging bisher ohnehin nicht in Erfüllung. Nach einer anfänglichen Abwertung gegen 1.08 Franken pro Euro pendelt sich der Kurs seit dem April bei 1.05 Franken pro Euro ein.
Risiko Negativzinsen
Die wichtigste Waffe im Arsenal der SNB zur Schwächung des Frankens sind jetzt die Negativzinsen – Banken müssen auf ihren Girokonten bei der SNB ab einer Freigrenze für ihre Einlagen eine Gebühr bezahlen. Zwar hatte die Massnahme wie von der SNB gewollt zur Folge, dass viele weitere Zinsen ebenfalls negativ wurden – so etwa jene für Gelder, die sich Banken untereinander ausleihen. Doch ihren Hauptzweck hat die Massnahme bisher verfehlt: die Schwächung des Frankens.
Schlimmer noch: Negativzinsen sind sehr unbeliebt. Dazu kommt, dass die Folgen der Massnahme noch wenig absehbar sind, es bestehen schliesslich international kaum Erfahrungen damit. Schon jetzt zeigen sich unbeabsichtigte Effekte: So steigen infolge der Negativzinsen Hypothekar- und sogar Kreditzinsen an, weil für die Banken die Absicherungskosten steigen. Diese Folgen bedeuten auch, dass die SNB die Negativzinsen nicht mehr deutlich weiter senken kann, auch nicht die Freigrenzen der Banken, die davon ausgenommen sind. Dadurch würde auch der Anreiz zur Bargeldhaltung zunehmen, was keineswegs im Interesse der SNB sein kann.
So überrascht es wenig, dass jetzt zunehmend eine erneute Untergrenze für den Frankenkurs gefordert wird. Darauf wird sie kaum einschwenken. Die Durchsetzung wäre jetzt sehr viel weniger glaubwürdig und damit teurer. Der lange Erfolg der Untergrenze ging vor allem darauf zurück, dass die SNB damit überzeugt hat, im Notfall in beliebigem Ausmass Devisen zu ihrer Durchsetzung aufzukaufen. Mit der Russlandkrise im vergangenen Dezember und der Aussicht auf die Geldspritzen der Europäischen Zentralbank im Januar reichte diese Drohung nicht mehr und die SNB musste im grossen Stil auf den Devisenmärkten intervenieren. Wegen der Angst vor einer durch solche Käufe explodierenden Bilanz hat die Nationalbank darauf die Waffen gestreckt und die Untergrenze aufgegeben. Wie könnte ihr künftig jemand glauben, sie würde für eine erneute Untergrenze alle Konsequenzen in Kauf nehmen?
Auch der Korb bringt nichts
Auch die Forderung, eine Untergrenze solle sich nicht bloss am Euro, sondern gleich an einem Korb aller wichtigen Währungen orientieren, hat keine besseren Erfolgsaussichten. Zur geschwächten Glaubwürdigkeit der SNB in Sachen Untergrenze kommt hier dazu, dass die Massnahme sehr viel weniger transparent ist. Bei der Grenze gegenüber dem Euro war für alle immerhin jederzeit leicht erkennbar, wie gut die Grenze hält und ob sie getestet wird.
Die SNB selbst argumentiert schliesslich, im schlimmsten Fall könne sie den Franken jederzeit durch Käufe von Fremdwährungen schwächen. Doch mit solchen Käufen hat sie früher in Krisensituationen sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Gerade weil sie damals sehr umfangreich Devisen kaufen musste, ohne viel Wirkung zu erzielen, hat sie mit dem Mindestkurs eine Grenzlinie des Tolerierbaren gezogen.
Nicht ausgeschlossen, dass sich alles zum Guten entwickelt, dass sich der Franken doch noch weiter abschwächt und die tristen Prognosen zur Schweizer Konjunktur sich als falsch erweisen. Bleibt der Franken aber so stark oder gerät wegen einer grossen internationalen Krise erneut unter weiteren Aufwertungsdruck – Kandidaten dafür gibt es genug –, dann müssen wir uns damit abfinden, dass unsere Notenbank dem ziemlich hilflos gegenübersteht.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch